Studie zeigt großes Interesse von Jugendlichen an politischer Bildung  

erstellt am
09. 05. 07

Demokratie-Speed-Dating mit Politikern im Hohen Haus
Wien (pk) - Das Desinteresse der Jugend an Politik und die Politikverdrossenheit dürften doch nicht so groß sein wie vielfach vermutet. Das suggeriert zumindest eine Pilotstudie der Donau Universität Krems zum Thema "Jugend und Politische Bildung", die Politikwissenschafter Peter Filzmaier am 08.05. gemeinsam mit Unterrichtsministerin Claudia Schmied und Wissenschaftsminister Johannes Hahn bei einer Pressekonferenz im Parlament präsentierte. Filzmaier wies darauf hin, dass das politische Interesse von Jugendlichen mit jenen von Erwachsenen zu vergleichen sei, wobei sie in viel stärkerem Ausmaß Politische Bildung einforderten als diese. Für ihn zeigt die Studie deutlich, dass Jugendliche durchaus Demokratie lernen wollten.

Sieht man sich die Daten im Detail an, wird dieser Befund bestätigt. Demnach gaben immerhin 64 % der befragten Jugendlichen zwischen 14 und 24 an, sie hätten in der Schule gerne mehr politische Bildung, fast drei Viertel sprachen sich für ein eigenes Unterrichtsfach "Demokratielernen" aus. Nur eine verschwindende Minderheit findet, in der Schule wird zu viel über dieses Thema gesprochen.

Inhaltlich betrachtet, wünschen sich die Jugendlichen vor allem eine stärkere Thematisierung der Gleichbehandlung von Frauen und Männern und der Integration von Ausländern, während Globalisierung, Zeitgeschichte sowie politische Beteiligung und Wahlen im Mittelfeld rangierten. Weniger Defizite werden hingegen bei den Themen EU-ropa, Medien, Internet und aktuelle politische Ereignisse geortet. Mit Abstand wichtigste Informationsquelle der Jugendlichen für politisches Wissen sind die Medien, gefolgt von persönlichen Gesprächen in der Familie bzw. mit Freunden, wobei die Medien auch als glaubwürdigste Informationsquelle eingestuft werden.

Ambivalent sind die Ergebnisse der Studie, was die Zustimmung zur geplanten Senkung des Wahlalters betrifft. Zwar spricht sich, wie Filzmaier berichtete, eine Mehrheit der befragten Jugendlichen (59 %) gegen das Wählen mit 16 aus, filtert man jedoch die 14-17jährigen heraus, ergibt sich eine ganz knappe Mehrheit für diesen Schritt. Dezidiert als "politisch sehr interessiert" bezeichnete sich ein Fünftel der Jugendlichen, 68 % haben zumindest etwas politisches Interesse. Knapp 60 % meinten, es wäre wichtig, sich politisch zu beteiligen und erklärten sich grundsätzlich auch bereit dazu.

Die Zufriedenheit der Jugendlichen mit der Demokratie in Österreich wertete Filzmaier als durchschnittlich. 69 % der Jugendlichen gaben an sehr zufrieden bzw. ziemlich zufrieden zu sein, gleichzeitig gebe es, so Filzmaier, "eine gefährliche Zahl von Jugendlichen", die latent unzufrieden seien. Fast jeder fünfte Jugendliche präferiert – ähnlich wie bei den Erwachsenen – einen starken Mann in der Politik, wobei die Autoritätsgläubigkeit umso höher ist je geringer das Interesse an Politik.

Unterrichtsministerin Schmied und Wissenschaftsminister Hahn werteten die Studie in ihren Statements als deutlichen Auftrag an die Regierung. Startschuss für die von ihnen geplante Demokratie-Initiative wird ein Demokratie-Dialog am Minoritenplatz sein, zu dem rund 300 Personen – PädagogInnen, SchülerInnen, Elternverbände, ParlamentarierInnen, WissenschafterInnen etc. – eingeladen werden. Erste konkrete Maßnahmen sind dann für den Herbst geplant, wobei die Frage, ob Politische Bildung ein eigenes Unterrichtsfach werden soll, Schmied zufolge noch offen ist. Es gehe jedenfalls nicht nur um Wissenserwerb und Institutionenlehre, unterstrich die Ministerin, vielmehr wolle man Lust an Politik sowie Werte wie Toleranz und Zivilcourage vermitteln. Konkret in Aussicht genommen ist die Verankerung des Faches "Politische Bildung" im Curriculum der Pädagogischen Hochschulen.

Wissenschaftsminister Hahn will in seinem Kompetenzbereich für die Einrichtung eines eigenen Lehrstuhls "Didaktik der politischen Bildung" eintreten. Geht es nach ihm, soll es überdies bei den ÖH-Wahlen 2009 erstmals die Möglichkeit geben, seine Stimme mittels E-Voting abzugeben. Generell meinte der Minister, man müsse jungen Leuten vermitteln, dass Kompromisse per se nichts Schlimmes seien. Wenn junge Menschen sich möglichst früh politisch engagierten bzw. sich für eine Sache einsetzten, würden sie lernen, wie mühsam es gelegentlich sei, Mehrheiten zu finden.

Sowohl Schmied als auch Hahn wiesen darauf hin, dass das Parlament als Veranstaltungsort für die Pressekonferenz mit Bedacht gewählt worden sei, da kein Ort besser dafür geeignet wäre, Demokratie und Partizipation zu vermitteln.

Im Anschluss an die Pressekonferenz stellten sich Hahn und Schmied gemeinsam mit Zweitem Nationalratspräsidenten Michael Spindelegger (V), Dritter Nationalratspräsidentin Eva Glawischnig-Piesczek (G) und den Abgeordneten Elisabeth Grossmann (S), Silvia Fuhrmann (V) und Dagmar Belakowitsch-Jenewein (F) einem Demokratie-Speed-Dating mit Schülerinnen und Schülern einer sechsten AHS-Klasse aus Krems. In Zwei-Minuten-Intervallen konnten die 16jährigen den PolitikerInnen Fragen stellen und mit ihnen diskutieren, wobei sich die Gesamtschule und Wählen mit 16 rasch als die zentralen Themen herauskristallisierten. Die SchülerInnen interessierten sich beispielsweise aber auch für die Einkommensschere zwischen Männern und Frauen und die Gleichstellung von Homosexuellen.

Seitens der Politik gab es dabei eine klare Präferenz für das Wählen mit 16. So gab Dritte Präsidentin Glawischnig-Piesczek zu bedenken, dass es nicht darum gehe, Jugendliche zu zwingen, mit 16 ihre Stimme abzugeben; wer wählen wolle, solle dies aber tun können. Auch bei der Einführung des Frauenwahlrechts habe es seinerzeit geheißen, dass Frauen politisch nicht interessiert seien und eigentlich nicht wählen wollten, skizzierte sie. Zudem erzählte Glawischnig den Jugendlichen von der Gedenkveranstaltung im Parlament, die vor kurzem abgehalten wurde und bei der sich ehemalige Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime betrübt gezeigt hatten, dass die Jugendlichen mehr Mitbestimmungsmöglichkeiten heute nicht mehr unbedingt als große Errungenschaft sehen würden. Zweiter Präsident Spindelegger regte zur besseren Vorbereitung der Jugendlichen unter anderem ein eigenes Unterrichtsfach Politische Bildung an. Er räumte zudem Bedenken aus, dass es in der Frage "Wählen mit 16" noch zu einem Meinungsumschwung seitens der PolitikerInnen kommen werde, und zeigte sich überzeugt, dass sich im Parlament dafür die notwendige Mehrheit finden wird.

Auch im Hohen Haus gibt es eine Reihe von Projekten, um Demokratie für Jugendliche erlebbar zu machen. So haben Schülerinnen und Schüler beispielsweise morgen im Rahmen der Aktionstage Politische Bildung die Möglichkeit, mit Unterstützung von PolitikerInnen Parlamentsausschüsse zu simulieren. Auch eine "Demokratiewerkstatt" für Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 14 ist in Planung.
 
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