Wissenschaftler und Polarforscher trotzen den Elementen für CryoSat 2  

erstellt am
11. 06. 07

Dortmund (esa) - Eine zugegebenermaßen ungewöhnliche Kombination: ein im norwegischen Svalbard stationiertes internationales Team von Wissenschaftlern und zwei Polarforscher, die den Nordpol zu Fuß überqueren. Tatsächlich zogen beide Teams am selben Strang. Ihr Ziel war es, die ESA-Eismission CryoSat 2 durch die Erfassung wichtiger Daten auf dem Boden und aus der Luft zu unterstützen.

Die CryoSat 2-Mission, deren Start für 2009 vorgesehen ist, soll hochgenaue Daten über die Veränderungen der Meer- und Landeisdicke in der gesamten Nord- und Südpolregion liefern und somit zur Klärung zentraler Fragen im Zusammenhang mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die polare Umwelt beitragen. Wenn man bedenkt, dass der Satellit mit über 23.000 km/h in 717 km Höhe über der Erdoberfläche fliegen wird und dabei mithilfe seines komplexen Radarhöhenmessers SIRAL Veränderungen in der Eisdicke bis zu einer Größenordnung von nur wenigen Zentimetern pro Jahr erkennt, ist die Mission als eine technische Glanzleistung zu betrachten. Angesichts der Ziele und der Wichtigkeit genauer Messwerte für die Bewertung der Veränderungen in der Umwelt erstaunt es nicht, dass seitens der ESA alles darangesetzt wird, ein Maximum an Genauigkeit für die Daten von CryoSat 2 zu gewährleisten.

Die Arctic Arc Expedition
Und nun willkommen bei der „Arctic Arc Expedition“, einer wissenschaftlichen Mission im Rahmen des Internationalen Polarjahrs. Am 1. März 2007 betraten zwei belgische Forscher dieser Expedition, Alain Hubert und Dixie Dansercoer, mit je einem 130 kg schweren, mit Nahrungsmitteln und Ausrüstung beladenen Schlitten das Meereis vor der Küste Sibiriens. Sie werden sich insgesamt vier Monate auf ihrer Route über den Nordpol in der Kälte der Arktis aufhalten und dabei, für den Normalbürger, unfassbar mehrere Tausend Kilometer zurückgelegen.

Auf ihrer Wanderung tragen die beiden unerschrockenen Forscher zur Vorbereitung der CryoSat 2-Mission bei, indem sie in regelmäßigen Abständen die Schneetiefe messen. Anhand dieser Daten beurteilen Wissenschaftler schließlich, wie gut der Zustand von Schneebedeckungen mithilfe der vorhandenen Klimamodelle prognostizierbar ist. Sie dienen außerdem als Eingangswerte für Verfahren zur Optimierung der Genauigkeit von CryoSat 2-Kartenmaterial über die Meereisdicke.

„Wir kommen gut voran“, berichtete Alain Hubert aus seinem Zelt im Eis über ein Satellitentelefon. „Wir sind nur noch 160 km vom Nordpol entfernt und messen unterwegs in regelmäßigen Abständen die Dicke der Schneedecke. Teilweise sind die Bedingungen wegen des kalten Winds sehr schwierig. Aber wir glauben, dass sich die Mühe lohnt, und machen weiter.“

Das Bodenteam
Während Alain und Dixie über den Nordpol ziehen, begann im äußersten Norden des norwegischen Svalbard-Archipels die Parallelkampagne eines Teams von Wissenschaftlern aus Deutschland, Norwegen und Großbritannien. Am Donnerstag, den 12. April, wurden die acht Wissenschaftler im Hubschrauber zum entlegenen Austfonna-Gletscher transportiert. Im Rahmen der CryoVex 2007-Kampagne unternahmen sie einen Monat lang Messungen der Schnee- und Eiseigenschaften an langen, sich im Zickzack über die Eisdecke erstreckenden Messpunkten. Die Bedingungen vor Ort sind mit hohen Windstärken und niedrigen Temperaturen oft sehr schwierig. Dadurch kommt es mitunter zu Betriebsstörungen der Instrumente und Ausrüstung, erklärte der Leiter des Bodenteams, Jon Ove Hagen von der Universität Oslo.

„Wir bewegen uns derzeit vom Depot am Fuß des Austfonna-Gletschers zum Gipfel, sodass wir mit den Bodenmessungen beginnen und die Datenerfassung aus der Luft stützen können“, teilte Jon Ove Hagen während der Messkampagne mit. „Mit schlechtem Wetter und defekten Motorschlitten mussten wir während des Messprogramms einfach zurechtkommen.“

Messflüge des Alfred-Wegener-Instituts
Parallel zu den Bodenexperimenten führte das Alfred Wegener Institut (AWI) auch Messungen aus der Luft durch. Ein Flugzeug vom Typ Dornier-228 hat das ASIRAS-Instrument an Bord, eine Flugzeugvariante des Radarhöhenmessers, der in CryoSat 2 eingebaut wird. Durch Vergleiche der aus der Luft aufgezeichneten Daten mit den Bodenmessungen testen und überprüfen Wissenschaftler noch vor dem Start des Satelliten neue Verfahren, die bei der CryoSat 2-Mission zur Erfassung von Veränderungen der Eisdicke zum Einsatz kommen.

Darstellung der Gletscherdaten des Flugzeug-Radarhöhenmessers
„Der erste Flug mit ASIRAS sah gut aus,“ so Veit Helm vom AWI. „Sobald das Wetter es erlaubte und die Bodenteams in Position waren, konnten die wissenschaftlichen Flüge starten und mit der Verarbeitung und Auswertung der Daten des Radarhöhenmessers über Austfonna begonnen werden. Eine der faszinierenden Seiten dieser Arbeit ist der Blick in die Zukunft, den uns diese Kampagne ermöglicht. Wir sehen, was die CryoSat 2-Mission nach ihrem Start sehen und messen wird.“

Die Datenerhebung aus der Luft wurde bis zum 24. April durchgeführt. Nach dem Abschluss der Kampagne gilt es nun, die enormen Datenmengen zu analysieren. So sollen die Messverfahren, die später bei CryoSat 2 zum Einsatz kommen, optimiert werden. Die auf Zentimeter genaue Erfassung der Eisdicken aus dem Weltall, und damit verbunden ein besseres Verständnis der Auswirkungen des Klimawandels auf die polaren Eisfelder, ist nur dank dieser sorgfältigen Arbeit möglich.
 
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