Sozialpolitik / Mindestsicherung  

erstellt am
27. 02. 07

 Buchinger legt Zeit- und Finanzierungsplan vor
Modell soll am 26. Juni vorgestellt werden
Wien (sk) - Sozialminister Erwin Buchinger hat am 26.02. gemeinsam mit dem Sozialrechts- experten Univ. Prof. Walter Pfeil das "sehr ambitionierte Projekt, Armut entschieden zu minimieren", im geplanten Zeit- und Finanzierungsrahmen vorgestellt. Das Pressegespräch fand unmittelbar im Anschluss an die erste Sitzung der Arbeitsgruppe bedarfsorientierte Mindestsicherung statt. Laut Buchinger hat die Arbeitsgruppe in einem "sehr sachorientierten Klima" begonnen; am 25. Mai soll eine Länderkonferenz folgen, sodass am 26. Juni bei der geplanten Sozialreferententagung ein möglichst konkretes Modell vorgelegt werden kann, erläuterte Buchinger.

Der Sozialminister glaubt, dass dieser ambitionierte Zeitplan eingehalten werden kann, weil sich die Beteiligten dem gemeinsamen Ziel verpflichtet fühlen. Die Anhebung des Ausgleichszulagenrichtsatzes auf ein existenzsicherndes Niveau von 726 Euro ist seit 1. Jänner dieses Jahres schon in Kraft. Der nächste Schritt ist die Anhebung und Vereinheitlichung der Sozialhilfe der Länder auf diesen Betrag und die Anhebung der Notstandshilfe. "Wir werden nur dann erfolgreich sein, wenn Bund, Länder, Gemeinden und Sozialpartner zusammenarbeiten", betonte der Sozialminister. Diese Bereitschaft sieht der Minister als gegeben an.

Die Kosten für die bedarfsorientierte Mindestsicherung im Endausbau werden rund 660 Millionen Euro ausmachen. Die ersten Schritte, die bis 2009 umgesetzt werden, belaufen sich nach Angaben von Buchinger auf rund 300 Millionen Euro. Dazu zählen 118 Millionen Euro für die schon erfolgte Anhebung des Ausgleichszulagenrichtsatzes, weiters rund 80 Millionen Euro für die geplante Verbesserung im Leistungsrecht der Notstandshilfe. Zusammen also 200 Millionen Euro, die vom Bund kommen. Über den Anteil der Länder für die Anhebung der Sozialhilfe werde jetzt verhandelt, Buchinger sprach von einem zweistelligen Millionenbetrag, maximal 100 Millionen Euro. Der dritte Schritt wäre dann im Zuge der Steuerreform zu verhandeln. Da wird es dann darum gehen, die niedrigen Einkommen und Teilzeitarbeitskräfte zu entlasten.

Der Sozialrechtsexperte Walter Pfeil von der Universität Salzburg sieht die Mindestsicherung als eines der großen Projekte der neuen Regierung. Dabei legt er Wert auf die Unterscheidung, dass die bedarfsorientierte Mindestsicherung kein arbeitsfreies Grundeinkommen ist, sondern eben für die da ist, die die Unterstützung brauchen. Er hob auch hervor, dass keine neue Bürokratie geschaffen wird, sondern die zusätzlichen Angebote bei bestehenden Strukturen - Pensionsversicherung, Sozialhilfe, Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung - anknüpfen. Dass Bund, Länder und Gemeinden die Armutsbekämpfung gemeinsam angehen, lobt Pfeil als "qualitativen Sprung" in der Sozialpolitik.

Die Sozialstatistik ist freilich, was die Sozialhilfe angeht, noch nicht auf dem neuesten Stand. Verlässliche Zahlen gibt es für das Jahr 2004, damals haben im Jahresdurchschnitt 120.000 Personen Sozialhilfe bezogen, die Hälfte davon als Dauerleistung. Pfeil geht davon aus, dass dieser Wert seither nicht gesunken ist. Notstandshilfebezieher gibt es nach seinen Angaben rund 100.000. Eine besondere Zielgruppe für die Mindestsicherung werden auch jene 10.000 bis 15.000 Personen sein, die schon im Pensionsalter sind, aber wegen zu geringer Versicherungszeiten keinen Anspruch erworben haben, erläuterte Pfeil.

Generell sieht Buchinger die bedarfsorientierte Mindestsicherung eingebettet in eine Politik zur Armutsbekämpfung, die auf drei Säulen ruht. Erstens Vollbeschäftigungspolitik, zweitens der geplante Generalkollektivvertrag mit mindestens 1.000 Euro für eine Vollzeitarbeit und eben drittens die bedarfsorientierte Mindestsicherung.

 

 Zwerschitz: Grüne fordern Grundsicherung für Jugendliche
Wien (grüne) - Nach der jüngsten Studie der EU-Kommission ist jeder fünfte Jugendliche in Europa von Armut bedroht. „Auch in Österreich landen immer mehr Jugendliche in der Armutsfalle“, erläutert die Jugendsprecherin der Grünen, Barbara Zwerschitz. Primärer Grund ist dabei das Zusammenspiel von finanziell schwachen Eltern und einer schlechten oder nicht abgeschlossenen Ausbildung. Sie forderte die Einrichtung einer Grundsicherung auch für Kinder und Jugendliche. „Auch Kinder und Jugendliche sind sozial zumindest mit dem Existenzminimum abzusichern. Für Kinder bis 14 ist ein Mindestbetrag von 254,40 Euro (12 Mal; das sind 30% der Armutsgefährdungsschwelle) vorzusehen, Jugendliche sollen Anspruch wie Erwachsene haben“, erklärte Zwerschitz. Weiters brauche es die Möglichkeit, den Schulabschluss gratis nachholen zu können und eine bessere Ausstattung des AMS im Bereich Jugendarbeit.

„Wer unseren enormen Markt für Nachhilfestunden kennt, die wenigen Fördermöglichkeiten durch LehrerInnen in der Schule und die in Summe großen finanziellen Aufwendungen für Sprachwochen, Laptop, Werkmaterial etc., muss sich nicht wundern, dass Jugendliche aus finanzielle schwachen Familien Nachteile haben“, so Zwerschitz. Dazu komme die schlechte Situation im Bereich der Kinderbetreuung. Gerade mal 13 % Kinderbetreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren bringen kaum Möglichkeiten durch Berufstätigkeit das Familieneinkommen zu verbessern. Viele verlieren in dieser Zeit den beruflichen Anschluss, das büßen vor allem auch die Kinder.

Sind die Kinder dann alt genug, um selber einen Beruf zu ergreifen, sind sie oft schon lange mit Armut konfrontiert. Schlechte Ausgangspositionen (kein Schulabschluss, zu wenig Lehrstellen, wenig Motivation von Zuhause..) bedingen wenig Möglichkeiten den Übertritt von Schule zum Berufsleben zu schaffen. Es fehlt an sanften Einstiegen ins Berufsleben, Begleitung beim Berufseinstieg, ausreichend Beratungs- und Hilfskräften, erklärte Zwerschitz.

Zwerschitz beklagt vor allem auch die fehlenden speziellen Maßnahmen beim AMS und die Sparpolitik, die uns in der Folge viel kostet: „Das Verhältnis zwischen BetreuerInnen des AMS in der Neubaugasse (nur für junge Menschen bis 21 Jahren zuständig) und Jugendlichen erlaubt kaum Zeit für die Einzelnen. Die BetreuerInnen leisten gewaltiges und sind oft Vertrauenspersonen. Hier geht es nicht um Jobvermittlung alleine, sondern auch um Lebensberatung. Auch das könnte helfen die Erbfolge bei der Armut zu durchbrechen!“, schließt Zwerschitz. 

 

Kickl: Mindestsicherung bleibt Fehlkonstruktion!
Auch Arbeitsgruppe wird diesem Modell keine positiven Aspekte abgewinnen können
Wien (fpd) - „Die FPÖ wird für eine Mindestsicherung mit einer damit verbundenen Konzeptlosigkeit für den Arbeitsmarkt sicher nicht zu haben sein“, bekräftigte FPÖ-Sozialsprecher Herbert Kickl zur Installierung der Arbeitsgruppe zum Thema Mindestsicherung. Das von SPÖ-Sozialminister Buchinger vorgeschlagene Konzept der Mindestsicherung bedeute eigentlich nur eines: Man nimmt Massenarbeitslosigkeit zur Kenntnis und fertigt die betroffenen Personen mit Geld ab.

Dadurch werde die Arbeitslosigkeit in Österreich nicht bekämpft, sondern dieser Zustand werde vielmehr noch verfestigt, kritisierte Kickl: „Für Herrn Buchinger sollte eigentlich das deutsche Hartz IV-Modell ein mahnendes Beispiel sein, dass zur Bildung einer neuen Unterschicht in Deutschland geführt hat.“

Es brauche aber eine aktive Arbeitsmarktpolitik anstatt eine erneute und noch kostspieligere Verwaltung von Arbeitslosen in diesem Land. „Die Mindestsicherungsdebatte dient nur der Beruhigung einer ganzen Menschengruppe, die immer weniger Chancen hat, ohne eine offensive Beschäftigungspolitik auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen. Diese Menschen brauchen Perspektiven, aber keine Almosen“, forderte Kickl.

 

 Grosz: Mindestsicherung ist rot-schwarze Mogelpackung
Dieses Modell ist ein Trampolin in den Sozialmissbrauch
Wien (bzö) - Als "rot-schwarze Mogelpackung, die man nur ablehnen kann", bezeichnete heute BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz die geplante Mindestsicherung. Grosz untermauerte seinen Standpunkt anhand folgender sechs Punkte:

  • 2007 wurde eine Mindestpension von 726 Euro wirksam.
  • Die Finanzierung ist völlig offen und bis jetzt unwahrscheinlich, da sich die Länder bereits querlegen.
  • Bei einer Mindestsicherung von 726 Euro und einem Mindestlohn von 1000 Euro ist Arbeit nur noch 274 Euro wert. Das ist eine massive Entwertung von Leistung in diesem Land. Außerdem stellt sich die Frage, was in den Beschäftigungsbereichen ohne Kollektivvertrag passiert.
  • Bei den Anspruchsvoraussetzungen was Arbeitswilligkeit und Schulungswilligkeit betrifft lässt Hartz IV grüßen. Uns erwartet ein Missbrauchsboom der Sonderklasse.
  • Verwertbares Vermögen muss verbraucht bzw. verkauft werden. Das ist ein Schritt in Richtung schleichende Verstaatlichung und staatlich Abhängigkeitsfalle.
  • Die bestehenden zusätzlichen Sozialleistungen der Länder gehen in der Mindestsicherung auf. Das bedeutet, dass es zukünftig keine Heizkostenzuschüsse oder Mietkostenbeihilfen mehr gibt.

"Dieses Modell ist nicht ein Trampolin für soziale Weiterentwicklung sondern ein Trampolin in den Sozialmissbrauch. All diese Punkte bringen das Fazit, dass die Finanzierung der Mindestsicherung trotz unzähliger Arbeitsgruppen ebenso offen ist wie der tatsächliche Finanzierungsbedarf, dass diese Mindestsicherung maximal eine sozialistische ist aber keine soziale und dadurch Arbeit entwertet und Vermögen vernichtet wird. Das ganze führt zu einer volkswirtschaftlichen Katastrophe, die wir nicht wollen", betonte Grosz.

"Wir lehnen das Modell ganz entschieden ab und wollen stattdessen einen Mindestlohn bei Vollzeitbeschäftigung von 1.300 Euro, ein Investivlohnmodell, wo Arbeitnehmer wenn sie etwas leisten mehr verdienen und die bestehenden Sozialleistungen in den Ländern vereinheitlichen", so Grosz abschließend.


 

 Becker: 1. Soziale Absicherung für Alle - 2. Neues, leistbares Pflege- und Betreuungssystem
Wien (seniorenbund) - Am 26.02. nahmen die beiden Arbeitsgruppen im BMSG zu Mindestsicherung und Pflege und Betreuung die Arbeit auf. Heinz K. Becker, Generalsekretär des Österreichischen Seniorenbundes: "Die Einführung einer Mindestsicherung ist ein wichtiger Schritt für eine soziale Absicherung für Alle. Damit wird der von Bundeskanzler Schüssel eingeschlagene Weg konsequent fortgeführt." Im Bereich von Pflege und Betreuung steht eine umfassende Neugestaltung des Systems auf dem Programm. "BM Bartenstein hat mit der Legalisierung ausländischer Pflege- und Betreuungskräfte sowie der Amnestie für die Betroffenen, vor allem aber mit den arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen für die Pflege- und Betreuungsberufe bereits erfreuliche erste Schritte in die richtige Richtung gesetzt. Nunmehr lieg es an BM Buchinger, die Finanzierungsfragen in Zusammenarbeit mit Ländern und Gemeinden zu lösen."

Ganz besonders erfreut zeigte sich der Seniorenbund-Generalsekretär über die Einbindung des Österreichischen Seniorenrates in beide Arbeitsgruppen. "Der Österreichische Seniorenrat ist die gesetzliche Interessensvertretung der älteren Generation auf Sozialpartnerebene. Es ist daher absolut konsequent, den Sozialpartner Österreichischer Seniorenrat in die Beratungen zu diesen wichtigen Neuorientierungen des österreichischen Sozialsystems einzubinden", so Becker.

Die bedarfsorientierte Mindestsicherung
"Der Weg hin zu einer sozialen Absicherung für Alle wurde bereits unter Bundeskanzler Schüssel eingeschlagen: Die außertourliche Anhebung der AZ-Richtsätze, meist 'Mindestpensionen' genannt um insgesamt 100 Euro war bereits ein sozialpolitischer Meilenstein. Dieser außerordentlichen Leistung steht eine Erhöhung der Mindestpensionen um 29 Euro unter der vorhergehenden Regierung, also unter einem SP-Bundeskanzler, Sozialminister und Finanzminister entgegen", betonte Becker. Mit der nunmehrigen Anhebung der Mindestpension auf 726 Euro, und der geplanten Einführung der auf gleicher Höhe angesiedelten Mindestsicherung, wird dieser erfolgreiche Weg konsequent fortgesetzt. Becker: "Damit wird in Zukunft kein Österreicher mehr unterhalb der Armutsgrenze liegen!"

Umfassende Neugestaltung von Pflege und Betreuung
Der Österreichische Seniorenbund hatte bereits im Zuge seiner "Denkwerkstatt", 2005 gegründet von Bundesobmann Dr. Andreas Khol, umfassende Konzepte zu einer Neugestaltung von Pflege und Betreuung erarbeitet, diese wurden auch in die Arbeitsgruppen des Österreichischen Seniorenrates eingebracht. "Der Österreichische Seniorenrat wird demnächst seine Ergebnisse an die Bundesregierung übergeben. Der Seniorenrat wird sich also aktiv in die Neugestaltung von Pflege und Betreuung einbringen", betonte Becker. Ziel dieser Neugestaltung muss ein differenziertes Pflege- und Betreuungssystem sein, welches die Leistbarkeit und die Qualität von Pflege und Betreuung langfristig sicherstellt. Ein wichtiger Schritt dazu ist die von BM Bartenstein bereits in die Wege geleitete Schaffung neuer Berufsbilder für Selbständige im Bereich der Betreuung. Zusätzlich will der Österreichische Seniorenbund auch eine Stärkung freiwilliger Betreuer. Becker: "Die Seniorenorganisationen wollen und können vor allem im Bereich der ehrenamtlichen Betreuer einen wesentlichen Beitrag als Organisations-, Beratung- und Schulungsstellen leisten. Wir wollen diese neue Aufgabe der Seniorenorganisationen zum Wohle der Seniorinnen und Senioren gesetzlich verankert wissen."
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
zurück