Indien, Land der Extreme  

erstellt am
14. 06. 07

Bilateraler Handel zwischen Österreich und Indien boomt – Exportzuwachs 23,3%; Chancen für Austro-Unternehmen im Infrastruktur- und Umweltbereich
Wien (awo) - Indien, „dem Land der Extreme”, wie es Georg Karabaczek von der Außenwirtschaft Österreich (AWO) in seiner Eröffnungsrede formulierte, war die letzte Horizonte-Veranstaltung vor der Sommerpause in der WKÖ gewidmet. In einer sehr kontroversiellen Podiumsdiskussion wurde über die wirtschaftliche, politische und soziale Situation Indiens debattiert.

Neben Karabaczek, der betonte, dass „Indien in seiner rasanten Entwicklung erst am Anfang steht, sich noch stark wandeln und dabei die Welt mit verändern wird“, nahmen folgende Experten an der Diskussion teil: Arun K. Nanda (Präsident von Mahindra & Mahindra Ltd - Indiens führender Hersteller von Automobilteilen und Allzweckfahrzeugen, Kooperation mit Renault, Werke in Nordamerika; Mitglied des Council of EU Chambers of Commerce in India), Sushil Kumer Jiwarajka (Direktor der Solara Gruppe – Vereinigung führender Unternehmen im IT- und Elektronik-Sektor, Präsident der „All India Organisation of Employers“), Mallika Sarabhai (führende indische Solotänzerin und Choreografin mit eigener Tanzkompanie, aktiv in der indischen Frauenbewegung), Christian Brüser (Journalist; seit 1999 Sachverständiger für Indien im unabhängigen Bundesasylsenat) und Franz Hrachowitz (Geschäftsführer der Trasys Beteiligungs- u. Management GmbH; seit vier Jahren in Indien aktiv).

Alle Diskutanten waren sich über die erfolgreiche wirtschaftliche Performance Indiens mit einem BIP-Wachstum von rund acht Prozent jährlich im vergangenen Jahrzehnt einig. „Die Welt entdeckt Indien als Wirtschaftspartner zwar erst jetzt, aber die rasante Entwicklung hat bereits vor über 20 Jahren begonnen“, behauptete Arun K. Nanda. So habe etwa die Alphabetisierungsrate zur Zeit der Unabhängigkeit nur 17% betragen, im Vorjahr lag sie aber schon bei 80%. Weiters ist die Zahl der potenten Konsumenten in Indien seit 1980 von 65 Millionen Menschen auf 380 Millionen gestiegen. Nanda: „Die Produktivität unserer Wirtschaft hat sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht und wir erwarten, dass Indien bis 2015 Japan in punkto Wirtschaftsleistung überholen wird und die Nummer 3 unter den Weltwirtschaftsmächten sein wird.“ Nanda nannte einige Highlights der indischen Entwicklung: Indien hat den weltweit größten Pool an Research-Zentren, die IT-Industrie wächst jährlich um knapp 30%, der Bio-Tech-Sektor sogar um 35%, der Kfz-Sektor Indiens wächst im weltweiten Vergleich am stärksten und jährlich verlassen zwei Millionen Ingeneure verschiedene Universitäten und Fachhochschulen.

Wermutstropfen der wirtschaftlichen Entwicklung ist indes die (Verkehrs)Infrastruktur. Sushil Kumer Jiwarajka: „70% der Inder leben verteilt auf 650.000 Dörfer, die zum Teil an kein Straßen- oder Bahnnetz angeschlossen sind.“ Um das zu verbessern, werden in den kommenden zehn Jahren 350 Mrd. US-Dollar investiert – „eine große Chance für Kooperationen mit österreichischen Unternehmen“, so Jiwarajka. Weitere Bereiche in denen Austro-Unternehmen in Indien Geschäfte machen können: der gesamte Umweltsektor (Abwasser, Müll), Alternativenergien oder Tourismus.

„Bei allem Applaus für die tolle wirtschaftliche Performance, dürfen wir aber eines nicht vergessen“, erinnerte Mallika Sarabhai: „Indien ist nach wie vor ein Land, in dem die Armut den Alltag prägt. 700 Millionen Inder müssen mit weniger als fünf US-Dollar pro Tag auskommen und 48% der Kinder sind unterernährt. Die Diskrepanz der sozialen Strukturen ist das größte Problem Indiens – aber auch die größte Herausforderung.“ Das Rückgrat für eine gute Entwicklung eines Landes sei selbstverständlich das Wirtschaftswachstum, jetzt gelte es aber die Früchte des wirtschaftlichen Erfolges auch gerecht zu verteilen.

Die bilateralen Wirtschaftsbeziehungen zwischen Österreich und Indien boomen jedenfalls. Während die weltweiten Ausfuhren 2006 um 12,7% zulegten, lag der Zuwachs der österreichischen Ausfuhren nach Indien weit darüber. Das Ausfuhrplus machte 23,3% aus (Volumen: 372 Mio. Euro). Die Importe aus Indien steigerten sich um 12,7% auf 310 Mio. Euro.
 
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