Eine politische Agenda für Mehrsprachigkeit  

erstellt am
23. 02. 07

Brüssel (ec.europa) - Zum 1. Januar 2007 wurde ein separater Zuständigkeitsbereich „Mehrsprachigkeit“ eingerichtet; dies verdeutlicht angesichts der Bedeutung der Mehrsprachigkeit für Erstausbildung, lebenslanges Lernen, Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft, Beschäftigung, Justiz, Freiheit und Sicherheit ihre politische Dimension in der EU.

Die Sprachenvielfalt ist in der Europäischen Union alltäglich Realität. Die Europäische Kommission ist dem Erhalt und der Förderung dieses wesentlichen Merkmals verpflichtet. Hauptziel des Mandats des Kommissars ist es, den Beitrag der Mehrsprachigkeit zu folgenden Bereichen zu bestimmen:

  • Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung
  • Förderung des lebenslangen Lernens und des interkulturellen Dialogs
  • Pflege eines Raums für den europäischen politischen Dialog durch mehrsprachige Kommunikation mit den Bürgern.


1. Beitrag zu Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Beschäftigung
Die Mehrsprachigkeit leistet einen echten Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft und somit zur Erreichung der Ziele der Lissabon-Strategie. Eine vom CILT (National Centre for Languages, UK) durchgeführte Studie mit dem Titel „Effects on the European Economy of Shortages of Foreign Language Skills in Enterprise (Auswirkungen fehlender Fremdsprachenkenntnisse auf die europäische Wirtschaft (ELAN)” legt den Schluss nahe, dass den Unternehmen wegen mangelnder Sprachkenntnisse tatsächlich Geschäftsmöglichkeiten entgangen sind. Nicht vergessen werden sollte ferner, dass die Mehrsprachigkeit an sich eine wichtige Industrie darstellt, die eine große Zahl von Arbeitsplätzen schafft.

In der zweiten Jahreshälfte 2007 wird unter anderem ein Wirtschaftsforum für Mehrsprachigkeit ins Leben gerufen, mit dessen Hilfe Wege zur Förderung der Mehrsprachigkeit in Unternehmen gefunden werden sollen, damit diese leichter in neue Märkte eintreten können. Sprachkenntnisse können ebenso die Beschäftigungsaussichten und die Mobilität des Einzelnen erheblich verbessern. Daher soll sich das Wirtschaftsforum auch mit den diesbezüglichen Chancen und Möglichkeiten befassen.

Da eine bessere Einschätzung des Potenzials neuer Sprachlerntechnologien erforderlich ist, wird 2007 eine Studie zu neuen Technologien und Sprachenvielfalt eingeleitet. Darüber hinaus sollten die Forschung in Bezug auf neue Sprachlerntechnologien und die Nutzung künstlicher Intelligenz als Werkzeug für Übersetzung und Dolmetschen gefördert werden.

2. Förderung des lebenslangen Lernens und des interkulturellen Dialogs
Die Maßnahmen zur Förderung einer qualitativ hochwertigen Sprachausbildung müssen auf einer soliden Grundlage beruhen. Zwei Berichte sind 2007 fertig zu stellen:

  • „Förderung des Sprachenlernens und der Sprachenvielfalt“ (Durchführung des Aktionsplans 2004-2006)
  • „Vielfalt des Angebots an Fremdsprachenunterricht in der Europäischen Union” (erster Fünfjahresbericht)


Außerdem erfolgt eine Bestandsaufnahme der Arbeit des europäischen Sprachinspektorennetzes (European Language Inspectors Network (ELIN)).

Auch im Rahmen des Programms für lebenslanges Lernen werden Finanzmittel für Sprachprojekte bereitgestellt; dieses Programm erstreckt sich auf alle Sprachen einschließlich Regional- und Minderheitensprachen. Die Förderung der Mehrsprachigkeit zählt zu den übergreifenden Prioritäten sämtlicher Projekte des Programms.

Die steigende Nachfrage nach Dolmetschern und Übersetzern für die europäischen Organe zeigt bereits, wie wichtig es ist, ihre Ausbildung weiter zu fördern. Gleichzeitig steigt der Bedarf an Dolmetschern und Übersetzern auf dem privaten Markt (beispielsweise der Bedarf an Dolmetschern beim Europäischen Patentamt, bei den Gerichten oder auf kommunaler Ebene). Die Kommission unterstützt bereits Post-Graduierten-Programme für Dolmetscher und Übersetzer in den Mitgliedstaaten. Ausbildungsprogramme für Dolmetscher und Übersetzer werden zusammengeführt, um eine dauerhafte finanzielle Unterstützung und eine größere Zahl gut vorbereiteter Bewerber zu gewährleisten.

Untertitel helfen in eindrucksvoller Weise dabei, Sprachen leicht zu lernen und dabei Spaß zu haben. Daher werden eine Reihe von Sitzungen stattfinden, um die Erschließung dieses Potenzials der Medien im Hinblick auf das Sprachenlernen zu erörtern.

Schließlich sollte nicht vergessen werden, dass das Sprachenlernen für die interkulturelle Sensibilisierung und das interkulturelle Verständnis von entscheidender Bedeutung ist. Daher muss ein Beitrag der Mehrsprachigkeit zum interkulturellen Dialog gewährleistet sein. Der Übergang von einer multikulturellen Gesellschaft zu einer wirklich interkulturellen Gesellschaft kann nur durch den Sprachenerwerb erfolgen.

2008 wurde zum Europäischen Jahr des interkulturellen Dialogs ausgerufen. 2007 wird eine Hochrangige Gruppe von Intellektuellen und Praktikern der Mehrsprachigkeit eingesetzt, deren Aufgabe es ist, den Beitrag der Mehrsprachigkeit zu diesem Jahr und zur Zeit danach zu bestimmen. Sie stützt sich dabei auf laufende interne Arbeiten.

3. Pflege eines Raums für den europäischen politischen Dialog: mehrsprachige Kommunikation mit den EU-Bürgern
Übersetzung und Dolmetschen ermöglichen es den Bürgern aller Mitgliedstaaten, die für sie geltenden Rechtsvorschriften zu lesen und zu verstehen, und ihren demokratisch gewählten Vertretern, ihre Interessen und Ideen ohne Sprachprobleme zu vertreten.

Daher liegt für zwei der drei neuen Amtssprachen[1] (Bulgarisch und Rumänisch) der Schwerpunkt in diesem Jahr auf dem Abschluss der Veröffentlichung des EU-Sekundärrechts und dem Beginn der Konsolidierung. Für die übrigen Amtssprachen ist die Konsolidierung der Rechtsvorschriften vorrangig. Um die Kommunikation mit den EU-Bürgern zu verbessern, ist die Kommission bestrebt, ihre Webseiten vermehrt mehrsprachig anzubieten, soweit ihre Mittel es erlauben.

Zu den übergreifenden Maßnahmen in den Jahren 2007 und 2008 gehört es, den Bürgern Zugang zu Online-Informationsdiensten in ihrer Muttersprache zu gewähren (dazu zählen beispielsweise EUR-Lex[2] für im Rechtswesen tätige Personenkreise, CORDIS[3] für an der Forschung interessierte Personenkreise, TED[4] für öffentliche Ausschreibungen der EU, „EU Bookshop“ als Online-Buchhandlung der EU).

Die europäischen Organe haben verschiedene Werkzeuge entwickelt, die den Übersetzern und Dolmetschern bei der Arbeit helfen. Diese sollten auch der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Beispielsweise wird Mitte des Jahres die interinstitutionelle Terminologie-Datenbank IATE[5] der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Dadurch wird für Unternehmen (z. B. für Rechtsanwälte, Ingenieure) eine präzise Terminologie bereitgestellt, die für technische Aspekte verschiedener Tätigkeitsbereiche genutzt werden kann.

Darüber hinaus wurden Werkzeuge zur Erleichterung der Kommunikation entwickelt. Die GD Dolmetschen hat die Fortgeschrittene Technologische Plattform für mehrsprachige Kommunikation eingerichtet, die weit entfernten Zuhörern die Zuschaltung über ein Videokonferenzsystem mit Simultandolmetschen ermöglicht. Dieses System sollte auf der Ebene der Europäischen Kommission und auf die anderen Organe ausgeweitet werden. Auf diese Weise haben die Bürger aus den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, mit den europäischen Organen und Stellen Kontakt aufzunehmen.

Eine neue Strategie
Der Zuständigkeitsbereich „Mehrsprachigkeit“ mit seiner ausgeprägten horizontalen Dimension ist eng mit anderen Politikbereichen der Europäischen Union wie z.B. Kultur, Bildung, Kommunikation, Sozialpolitik, Beschäftigung, Justiz, Freiheit und Sicherheit verbunden. Daher sollte sein Beitrag zur Entwicklung und Gestaltung der EU-Politik – intern und extern – weiter untersucht und die Vorteile wo immer möglich bekannt gemacht werden

Von grundlegender Bedeutung ist es deshalb, Ideen und Vorschläge der Mitgliedstaaten und einschlägiger Interessengruppen zu sammeln, damit die neuen Maßnahmen ihren Bedürfnissen entsprechen. Dies geschieht im Rahmen der Expertengruppe „Mehrsprachigkeit“ (die ihre Schlussfolgerungen am 26. September vorlegen wird) und einer Ministerkonferenz zum Thema Mehrsprachigkeit (die Anfang nächsten Jahres stattfinden wird). All diese Gedanken bilden die Grundlage einer Mitteilung über eine neue Strategie im Bereich Mehrsprachigkeit (die in der zweiten Jahreshälfte 2008 vorgelegt werden soll).

[1] Für Irisch gilt ab dem 1.1.2007 eine fünfjährige Sonderregelung, derzufolge nur die vom Europäischen Parlament und vom Rat gemeinsam verabschiedeten Verordnungen ins Irische übersetzt werden.
[2] EUR-Lex ist eine Datenbank, die freien Zugang zum EU-Recht bietet.
[3] Informationsdienst der Europäischen Kommission zu Forschungs- und Innovationsmaßnahmen in Europa. CORDIS ist eine interaktive Informationsplattform, die Informationen über Neuigkeiten, Fortschritte und Initiativen im Bereich der europäischen Innovation, Forschung und Entwicklung enthält.
[4] Tenders Electronic Daily ist eine Datenbank, die alle in Europa veröffentlichten öffentlichen Ausschreibungen enthält.
[5] Interaktive Terminologie für Europa.

 
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