EU-Gipfel / Außenministerin Plassnik bei ORF-"Pressestunde"  

erstellt am
25. 06. 07

 Plassnik: "EU hat dazugelernt"
Wien (bmeia) - "Wir haben die Basis geschaffen, um wie geplant 2009 mit einer neuen vertraglichen Grundlage in die Europawahl gehen zu können", erklärte Außenministerin Ursula Plassnik am 24.06. in der Pressestunde zu den Ergebnissen des Europäischen Rates. Wenngleich einiges zurückgenommen worden sei, was Österreich gerne behalten hätte, "ist die Substanz der Verfassungsvertrags gewahrt worden und das institutionelle Gefüge intakt geblieben".

Plassnik betonte, dass die EU in den letzten zwei Jahren dazugelernt habe. "Wir sind von der hochtrabenden Rhetorik runtergekommen. Wir haben gelernt, nüchterner zu sein und pragmatisch auf die Anliegen und Wünsche der Bürger einzugehen." So werde im Mandat für die Verhandlungen zum kommenden EU-Vertrag erstmals auch ausdrücklich die Möglichkeit angesprochen, dass Kompetenzen von der EU wieder zurückgenommen werden können. "Hier ist ein neues Denken zu erkennen. Die Übertragung von Kompetenzen von den Mitgliedstaaten auf die EU ist keine Einbahnstraße mehr."

"Die Bürger wollen Resultate sehen und erwarten ein funktionierendes, gut geöltes Institutionengefüge", so Plassnik weiter, die darauf verwies, dass hierfür mit dem Ergebnis des Gipfels eine wichtige Basis geschaffen worden sei. "Wir wollen keinen europäischen Superstaat. Auch Begriffe, wie etwa 'Bundestaat', die aus dem staatsrechtlichen Verständnis kommen, lassen sich auf das neue Gebilde EU nicht anwenden", unterstrich sie.

Auf die anhaltende EU-Skepsis in der Öffentlichkeit angesprochen lehnte es die Außenministerin ab, die Österreicher und Österreicherinnen als "EU-Muffel" zu bezeichnen. Die Ministerin verwies auf den Meinungsaufschwung während des österreichischen EU-Vorsitzes, der zu einer besonders intensiven und dichten Berichterstattung über EU-Themen führte. "Wir müssen alle daran arbeiten, das Wissen und das Verständnis für die komplexen Zusammenhänge zu fördern. Was die Bürger in der öffentlichen EU-Debatte nicht wollen, ist das Bekenntnishafte. Sie erwarten einfach, dass die EU funktioniert und sind sich der Vorteile, die sie bringt, sehr wohl bewusst."

Auf die Zusammenarbeit innerhalb der Koalition angesprochen, erklärte Plassnik, dass die "ewige Klimaforschungsdebatte" sinnlos sei. "Die Bundesregierung ist keine Wellnessinsel. Es geht darum, dass etwas rauskommt. Dabei ist das Ringen um die beste Lösung völlig normal." Mitunter hörbare kritische Töne gehörten dabei zu den "normalen Betriebsgeräuschen". In Bezug auf die Eurofighter-Debatte begrüßte Plassnik "den Ausstieg vom Ausstieg". "Dass nach neuen Monaten die Thematik des Totalausstiegs vom Tisch ist, ist ein guter Schritt. Es liegt nun am Verteidigungsminister, die richtige weitere Vorgangsweise zu entwickeln", so die Außenministerin.

 

 Kalina: Plassnik tritt als Vorsitzende des Schüssel-Fanclubs auf
Wien (sk) - "Der Auftritt von Ursula Plassnik in der ORF-"Pressestunde" glich mehr dem Auftreten der Vorsitzenden des Schüssel-Fanclubs als dem einer Außenministerin", kritisiert SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina. "Mit dem Herumlavieren muss jetzt Schluss sein. Es geht um sehr viel Geld und es ist höchste Zeit, dass die ÖVP Farbe bekennt und sich entscheidet: Sind ihr die Interessen Österreichs wichtiger oder die Interessen von EADS-Eurofighter und das Andenken an den Alt-Obmann", so Kalina.

An Plassnik, die in der "Pressestunde" Wolfgang Schüssel als "wichtigen Ansprechpartner" bezeichnete, appelliert Kalina: "Der erste Ansprechpartner für diese Bundesregierung muss die österreichische Bevölkerung sein. Und dieser soll die ÖVP erklären, warum sie bei diesem Flugzeug-Kauf auf hunderte Millionen Ersparnis verzichten will", fordert Kalina. Für die SPÖ steht weiterhin die größtmögliche Ersparnis beim Abfangjäger-Kauf im Vordergrund, bekräftigt Kalina. "Die Molterer-ÖVP muss sich fragen, was ihr wichtiger ist: Diese Große Koalition, die eine Große Koalition für Österreich sein muss oder die Verbundenheit mit der alten ÖVP-Garde rund um Ex-Kanzler Schüssel", fordert der SPÖ-Bundesgeschäftsführer. "Bei Bildung und Gesundheit gibt sich der Finanzminister knausrig, wenn es darum geht, seinem Vorgänger die Betonmauer zu machen, ist Molterer offensichtlich nichts zu teuer", so Kalina.

Die schwarz-blau-orange Vorgängerregierung habe der Republik diesen nachteiligen Vertrag eingebrockt, die jetzige Große Koalition müsse jetzt so viel Schaden wie nur möglich von der Republik abwenden, so Kalina. "Die ÖVP muss jetzt umdenken, es geht in der Diskussion nicht um das Geld aus der ÖVP-Privatschatulle, sondern um das Geld der Steuerzahler", macht Kalina deutlich.

"Die Österreicher werden es sicherlich nicht verstehen, dass der Finanzminister auf hunderte Millionen Euro verzichtet, damit die Eitelkeit des ÖVP-Alt-Obmannes Schüssel befriedigt wird."

 

 Voggenhuber: Britisches Opting-Out unannehmbar
Brüssel (grüne) - "Ein Ritt über dünnes Eis" war die Regierungskonferenz für den Europasprecher der Grünen, Johannes Voggenhuber, der als Vertreter der Grünen Fraktion im Europaparlament bei der Regierungskonferenz anwesend war. "Europa stand vor dem Bruch", erklärte Voggenhuber. Für "unannehmbar" hält er das Opting-Out Großbritanniens bei der Grundrechtecharta. "Angesichts des Grundsatzes der Unteilbarkeit der Menschen- und Bürgerrechte zerstört dieses Opting-Out die innere und äußere Glaubwürdigkeit der Union als Wertegemeinschaft. Wenn Großbritannien den innersten Kernbestand der gemeinsamen Werte Europas nicht teilt, dann stellt es die eigene Mitgliedschaft offen in Frage. Statt ein Opting-Out zuzulassen, muss man in Kauf nehmen, dass Großbritannien das europäische Projekt verlässt", sagte Voggenhuber.

"Europa des Kleingedruckten"
"Nach dieser dramatischen Nacht kann man sagen: Willkommen zurück im Europa des Kleingedruckten, im Europa der Fußnoten und Fußangeln. Es hätte anders werden sollen: Nach sieben Jahren Auseinandersetzung, zwei Konventen, zwei Regierungskonferenzen hätte es ein Europa der BürgerInnen werden sollen mit einer Verfassung in einer klaren, verständlichen Sprache, mit Zielen, Grundwerten und Grundrechten: der Durchbruch der europäischen Integration von einem Projekt der Eliten und Staatskanzleien zu einer 'res publica' aller BürgerInnen.

Doch um ein Haar wäre, so Voggenhuber, das gesamte Projekt gescheitert. Auf der Regierungskonferenz sei Europa knapp vor dem Bruch gestanden. Es habe sich gezeigt, dass die politische Einigung dieses Kontinents, die fünf Jahrzehnte Schritt für Schritt errungen wurde, innere Gegner hat. "Hier ist eine Allianz von Nationalisten, Neoliberalen Ideologen und Rumsfelds neues Europa am Werk. Es ist das Europa, das den Kontinent auf Markt plus NATO reduzieren will." Die 18 Unterzeichnerstaaten der Verfassung hätten, so Voggenhuber, die Entschlossenheit dieser Gegner lange unterschätzt, und sich zu spät zusammen getan.

Positive Rolle Österreichs
Erst im letzten Moment habe das drohende Scheitern des gesamten Einigungsprozesses verhindert werden können. "Ein besonderes Verdienst kommt dabei der deutschen Ratspräsidentin Angela Merkel zu, die einerseits auf unermüdliche Vermittlung setzte, andererseits aber die Gefahr erkannte und mit ihrer Entschlossenheit sich nicht erpressen zu lassen und notfalls eine Regierungskonferenz mit Mehrheit durchzusetzen, die Wende erzwang. Auch Österreich hat in dieser Auseinandersetzung zum ersten Mal eine allgemein anerkannte positive Rolle gespielt. Bundeskanzler Gusenbauer beendete auf dieser Regierungskonferenz die doppelbödige und schlingernde Europapolitik seiner Vorgängers und brachte Österreich in den inneren Kreis der integrationsfreundlichen Staaten."

Blair als "böser Geist" der Konferenz
Für Voggenhuber war trotz der absurden Drohungen der Kaczynskis im Vorfeld nicht Polen "der böse Geist der Regierungskonferenz". "Der böse Geist der Regierungskonferenz war Tony Blair, der die Axt an die Wurzel des europäischen Projektes gelegt hat. Blair hat das Mandat der Regierungskonferenz vergiftet, indem er eine Ausnahmeregelung für Großbritannien aus der Grundrechtecharta für Großbritannien durchsetzen will", sagte Voggenhuber. Eine solche Ausnahmeregelung würde den Grundsatz der Unteilbarkeit der Menschen- und Bürgerrechte zerstören und damit die innere und äußere Glaubwürdigkeit der Union als Wertegemeinschaft in Frage stellen. "Das kann nicht so bleiben. Wenn Großbritannien den innersten Kernbestand der gemeinsamen Werte Europas nicht teilt, dann stellt es die eigene Mitgliedschaft offen in Frage. Diese Ausnahme beschädigt die Würde und Integrität der Idee der europäischen Einigung. Tony Blair sollte dem Referendum in Großbritannien nicht länger ausweichen. Eine solche historische Entscheidung muss von den BürgerInnen gefällt werden", so Voggenhuber. Dem britischen Premier warf er vor, einen "Vertrauensbruch ohne Beispiel" begangen zu haben, in dem er die Grundrechtecharta in zwei Konventen und zwei Regierungskonferenzen unterzeichnet habe und dann im entscheidenden Augenblick die europäische Einigung darüber stolpern lassen wollte.

Wichtige Fortschritte, einige Einbußen
Abgesehen von diesem Opting-Out erhält der neue Vertrag essentielle Fortschritte des Verfassungsvertrages mit einigen Einbußen aufrecht. Von der Ausweitung der Rechte des Parlaments, der Demokratisierung, Auflösung der Säulenstruktur bis zu einem starken Aussenminister. "Da ist viel gelungen - auch im Bereich Klimaschutz und Energie. Das ist ein akzeptabler Rahmen. Abgesehen davon, dass diese Regierungskonferenz immmer wieder ein unwürdiges Schauspiel von Nationalismus und gegenseitiger Rivalität bot, sieht Voggenhuber den schlimmsten Schaden darin, dass es einigen Regierungen gelungen ist mit der Beseitigung von Symbolen und der Nicht-Erwähnung des Vorrangs des europäischen Rechts oder der Rückbenennung von Gesetzen in Verordnungen, Europa vor seinen eigenen BürgerInnen zu verstecken." Er, Voggenhuber, werde daher dem Europäischen Parlament vorschlagen, das Mandat zu akzeptieren, aber in der Stellungnahme des Parlaments die völlige Unannehmbarkeit des britischen Standpunktes in den Mittelpunkt der Regierungskonferenz festzuhalten.

 

 Strache: FPÖ fordert Volksabstimmung über EU-Vertrag
Wien (fpd) - "Ob man die Sache jetzt Verfassung oder Reformvertrag nennt, ist ziemlich gleichgültig. Tatsache bleibt, dass damit ein Riesenschritt in Richtung zentralistischer EU-Verfassungsdiktatur getan wird", meinte FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache zum Ergebnis des Brüsseler Gipfeltreffens. "Die Abschaffung der Demokratie geht munter weiter."

Strache forderte Bundeskanzler Gusenbauer auf, über den Vertrag eine Volksabstimmung in Österreich abzuhalten. Es gehe um eine der entscheidendsten Weichenstellungen für die Zukunft unseres Landes. Und diese Entscheidung müsse von der Bevölkerung getroffen werden und nicht von einer Regierung, die ein Versprechen nach dem anderen breche.

Überhaupt befinde sich die EU auf einem Weg, den man nur mehr als Wahnsinn bezeichnen könne. Und die österreichische Regierung würde begeistert mitmachen, wenn unsere Souveränität und unsere Rechte eliminiert würden, kritisierte Strache. "Gusenbauer, Molterer und Co. tanzen enthusiastisch ums Goldene Brüsseler Kalb und opfern Österreich und seine Identität auf dem EU-Altar. Wesentliche Punkte unseres Selbstverständnisses wie die Neutralität werden bedenkenlos über Bord geworfen, um die Brüsseler Lobbys und die Eurokraten in ihren Tintenburgen zufrieden zu stellen." Die österreichischen Interessen seien SPÖ und ÖVP völlig gleichgültig, ihr Credo sei ein zentralistischer Bundesstaat, in dem Österreich keine Rolle mehr spiele.

Die FPÖ hingegen wolle ein föderales Europa, einen Staatenbund, in dem die einzelnen Staaten wieder mehr Rechte erhielten. Sollten SPÖ und ÖVP gemeinsam mit den anderen abgehobenen EU-Lobbys weiterhin in dieser Brutalität gegen Österreich agieren, um eine EU-Verfassungsdiktatur zu errichten, werde eine Diskussion über einen Austritt notwendig, um unsere Souveränität, unsere Eigenständigkeit und unsere soziale Sicherheit zu retten. "Es darf keinen Ausverkauf unserer Rechte und unserer Heimat geben", betonte Strache.

 

 Scheibner: Chance für grundlegende Neuordnung verpasst
Wien (bzö) - "Beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs wurde die Chance einer grundlegenden Neuordnung verpasst. Dies wäre der einzig gangbare Weg gewesen, um die Anliegen der einzelnen Länder unter einen Hut zu bringen und einen gemeinsamen Nenner finden", sagte der außenpolitische Sprecher des Parlamentsklubs des BZÖ, Klubobmann-Stellvertreter Herbert Scheibner. Nach dem langen Nachdenkprozess sei das Ergebnis des Gipfels enttäuschend.

"In der EU werden nicht alle Länder gleich vertieft sein können und deshalb wäre es sinnvoll gewesen, den Staaten im Vertragsweg ein "Europa der verschiedenen Integrationsstufen" anzubieten: Stufe eins: Ein Kerneuropa mit Wirtschafts- und Währungs- und Sicherheitsunion - Stufe zwei: Länder, die nur Teile davon wollen. - Stufe drei: Länder, die nur eine Partnerschaft haben können oder wollen, wie etwa die Türkei", sagte Scheibner. Ziel dieses Modulsystem sei es, die Länder Europas entsprechend ihrer Stärke einzubinden. Dadurch könnten Entscheidungen zum Wohle der Bürger Europas beschleunigt und letztendlich den Fortbestand des Friedensprojekts Europas gesichert werden, erklärte Scheibner.

Kritik übte Scheibner an SPÖ-Bundeskanzler Gusenbauer. Dieser sei beim Gipfel unsichtbar gewesen. "Gusenbauer hat kein Profil gezeigt, geschweige denn eigene Initiativen eingebracht."

Das Visionäre müsse - wie vor 50 Jahren - wieder mehr im Vordergrund stehen, denn gerade dieser notwendige visionäre Ansatz fehle in der EU. Derzeit herrsche in Brüssel mehr Verwaltung als Entwicklung. "Es wäre hoch an der Zeit gewesen, neue Ideen zu diskutieren, klare Lösungsansätze zu präsentieren und diese auch umzusetzen. Dies ist bei diesem Gipfel leider nicht eingetreten", sagte Scheibner abschließend.
 
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