Bei Fliegen geht die Liebe durch die Nase  

erstellt am
29. 03. 07

Neue Erkenntnisse der Neurobiologen am IMP
Wien (universität) - Wissenschaftler des Forschungsinstituts für Molekulare Pathologie (IMP) in Wien konnten nachweisen, dass Sexualduftstoffe bei Fliegen auf andere Weise verarbeitet werden als alle übrigen Gerüche. Sie werden nur von einem einzigen Typ spezialisierter Riechzellen wahrgenommen. Bei Männchen und Weibchen löst ein und derselbe Duft zudem ganz unterschiedliche Verhaltensweisen aus. Die neuen Erkenntnisse werden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature beschrieben.

Geruchsempfindungen entstehen normalerweise, indem viele verschiedene Arten von Riechzellen gleichzeitig gereizt werden. Das Gehirn setzt aus den zahlreichen Signalen dann den Eindruck eines bestimmten Geruchs zusammen. Ähnlich wie beim Farbensehen, für das der Mensch lediglich drei verschiedene Sensoren (rot-, grün- und blau-empfindlich) besitzt, ist auch die Anzahl der unterschiedlichen “Eingangskanäle” für Gerüche begrenzt: bei uns sind es einige hundert, bei der Fruchtfliege immerhin noch 50.

Während Alltagsgerüche auch für Fliegen Mischempfindungen sind, bildet die Wahrnehmung des Sexualdufstoffs eine Ausnahme. Ein bestimmter Sinneskanal ist bei den Insekten nur für diesen einen Geruch reserviert. Die Wirkung dieses sogenannten Pheromons ist ensprechend bedeutsam – es löst komplexe Verhaltensweisen aus, die der Fortpflanzung dienen. Um das zu herauszufinden, mussten sich die Forscher einige ausgeklügelte Versuchsanordnungen einfallen lassen.

Die Gruppe um IMP-Direktor Barry Dickson hat Erfahrung im Umgang mit Fruchtfliegen. Die genügsamen Insekten dienen seit vielen Jahren als Untersuchungsobjekte der Neurobiologen. Vor zwei Jahren erregten die IMP-Forscher nicht nur in der Fachwelt Aufmerksamkeit, als sie entdeckten, dass ein einziges Gen das geschlechtstypische Paarungsverhalten steuert. Dieses Gen – fruitless – prägt Fliegenhirne entweder männlich oder weiblich.

Weibchen riechen anders - Männchen auch
Fruitless, so fanden die Forscher weiters, ist auch in bestimmten Riechzellen aktiv. Die Vermutung lag nahe, dass diese Zellen für die Wahrnehmung von Sexualduftstoffen zuständig sind. Amina Kurtovic, Doktorandin, und Alexandre Widmer, Postdoc im Labor von Barry Dickson, wollten es ganz genau wissen. Sie konzentrierten sich bei ihren Untersuchungen auf Riechzellen, die den Rezeptor OR67d tragen.

Der Rezeptor, so fanden sie heraus, ist für die Wahrnehmung des Fliegenpheromons cVA zuständig. Dieser Duftstoff wird nur von Männchen produziert, aber von beiden Geschlechtern wahrgenommen. Seine Wirkung studierten die Biologen an Fliegen, bei denen sie den Rezeptor zuvor gentechnisch ausgeschaltet hatten und die daher cVA nicht riechen konnten.

Dieser Defekt brachte einige Verwirrung in die Fliegenpopulation. Männchen ohne OR67d versuchten, sich mit anderen Männchen zu paaren. Weibliche Mutanten ließen keine Männchen an sich heran. Der Geruch des Pheromons cVA ist also für beide Geschlechter wichtig, hat aber gegenteilige Wirkungen: bei Männchen unterdrückt er das Interesse an anderen Männchen, auf Weibchen wirkt er hingegen anregend.

Wenn Fliegen nach Motten duften
Um festzustellen, ob der Duft des Pheromons allein für diese Wirkungen verantwortlich ist, griffen die Wissenschaftler zu einem ungewöhnlichen Trick. Sie designten Fliegenmännchen, die anstelle von OR67d den Geruchssensor für Bombykol besaßen. Dieses Pheromon wird normalerweise von weiblichen Motten produziert. Weibliche Fliegen wurden sodann mit dem Mottenduft präpariert. Traf ein solches Pärchen aufeinander, so verschmähte das Männchen die weibliche Fliege. Es reagierte also wie ein normales Männchen, wenn es cVA riecht. Mit dieser komplizierten Versuchsanordnung wurde bewiesen, dass es tatsächlich ausreicht, einen bestimmten Typ von Riechzellen zu aktivieren, um das geschlechtstypische Verhalten bei Fliegen auszulösen.

Die Forscher interessiert nun, wie ein und derselbe Geruch zu unterschiedlichen Reaktionen bei männlichen und weiblichen Individuen führen kann. “Männchen und Weibchen scheinen dasselbe Signal unterschiedlich zu verarbeiten”, so Barry Dickson. “Dieser Unterschied ist vermutlich im Gehirn zu suchen. Worin er konkret besteht, wollen wir als nächstes herausfinden.” Auf Menschen liesse sich der Befund jedenfalls nicht umlegen, meint Dickson, da entsprechende Pheromone und Rezeptoren bei ihnen nicht nachgewiesen seien. Was Männer an Frauen finden und umgekehrt, darüber kann also nach wie vor spekuliert werden…
 
zurück