Lernen aus der Vergangenheit, Offenheit in der Gegenwart  

erstellt am
18. 06. 07

Holztrattner bei den Feierlichkeiten zu "275 Jahre Aufnahme der Salzburger Emigranten in Preußen
Salzburg (lk) - "Über die Ereignisse von 1731 und 1732 kann man aus heutiger Sicht mit gutem Gewissen das persönliche Motto ’Vergeben, aber nicht vergessen’ stellen. Ich bin überzeugt, es gibt gerade aus der 275-jährigen Geschichte der Salzburger Protestantenvertreibung vieles zu lernen; vor allem, dass die Toleranz und der Respekt vor der friedvollen Überzeugung des Einzelnen und gesellschaftlicher Gruppen letztlich die Achtung vor der Würde des Menschen in ihrer Wertigkeit gar nicht hoch genug gestellt werden können." Dies erklärte Landtagspräsident Johann Holztrattner am 18.06. beim Festakt "275 Jahre Aufnahme der Salzburger Emigranten in Preußen" in der Kirche am Hohenzollernplatz in Berlin.

Flucht und Vertreibung, Krieg und Bürgerkrieg seien kein Schicksal. Friede und Freiheit müssten stets täglich neu errungen werden, sagte Holztrattner. Vor genau 275 Jahren, im Jahr 1732, begrüßte der preußische König Friedrich Wilhelm I. Salzburger Emigranten in seinem Reich. An dieses Ereignis erinnert der "Salzburger Verein" mit Sitz in Bielefeld (Deutschland) mit Gedenkfeierlichkeiten, die von 14. bis 17. Juni in Berlin und Potsdam (Brandenburg) stattfanden. "Die alte Heimat Salzburg hat Euch nicht vergessen. Und es ehrt und freut uns, dass auch Ihr Euer Salzburg nicht vergessen habt. Wir wollen beide aus tiefer Überzeugung daran festhalten", sagte Holztrattner stellvertretend zum Präsidenten des Salzburger Vereins, Wolfgang Neumann, der Vereinigung der Nachkommen der Salzburgischen Emigranten in Bielefeld. Ziel und Aufgabe des Vereins ist es, die Erinnerung an die Aufnahme der aus Salzburg Vertriebenen Protestanten lebendig zu erhalten und den Zusammenhalt unter den "Salzburgern" in der heutigen Bundesrepublik Deutschland zu fördern.

Das Land Salzburg übernahm 1953 die Patenschaft für den "Salzburger Verein". Seit dieser Zeit habe das Land Salzburg seine Verpflichtungen gegenüber den Nachkommen seiner ehemaligen Landesbürgerinnen und -bürger stets sehr ernst genommen, betonte Holztrattner. Dem "Salzburger Verein" in Bielefeld gehören zahlreiche Nachkommen von ehemals vertriebenen Salzburgerinnen und Salzburgern an. Vor drei Jahren wurde das 50-jährige Bestehen der Partnerschaft zwischen dem Land Salzburg und dem "Salzburger Verein" gefeiert.

Die zahlreichen Landesgruppen des "Salzburger Vereins" gestalten und gestalteten mit diversen Veranstaltungen das Programm zum Jubiläums-Jahr. So fand bereits im April ein Treffen der Salzburger Familienforscher in Berlin-Mitte statt. Noch bis 1. Juli dieses Jahres läuft eine Sonderausstellung über historische Landkarten im Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen (Deutschland). Die Theatergruppe Goldegg spielte "Weg müssen", eine von Mag. Christa Hassfurther neu überarbeitete Form des historischen Stückes "Die Protestantenvertreibung von Goldegg" von Gertraud Mücke. Darüber hinaus gab es einen Vortrag über den evangelischen Glauben der Salzburger, einen Abendmahl-Gottesdienst im Wohnstift Salzburg in Bielefeld, ein "Salzburger Frühstück" in Kirchberg an der Lahn (Hessen) sowie Exkursionen an neue Heimatorte der ausgewanderten Salzburger, die letzte führt am 1. September nach Belzig (Brandenburg).

Einladung an Vertriebene
Das von Erzbischof Leopold Anton von Firmian unterschriebene Ausweisungspatent für Protestanten aus der Erzdiözese Salzburg Ende 1731 bewirkte, dass praktisch über Nacht rund 32.000 Menschen ihre Heimat verlassen mussten. Einige verschlug es bis nach Übersee, andere begaben sich in Richtung Preußen, wo ihnen König Friedrich Wilhelm I. durch das preußische Einladungspatent eine neue Heimat versprach. Aufgrund verschiedener Untersuchungen wird vermutet, dass von 1732 bis zum Herbst 1734 auch rund 10.000 Salzburger/innen in die litauische Provinz – meistens nach Gussew (Gumbinnen) in die Umgebung von Tilsit und in die Ortschaften am Fluss Memunas (Memel) – einwanderten. Laut statistischen Angaben des Jahres 1744 wohnten in diesen Gebieten 10.410 Salzburger/innen.

Aus Entschädigungszahlungen wurde ein Armen- und Krankenhaus im Gumbinnen errichtet und 1735 eröffnet. 1911 entschlossen sich die Delegierten dieser Salzburger Anstalt zur Gründung eines Vereines für alle Salzburger in Ostpreußen. Es entstanden Gruppen in vielen Kreisstätten. Beim Festzug zur 200-Jahre-Feier in Gumbinnen kamen mehr als 20.000 Salzburger Nachkommen. Die Salzburger "Vereinigung der Nachkommen salzburgischer Emigranten" trage entscheidend zu einem besseren Verständnis des Salzburger Kulturgutes außerhalb Salzburgs bei, so Landtagspräsident Holztrattner. Auf Holztrattners Programm stand auch ein Besuch in der Lipperheideschen Kostümbibliothek in der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin, der weltgrößten Fachsammlung zur Kulturgeschichte der Kleidung und Mode. In der Bibliothek in der Nähe des Potsdamer Platzes werden Originalstiche zur Salzburger Protestantenvertreibung gezeigt.
 
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