Starke Allianz für einen modernen föderalen Rahmen Österreichs  

erstellt am
16. 02. 07

Burgstaller: Große Bundesstaatsreform ist besondere Aufgabe in diesem Halbjahr
Salzburg (lk) - "Die österreichische Innenpolitik steht in diesem Halbjahr vor einer anspruchsvollen Aufgabe. Wir haben die besten Voraussetzungen, um die größte Staatsreform der Zweiten Republik umzusetzen. Dafür wurden in den intensiven Monaten des Verfassungskonvents viele wertvolle Grundlagen erarbeitet. Nun liegt eine klare politische Absichtserklärung der neuen Bundesregierung vor. An der Bereitschaft der Länder zu einer Bundesstaatsreform gibt es seit Jahrzehnten keinen Zweifel." Das betonte Landeshauptfrau Mag. Gabi Burgstaller am 16.02. bei ihrer Rede als Vorsitzende der Landeshauptleute-Konferenz vor dem Bundesrat in Wien.

In den nächsten Monaten werde sich entscheiden, ob die bevorstehende Staatsreform das Attribut "groß" auch verdient, so Burgstaller weiter. Gerade jetzt gebe es eine Reihe von guten Gründen für einen Erfolg. Eine Große Koalition auf Bundesebene und annähernd gleich starke Repräsentation der großen politischen Lager in den Bundesländern würden eine historisch einzigartige Möglichkeit für große Reformen bilden, so Burgstaller weiter.

Diese günstige Konstellation biete die vielleicht auf lange Sicht einmalige Chance auf eine neue Gestaltung der bewährten Bundesverfassung, auf ein in die Zukunft gewandtes neues Rollenverständnis zwischen dem Bund, den Ländern, den Gemeinden und einem neuen Bundsrat als hörbare Stimme der Länder beim Bund.

Die Länder und "ihre" Kammer, der Bundesrat, sollen gerade in dieser Zeit der Entscheidung eine starke Allianz bilden. Diese Allianz richte sich nicht gegen etwas, sondern stehe für ein Ziel: einen modernen, zu Leistung anspornenden und von der solidarischen Verantwortung für diese und für die nächsten Generationen geprägten föderalen Rahmen für Österreich, sagte Burgstaller.

Das alte Konzept vom Staat allein greife hier nicht mehr. Es sei eine substanzielle Weiterentwicklung zur "good governance" nötig, analog zu Bestrebungen in der Wirtschaft nach verbindlichen Spielregeln für Großunternehmen à la "Corporate governance".

Hinzu komme der Ruf nach einer Reform des Bundesrates. Selbst der Konvent habe sich zum Thema "Bundesrat" in der schlüssigen Formel: "Aufwerten oder abschaffen" gefunden. Gerade in dieser latenten Krise der Institution Bundesrat stecke jedoch der Keim für einen Neuanfang.

Ideen zur Föderalismusreform
Landeshauptfrau Burgstaller hat den Politikwissenschafter Univ.-Prof. Dr. Anton Pelinka beauftragt, sich Gedanken über eine Reform des österreichischen Föderalismus zu machen. "Eine Bundesstaatsreform ist in der Zweiten Republik immer am Fehlen der politischen Rahmenbedingungen gescheitert", so Burgstaller. Mehr Föderalismus schien immer im Interesse der einen, weniger Föderalismus immer im Interesse der anderen Großpartei zu sein. "Das ist jetzt nicht mehr so: Wir haben auf Bundesebene die Große Koalition und annähernd eine Balance in den Landtagen und Landesregierungen. Eine große Reform ist vorstellbar und machbar, wenn auf Extrempositionen verzichtet wird. Seien wir im besten Sinn gute Österreicherinnen und Österreicher und suchen eine vernünftige und machbare Lösung", appellierte Burgstaller. Die folgenden Vorschläge seien in diesem Sinn als Diskussionsgrundlage zu sehen:

1. Kompetenzverteilung: "Arrondierung" der Bundes- und Länderkompetenzen; vor allem dann, wenn die Gesellschaft des beginnenden 21. Jahrhunderts nach anderen politischen Aufgaben verlangt als die Gesellschaft des beginnenden 20. Jahrhunderts. Im Zeichen der Globalisierung verlangt die Sorge um die Zukunft der (Um-)Welt insbesondere auch nach einer transnationalen und nationalen und daher nicht nach einer bloß regionalen Antwort.

2. Abschaffung der "mittelbaren Bundesverwaltung“, deren Doppeldeutigkeit die faktische Autonomie der Länder in diesem Bereich nur verschleiert, aber nicht verhindert. Die Übertragung der Vollziehung der Bundesgesetze auf die Länder wäre zum ersten nur ein formaler Nachvollzug eines etablierten Zustandes; und zweitens würde dies eine parlamentarische Kontrolle dieses Verwaltungsbereichs durch die Landtage ermöglichen.

3. Einführung von Landesverwaltungsgerichten als richterliche Kontrolle der Landesverwaltung. Die Einführung von Landesgerichten ist auch im Zusammenhang mit der Kontrolle der Verwaltungstätigkeit auf Länderebene zu sehen. Ohne eine Kontrolle durch eine Verwaltungsgerichtsbarkeit auf Länderebene wäre die Ausweitung der Vollziehungskompetenz der Länder nur schwer vertretbar.

4. Zusammenführung der Schulverwaltungsbehörden unbeschadet der bisher gegebenen Zuständigkeiten des Bundes und der Länder in jedem Bundesland. Die genauere Zuordnung der in jedem Land zusammenzuführenden Schulverwaltungen zum Bund oder zu den Ländern kann konkret und pragmatisch ausgehandelt werden.

5. Mehr Gestaltungsraum für Landesverfassungen: Den Ländern soll – auf der Basis unveränderbarer Grundrechte – ein größerer Spielraum als bisher bei der Formulierung ihrer Verfassungen eingeräumt werden (zum Beispiel Proporz- oder Majorzsystem, Wahlrecht etc.).

6. Deutlichere Verknüpfung zwischen der Einnahmen- und der Ausgabenkompetenz der Länder: Den Ländern sollen mehr Möglichkeit und mehr Verantwortlichkeit für die Einhebung von Abgaben eingeräumt werden. Im Gegenzug sollen sie weniger auf den Finanzausgleich angewiesen sein, durch den sie derzeit den Großteil ihrer Einnahmen nicht erwirtschaften, sondern aushandeln, das heißt politisch "erarbeiten".

7. Der Bundesrat kann, ohne dadurch eine Blockade der Verfassungsgesetzgebung wahrscheinlich zu machen, mit einem substanziellen Vetorecht bei allen Verfassungsgesetzen ausgestattet werden. Die Länderkammer und die Länder werden damit in eine stärkere Verantwortung miteinbezogen. In der Einfachgesetzgebung würde sich deshalb am Vorrang des Nationalrates nichts ändern.

8. Der Bundesrat kann, ohne die Vorrangstellung des Nationalrates zu gefährden, mit verstärkten Kontrollrechten – insbesondere mit dem Recht auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen – ausgestattet werden.

9. Der Bundesrat kann, wenn er die Möglichkeit erhält, in den parlamentarischen Entscheidungsprozess vor dem Nationalrat einzusteigen, öffentliche Aufmerksamkeit auf sich lenken, die ihm derzeit fehlt. Dadurch kann sich der Bundesrat profilieren, ohne dass dadurch eine nicht wünschenswerte Blockade zwischen beiden Parlamentskammern entsteht: Der Nationalrat würde sich im Regelfall weiterhin gegen einen anders lautenden Gesetzesbeschluss des Bundesrates durchsetzen können.

10. Eine verstärkte Wahrnehmung außenpolitischer Funktionen durch die Länder ist möglich und vor allem in der Europäischen Union auch sinnvoll. Ohne das Monopol des Bundes für die Außenpolitik in formalem (rechtlichem) Sinn in Frage zu stellen, können die Länder die gerade auch durch die Transformation in Ost-Mitteleuropa und den 2004 erfolgten EU-Beitritt von vier Nachbarstaaten Österreichs erweiterten Möglichkeiten "regionaler Partnerschaften" nutzen.
 
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