Lebhafte Ausschussdebatte über Agrarpolitik der EU und Österreichs  

erstellt am
31. 05. 07

Abgeordnete verlangen mehr Transparenz in der Landwirtschaftspolitik
Wien (pk) - Der Ausschuss für Land- und Forstwirtschaft hielt am Nachmittag des 30.05. unter dem Vorsitz seines Obmannes Fritz Grillitsch eine mehrstündige Debatte zur Enderledigung dreier Ressortberichte ab, die thematisch der europäischen und der heimischen Landwirtschafts- und Forstpolitik galt. Die EU-Jahresvorschau 2007 auf Basis der Programme von Kommission und Rat (III-27 d.B) wurde einstimmig, der "Grüne Bericht 2006" ( III-28 d.B.) und die diesbezüglichen Empfehlungen der Paragraph-7-Kommission ( III-29 d.B.) jeweils mit S-V-F-B-Mehrheit zur Kenntnis genommen. Das Verlangen der Grünen, den Grünen Bericht im Plenum zu behandeln, blieb mangels Mehrheit unberücksichtigt. Breiten Raum nahm in der Debatte die Auseinandersetzung zwischen Abgeordnetem Wolfgang Pirklhuber (G) und Bundesminister Josef Pröll über die 189 kritischen Fragen der EU-Kommission zum "Grünen Pakt" ein. Während Pirklhuber auf volle Information der Abgeordneten über die Unterlagen und Verhandlungen in Brüssel drängte, ersuchte Landwirtschaftsminister Pröll im Hinblick auf die laufenden Verhandlungen um Verständnis für seine diesbezügliche Zurückhaltung. 180 der vielfach technischen Fragen seien bereits im Konsens mit der Kommission geklärt, teilte Pröll mit und betonte, wie wichtig es sei, seine Verhandlungsposition in Brüssel mit starken österreichischen Signalen für den Grünen Pakt zu unterstützen.

Abgeordneter Wolfgang Pirklhuber (G) sah den Landwirtschaftsminister in der aktuellen Agrardebatte nach den Einsprüchen des Verfassungsgerichtshofes zum Marktordnungsgesetz "mit dem Rücken an der Wand stehen" und warf ihm vor, den Abgeordneten Unterlagen und Auskünfte über das Programm zur Entwicklung des ländlichen Raumes vorzuenthalten. Es gehe nicht an, dass der Bauernbund alle Informationen über die 189 Fragen der EU zum Grünen Pakt habe, den Abgeordneten diese Information vom Minister aber vorenthalten werde. Pirklhuber verlangte einmal mehr die Einberufung eines "runden Tisches" mit Vertretern der bäuerlichen Interessensorganisationen und der Zivilgesellschaft. Er konfrontierte den Minister mit einer Vielzahl von Detailfragen zu den Verhandlungen über den EU-Fragenkatalog. Als Abgeordneter könne er es nicht durchgehen lassen, vom Minister weder über den Inhalt der 189 Fragen der EU informiert zu werden, noch über Inhalt und Verlauf der diesbezüglichen Verhandlungen. "Wir brauchen mehr Transparenz in der Agrarpolitik", sagt Pirklhuber und schlug vor, ein Rahmengesetz für die ländliche Entwicklung zu beschließen, das Rechtssicherheit für die Bauern schafft. Es gehe um die Existenz vieler Bauern, namentlich auch der Biobauern. Während künftig Großbetriebe in das ÖPUL einsteigen können, müssen Biobetriebe auf ihr Geld warten, klagte Pirklhuber.

Zudem sprach sich Pirklhuber für ein Gentechnik-Verbot aus und verlangte neue Flächenziele für den Biolandbau. Pirklhubers Kritik wandte sich gegen Darstellungen des Grünen Berichts, wonach mehr Mittel für den ländlichen Raum zur Verfügung stehen - das sei eine nicht zu akzeptierende Milchmädchenrechnung auf Basis falscher Zahlen. Pirklhuber beklagte die Kürzung von Agrarumweltmaßnahmen und kritisierte den Verzicht des Ministers auf zusätzliche Modulationsmittel. Das historische Betriebsprämienmodell, das in Österreich bei der Umsetzung der GAP-Reform zur Anwendung komme, werde nur in zwölf anderen EU-Mitgliedsländern eingesetzt. Dreizehn EU-Länder - und nicht nur neue EU-Mitglieder - haben sich für regionale Modelle entschieden, wie sie auch die Grünen für Österreich und die EU insgesamt präferieren.

Abgeordnete Gabriela Moser (G) beklagte die hohe Nitratbelastung des Grundwassers, sah einen Konflikt wegen der strengeren EU-Grenzwerte und verlangte eine Änderung der Grenzwerte.

Abgeordneter Jakob Auer (V) lobte den übersichtlich gestalteten Grünen Bericht und hob hervor, dass sich die Einnahmen der Bauern im Jahr 2005 positiv entwickelten, insbesondere auch bei Bergbauern der Zone III, dass Biobetriebe ein überdurchschnittliches Ergebnis erzielten, das österreichische Programm für eine umweltgerechte Landwirtschaft verstärkt angenommen wurde und die Landwirtschaft mit Investitionen von 6 Mrd. € - 50 % davon zugunsten von Industrie und Gewerbe - viel zur Sicherung von Arbeitsplätzen beigetragen habe. Besonders erfreulich habe sich der agrarische Außenhandel entwickelt, der erstmals einen Exportüberschuss erwirtschaftete. Besorgt zeigt sich Abgeordneter Auer über den dramatischen Fleischskandal des Vorjahres in Deutschland und erkundigte sich nach Vorkehrungen gegen solche kriminellen Machenschaften in Österreich. Als weiteres Problem nannte Auer Wettbewerbsverzerrungen auf dem Binnenmarkt. Es sei nicht einzusehen, dass heimische Betriebe von Unternehmen in Spanien konkurrenziert werden können, die bis 2013 keine Tierschutzbestimmungen kennen.

Abgeordneter Manfred Haimbuchner (F) brachte die geplante Weinmarktreform zur Sprache, erkundigte sich nach der Beibehaltung der Milchquoten in der EU und fragte nach Maßnahmen gegen die aktuellen Probleme mit Borkenkäfern.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) stimmte Abgeordnetem Pirklhuber zu und hielt es für nicht in Ordnung, dass die Kritik der EU-Kommission am ÖPUL dem Parlament nicht vorgelegt wurde. Auch Dolinschek trat für eine offene Diskussion über den Grünen Pakt ein und fragte besorgt, ob es noch gelingen werde, das Marktordnungsgesetz nach den Einsprüchen des VfGH rechtzeitig verfassungskonform zu gestalten.

Abgeordnete Barbara Zwerschitz (G) drängte auf Verbesserungen in der Umweltsituation der Landwirtschaft und machte darauf aufmerksam, dass die jüngsten Erfolge im Lebensmittelexport auf die gute Qualität der heimischen Produkte zurückzuführen sei. Weiters verlangte Zwerschitz Strategien zur Berufsausbildung im ländlichen Raum und insbesondere Maßnahmen zur Förderung von Frauen, ein Verlangen, dem sich auch die SPÖ-Abgeordneten Rosemarie Schönpaß, Anita Fleckl und Ulrike Königsberger-Ludwig anschlossen. Fleckl beklagte überdies den Rückgang der Almwirtschaft und verlangte Maßnahmen, da bewirtschaftete Almen zu den Voraussetzungen des Tourismus in vielen Bergregionen zähle.

Abgeordneter Kurt Gaßner (S) informierte den Ausschuss über Verhandlungen zwischen den Koalitionsparteien für ein Marktordnungsgesetz 2007, die bereits weit gediehen seien. Man werde diese Verhandlungen bis Ende Juni abschließen und fasse dazu einen Ausschusstermin am 26. Juni ins Auge. Einige wenige, aber spannende Punkte seien bis dahin noch zu klären. Gaßner sprach sich für eine neue Betriebsprämienregelung aus, mit der auch die Bauern leben können, die vom historischen Betriebsprämienmodell benachteiligt werden. Gaßners Kritik galt den mittlerweile stabilen Nitratbelastungen im Grundwasser und der Uneinigkeit von Behörden bei Hochwasserschutzprojekten.

Abgeordneter Rainer Wimmer (S) befasste sich mit dem hohen Anteil öffentlicher Gelder am Einkommen der Bauern und verlangte, den Grünen Pakt im Plenum des Nationalrates zu behandeln.

Abgeordneter Gerhard Reheis (S) machte auf den wesentlich höheren Arbeitseinsatz der Bergbauern aufmerksam und klagte darüber, dass die Bergbauern trotz einer positiven Einkommensentwicklung noch immer erst 53 % des Einkommens anderer Bauern erzielen. Reheis schloss sich der Forderung nach Offenlegung der Förderungsempfänger an.
   

Landwirtschaftsminister Josef Pröll sah sich keineswegs mit dem Rücken zur Wand stehen, sondern von Amtskollegen in 26 EU-Ländern wegen der guten Lage der Landwirtschaft in Österreich beneidet. 180 der 189 EU-Fragen, vielfach technischer Natur, seien bereits konsensual mit der Kommission geklärt. Die Fragen der EU haben nicht darauf abgezielt, die Dotierung des Grünen Paktes mit 3,9 Mrd. € in Frage zu stellen, sagte Pröll.

Eine verpflichtende Modulation, also die Umschichtung von Förderungsmitteln aus der ersten in die zweite Säule lehnte Minister Pröll ab. Die Milchquotenregelung wird 2013/14 auslaufen, wenn es nicht gelinge, eine Mehrheit in der EU für eine Verlängerung zu gewinnen. Da derzeit nur fünf bis sechs Länder für die Verlängerung der Quotenregelung über 2014 hinaus eintreten, müsse Österreich rechtzeitig über ein alternatives Mengenregime nachdenken.

Von den alten EU-Mitgliedsländern haben nur drei das regionale Betriebsprämienmodell übernommen, zwölf alte Mitgliedsländer verwenden dasselbe Betriebsprämienmodell wie Österreich, teilte der Ressortleiter mit.

Die Nitratbelastung des Grundwassers nehme seit 1997 ab, Überschreitungen gehen zurück, sagte Pröll und führte diese positive Tendenz auf die Wirkungen des ÖPUL zurück.

Die Bemühungen der deutschen EU-Präsidentschaft, die Tierhaltungsbestimmungen in der EU zu verbessern und zu vereinheitlichen, werden von Österreich unterstützt.

Noch in diesem Sommer erwarte er Vorschläge zur Weinmarktordnung, die darauf hinauslaufen, jene 400 bis 500 Mill. €, die derzeit für die Destillation von Überschussmengen verwendet werden, in ein besseres Marketing zu lenken. Die Rohdung von Anbauflächen sei in Österreich, wo immer wieder Phasen zu geringer Weinproduktion beobachtet werden, keine Lösung, hielt Pröll fest.

Der Sturm Kyrill habe wegen des enormen Anfalls von Schadholz zu einem Preisverfall und ungewöhnlich großen Holzlagern geführt, was erhöhte Aufwendungen beim Kampf gegen den Borkenkäfer notwendig macht. Österreich setze 2,5 Mill. € für den Einsatz von Fangbäumen und eine Vielzahl anderer Maßnahmen ein, informierte der Bundesminister.

Im Interesse der Rechtssicherheit für die Bauern sei es wichtig, rechtzeitig eine verfassungskonforme Marktordnung nach dem VfGH-Urteil zustande zu bringen, hielt auch Minister Pröll fest.

Gegenüber Vorschlägen zur Förderung von Frauen im ländlichen Raum zeigte sich der Landwirtschaftsminister aufgeschlossen. Er halte es auch für möglich, Projekte der Kinder- und Altenbetreuung zu fördern, es sei aber klar, dass die Grundfinanzierung der Kinderbetreuung und der Altenpflege nicht von seinem Ressort geleistet werden könne.

Da er beim Hochwasserschutz nicht auf die Verwaltungsreform im Zuge der Staatsreform warten wollte, habe er einen Arbeitskreis eingesetzt, der seine Tätigkeit bereits aufgenommen habe.

Die Almwirtschaft werde mit Mitteln zur Förderung des ländlichen Raumes, zur Entwicklung der Hütten und Investitionsförderungen unterstützt.

Dem von Abgeordnetem Jakob Auer (V) angesprochenen Problem widersprüchlicher Auffassungen zwischen AMA und staatlichen Geometern bei der Vermessung landwirtschaftlicher Grundstücke will sich Minister Pröll widmen und rasch für eine Lösung sorgen, um Streit und Prozesskosten zwischen benachbarten Grundstücksbesitzern zu vermeiden.

Die Lebensmittelkontrolle sei in Österreich gut entwickelt, es gelte eines der strengsten Gesetze in Europa, das Kontrollsystem sei hervorragend und durch die AGES weiter verbessert worden.

Gegenüber wiederholtem Insistieren des Abgeordneten Wolfgang Pirklhuber (G), Auskunft über die Verhandlungen mit der EU-Kommission betreffend die 189 kritischen Fragen zu geben, verwies Bundesminister Pröll darauf, dass er in einem laufenden Verhandlungsprozess stehe und sprach die Hoffnung aus, dass aus Österreich starke Signale für den Grünen Pakt kommen, um seine Position zu stärken.

Qualitätsklassengesetz wird neu erlassen
Das Vermarktungsnormengesetz beinhaltet insbesondere die Vorschriften des Qualitätsklassengesetzes sowie eine Anpassung an die gemeinschaftsrechtliche Terminologie. Außerdem kommt es zu einer weitgehenden Harmonisierung der Kontrollbestimmungen mit den lebensmittelrechtlichen Vorschriften. Weiteres Ziel ist die Schaffung einer einheitlichen Rechtsbasis zur Umsetzung und Durchführung gemeinschaftlicher Vermarktungsnormen im Bereich der gemeinsamen Marktorganisationen. Daher werden Olivenöl, die Erzeugnisse der Fischerei und Aquakultur sowie Milch und Milchprodukte, für die ebenfalls gemeinschaftliche Vermarktungsnormen bestehen, einbezogen.

Die Vorlage wurde unter Berücksichtigung eines V-S-Abänderungsantrages einhellig verabschiedet.

Die Verhandlungen über die beiden G-Anträge betreffend gesetzliche Verankerung des Programms für die ländliche Entwicklung 2007 – 2013 und die Festlegung von Zielen, Leitlinien und Maßnahmen für dieses Programm wurden mit S-V-Mehrheit vertagt. Ein von Abgeordnetem Wolfgang Pirklhuber (G) beantragter Unterausschuss fand keine Mehrheit.
 
zurück