Rochade in den grauen Zellen  

erstellt am
16. 02. 07

Psychologen der Uni Graz haben herausgefunden, was in den Gehirnen von SchachspielerInnen vorgeht
Graz (universitä) - SchachspielerInnen sind sehr gescheit, aber emotional schwer zugänglich. So das Vorurteil, das am Institut für Psychologie nun näher untersucht wurde. Tatsächlich haben die Testpersonen einen höheren Intelligenzquotienten als die Durchschnittsbevölkerung, nutzen ihr Gehirn effizienter und können ihre Gefühle besser unter Kontrolle halten. Das haben Univ.-Prof. Dr. Aljoscha Neubauer und Dr. Roland Grabner vom Institut für Psychologie der Uni Graz in zwei Studien herausgefunden.

Der mittlere IQ der untersuchten SportlerInnen lag bei 113, während die "normale" Bevölkerung einen durchschnittlichen Intelligenzquotienten von hundert aufweist. Warum die SchachspielerInnen allerdings gescheiter sind, ist unklar: "Möglicherweise hebt die regelmäßige Beschäftigung mit dem Sport den Intelligenzlevel, oder aber weniger begabte Personen trauen sich von vornherein nicht zu, die Königsdisziplin zu erlernen", stellt Neubauer Vermutungen an. Letztere Scheu besteht allerdings völlig zu Unrecht, wie die Studie zeigt. Zum einen deuten die Ergebnisse darauf hin, dass überdurchschnittliche Spielstärke auch mit durchschnittlicher Intelligenz erreicht werden kann. Zum anderen konnte eine Reihe von Persönlichkeitsmerkmalen bestimmt werden, die offenbar zu besseren Leistungen führt. Unter diesen stellte sich die "Emotionskontrolle" als am wichtigsten heraus. "In vielen Charakterzügen unterscheiden sich SchachspielerInnen nicht von der Allgemeinbevölkerung. Die erfolgreichen unter ihnen halten allerdings offenbar während des Wettkampfs ihre Gefühle besser in Zaum", präzisiert Grabner. Wie auch Beobachtungen zeigen, können sie über einen längeren Zeitraum ihre Konzentration aufrechterhalten und lassen sich nicht zu impulsiven Zügen verleiten.

In einer zweiten Studie wurden die Gehirnströme der Testpersonen untersucht. Mittels einer neuen EEG-Methode konnte gezeigt werden, was in den "grauen Zellen" von SpielerInnen unterschiedlicher Intelligenz und Stärke während der Lösung von Schachproblemen vorgeht. "Eine effiziente Nutzung des Gehirns ist nicht nur eine Frage von allgemeiner Intelligenz, sondern hängt auch von Übung und Training ab", fasst Neubauer das Ergebnis zusammen. Allerdings beanspruchen die verschieden begabten Versuchspersonen andere Gehirnregionen unterschiedlich stark. Sehr gute SchachspielerInnen verlagern die Aktivität ihrer "grauen Zellen" in den rückwärtigen Teil des Cortex, der Hirnrinde. Wie die Studie bestätigt hat, kommt diese Region zum Zug, wenn Erfahrung und jahrelang erworbene Expertise relevant werden. Das Vorderhirn wird vor allem bei neuen Aufgabenstellungen strapaziert.

Die groß angelegte Untersuchung brachte nicht nur für die Gehirnforschung, sondern auch für den Schachsport großen Nutzen, können doch aus den Ergebnissen Empfehlungen für den Weg zum Erfolg abgeleitet werden. "InteressentInnen sollten sich mehr Zeit zum intensiven Studieren von Schachstellungen und -partien nehmen als für private Wettbewerbe", rät Neubauer.
 
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