Wahlrechtsreform 2007 passiert den Bundesrat  

erstellt am
22. 06. 07

Kein Einspruch gegen Wählen mit 16, Briefwahl und 5jährige GP
Wien (pk) - Nach der Fragestunde mit Innenminister Günther Platter am 21.06. leitete Bundesratspräsident Manfred Gruber die Behandlung der 33 Punkte umfassenden Tagesordnung ein. Erster Punkt war die Wahlrechtsreform 2007, und erster Redner Bundesrat Stefan SCHENNACH (G). Der Fraktionsführer der Grünen beurteilte das Demokratiepaket differenziert. Die Grünen stimmten der Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre vollinhaltlich zu, weil es gelte, einen Ausgleich dafür zu schaffen, dass immer ältere Menschen über junge Menschen entscheiden, die ein immer höheres Maß an Verantwortung zu tragen haben. Nicht alle, aber sehr viele junge Menschen seien an Politik interessiert und wollten politische Verantwortung mit übernehmen, hielt Stefan Schennach fest.

Auch die Einführung der Briefwahl finde die ungeteilte Zustimmung der Grünen, weil die politische Partizipation der Menschen auch in Zeiten wachsender Mobilität gewährleistet werden müsse. Positiv besprach der Redner auch die vom Nationalrat beschlossenen Erleichterungen bei der Stimmabgabe von Auslandsösterreichern.

Als "demokratiepolitische Chuzpe", "Etikettenschwindel" und "Lizenz zur Faulheit" bezeichnete Schennach aber die Verlängerung der Gesetzgebungsperiode auf fünf Jahre. Diese Maßnahme konterkariere de facto die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre. Ein heute Sechzehnjähriger werde wegen der Verlängerung der Gesetzgebungsperiode trotz Herabsetzung des Wahlalters während seines Lebens zweimal weniger wählen als nach der bisherigen Rechtslage, rechnete Schennach vor. Die Verlängerung der Gesetzgebungsperiode wäre nur zu rechtfertigen, würde sie von Maßnahmen zum Ausbau der Partizipation und durch Erweiterung der direkten demokratischen Möglichkeiten, etwa durch Einführung einer parteiunabhängigen Zweitstimme nach deutschem Muster, begleitet werden. Außerdem plädierte Schennach für den Ausbau der Oppositionsrechte und Erleichterungen im Wahlrecht für MigrantInnen.

Bundesrat KONECNY (S) bezog sich einleitend auf die Fragestunde und meinte, weder der Duden noch das österreichische Wörterbuch kennen das Wort "aufhältig". Dieses Wort komme lediglich im "Biotop des Innenministeriums" vor; es klingt, so Konecny, ein bisschen wie eine ansteckende Krankheit. Es gebe laut dem Bundesrat keinen Grund zu sagen, Menschen, die in Österreich aufhältig sind, vielmehr müsste es korrekt heißen: Menschen, die sich in Österreich aufhalten. "Das sind gleich viele Worte mit gleich vielen Buchstaben, und vielleicht könnten die Dienststellen des Innenministeriums dieser Initiative zur Rettung der deutschen Sprache bei Gelegenheit beitreten", meinte Konecny launig.

Konecny kam sodann auf das eigentliche Thema zu sprechen und erinnerte an die Entwicklung des Wahlrechts in Österreich. Im Demokratiepaket gebe es eine Reihe von neuen Maßnahmen. Eine Maßnahme stellt seiner Ansicht nach die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre dar. Versuche haben ja gezeigt, dass diese Generation sich der Verantwortung bewusst ist und die demokratische Chance zu nützen weiß. Die Grenze mit 16 ist laut Konecny etwas, was man mit voller Überzeugung vertreten könne, denn von diesen Menschen in diesem Alter werde so viel verlangt, dass man ihnen auch das Recht, an der politischen Willensbildung teilzunehmen, problemlos gewähren könne.

Im Zusammenhang mit der Kritik an der Verlängerung der Gesetzgebungsperiode verwies der Bundesrat darauf, dass die Länderkammer auch diese Verlängerung beschließen werde, und meinte, erst die nächste Gesetzgebungsperiode werde davon betroffen sein. In fast allen Landtagen gebe es die fünfjährige Periode, lediglich in Oberösterreich betrage sie sechs Jahre, teilte er weiters mit.

Zu den Ausführungen von G-Bundesrat Schennach führte Konecny u.a. aus, er könne die Ansicht, warum jemand, der die SPÖ wählt, über die Zusammensetzung der Grünen Nationalratsfraktion mit entscheiden soll, nicht nachvollziehen und zudem stelle das keinen demokratiepolitischen Fortschritt dar. Das Beispiel von Schennach gehe, so Konecny, völlig daneben, Deutschland habe ein anderes Wahlsystem, der deutsche Wähler wähle mit zwei Stimmen den Wahlkreiskandidaten, während die Zusammensetzung der Parlamente auch nach dem Proporz erfolgt wie in Österreich und daher die direkt gewählten Kandidaten kein anderes Mandat haben, sondern lediglich auf die Parteienliste anzurechnen sind.

Bundesrat BREINER (G) betonte in einer Tatsächlichen Berichtigung, die Grünen in Oberösterreich präferierten eine Verkürzung der Periode auf fünf Jahre.

Bundesrätin MÜHLWERTH (o.F.) begrüßte die Senkung des Wahlalters auf 16 Jahre. Dies sei eine langjährige Forderung der FPÖ gewesen, die bereits 1999 einen diesbezüglichen Antrag eingebracht hatte. Die Briefwahl hingegen hielt sie für bedenklich, denn ihrer Ansicht nach kann eine eidesstattliche Erklärung nicht alles abdecken. Zudem wisse man, dass es immer wieder Situationen gibt, in deren Rahmen die Gefahr eines Missbrauchs gegeben ist. Auch der Verfassungsgerichtshof habe in den letzten Jahren Bedenken gerade gegenüber der Briefwahl geäußert. Die SPÖ, die sich stets gegen die Briefwahl ausgesprochen habe, sei nun vor der ÖVP, die immer schon für die Briefwahl eingetreten ist, "in die Knie gegangen". Das Argument der Koalition, dass durch die Verlängerung der Gesetzgebungsperiode länger für den Bürger gearbeitet werden kann, hielt Mühlwerth für "rührend", weil die Parteien wurden ja bislang auch nicht gehindert wären, länger zu arbeiten, denn im Durchschnitt wurden nach dreieinhalb Jahren Gesetzgebungsperiode Neuwahlen ausgeschrieben.

Politische Bildung war und ist seit vielen Jahren in den Schulen Unterrichtsprinzip und wird auch bisher entsprechend unterrichtet, führte Bundesrat BADER (V) aus und machte darauf aufmerksam, dass nun eine langjährige Forderung der ÖVP nach der Möglichkeit, per Briefwahl mit entscheiden zu können, so wie das in vielen anderen Ländern bereits der Fall ist, umgesetzt wird. Diesbezügliche Erfahrungen konnte man bereits bei den Kammerwahlen und Personalvertretungswahlen sammeln. Somit werde kein Neuland betreten. Seiner Meinung nach soll der mündige Bürger das Recht haben, mit zu entscheiden, und nach Möglichkeit soll dieses Recht nicht eingeschränkt werden. Durch diese Weiterentwicklung erhoffe man eine höhere Wahlbeteiligung, verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Briefwahl hielt der Redner für absurd. Mit der Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre sei Österreich innerhalb Europas Vorreiter, denn Österreich sei das erste Land, das 16-jährige fragen wird, welche Meinung sie zur Politik haben. Dass es in der Bevölkerung eine gespaltene Meinung zur Absenkung des Wahlalters gibt, räumte Bader ein.

Staatssekretärin SILHAVY wies darauf hin, dass man mit dem Wahlrechtspaket die legistischen Voraussetzungen für eine Erhöhung der Partizipation an der politischen Willensbildung schafft, die Motivation zur Beteiligung an der politischen Willensbildung müsse von den einzelnen politischen Parteien sowie von den Mandataren und von den gesellschaftlich relevanten Kräften ausgehen. Unbestritten ist aus ihrer Sicht die Herabsetzung des Wahlalters, dies sei eine logische Konsequenz aus einer Diskussion, die es bereits in den siebziger Jahren gegeben hat. Sie machte auch darauf aufmerksam, dass die Sozialdemokraten ein "kritisches" – "kein gespaltenes" – Verhältnis zur Briefwahl gehabt hätten, es wurde aber letztendlich eine Lösung gefunden, die dem Grundsatz der geheimen Stimmabgabe entspricht. Auch Silhavy verwies darauf, dass von der Verlängerung der Gesetzgebungsperiode nicht der jetzige, sondern erst der nächste Nationalrat betroffen sein wird.

Bundesrätin KONRAD (G) zeigte sich erfreut darüber, dass sich die SPÖ bei dem demokratiepolitischen Schritt der Senkung des Wahlalters gegenüber dem Koalitionspartner durchsetzen konnte. Die Absenkung des Wahlalters habe Auswirkungen auf die Länder, weil auch die Länder eine Wahlaltersenkung vornehmen sollen. Etwa in Tirol, wo es nächstes Jahr Landtagswahlen geben wird, sei es fraglich, ob diese Wahlaltersenkung schon für die Landtagswahl möglich sein wird. Dass man jetzt das Wahlrecht mit 16 einführt, stelle "kein Geschenk an die Jugend" dar, sondern sei ein Gewinn für die Demokratie und eine Herausforderung an die Politiker, sich auf Jugendliche einzulassen. Die Rednerin listete in der Folge die Pro und Contra für eine Wahlaltersenkung auf und zeigte sich erfreut darüber, dass diese Forderung nunmehr umgesetzt wurde.

Bundesminister PLATTER meinte, es sei der Regierung wichtig gewesen, ein klares Signal zu setzen. Positive Stellungnahmen gab es durchwegs zur Absenkung des Wahlalters. Nun sei wieder einmal Österreich Vorreiter beim Wahlrecht. Im Zusammenhang mit der Verlängerung der Legislaturperiode unterstrich auch der Bundesminister, dass nicht die Gesetzgebungsperiode dieser Regierung verlängert werde, sondern diese Bestimmung erlange erst nach 2010 Gültigkeit. Auch Platter wies darauf hin, dass es in den meisten Bundesländern Perioden von fünf Jahren gibt, auch in manchen Gemeinden gibt es fünfjährige Perioden. Nach Ansicht des Ministers vertritt auch die Bevölkerung die Meinung, dass es nicht immer nur Wahlen geben soll, sondern auch intensiv gearbeitet werden muss. Hinsichtlich der Briefwahl vertrat das Regierungsmitglied die Ansicht, es sollte der Bevölkerung die Möglichkeit geboten werden, möglichst unkompliziert vom Wahlrecht Gebrauch zu machen. In Hinkunft soll aber auch das Wählen via Internet möglich gemacht werden. Deshalb sollen Erfahrungswerte eingeholt werden, denn in Estland gibt es bereits die Möglichkeit des E-Votings.

Bundesrat MITTERER (o.F.) machte darauf aufmerksam, dass es in Kärnten bei den Kommunalwahlen bereits ein herabgesetztes Wahlalter von 16 gibt und man positive Erfahrungen damit gemacht habe. Die Versuchung sei groß, dass in den Schulen Wahlwerbung betrieben wird, deshalb habe das BZÖ im Nationalrat den Antrag eingebracht, dass Maßnahmen ergriffen werden sollen, dass während des Unterrichts jede parteipolitische Propaganda verhindert wird. Seiner Ansicht nach könnte die Briefwahl auch zur Erhöhung der Wahlbeteiligung beitragen, weil man unkompliziert und vereinfacht vorgehen kann, wobei die Einhaltung der Grundsätze des geheimen und persönlichen Wahlrechtes gewahrt werden muss. Die Verlängerung der Legislaturperiode auf fünf Jahre wurde von ihm gleichfalls begrüßt.

Bundesrat EINWALLNER (S) hielt die Absenkung des Wahlalters auf 16 bzw. auf 18 Jahre, die Einführung der Briefwahl und die Verlängerung der Legislaturperiode für wichtig. Hinsichtlich der Wahlaltersenkung zeigte sich der Bundesrat sehr froh darüber, dass sich die ÖVP dieser Forderung der SPÖ anschließen konnte. Wichtig werde es sein, dass es zu einem tatsächlichen Einbinden der Jugendlichen kommt, Jugendbeteiligung darf und soll, so Einwallner, kein Schlagwort sein, Demokratie und Beteiligung müssen für die jungen Menschen spürbar und lebbar gemacht werden. Bei der Briefwahl gebe es unbestreitbare Vorteile, aber man müsse achtsam sein, dass das Wahlgeheimnis wirklich gewahrt wird. Sollte die Briefwahl nicht die Ergebnisse bringen, die man sich erwartet, dann sollte man sie modifizieren bzw. verbessern. Die Verlängerung der Legislaturperiode sah Einwallner nicht so kritisch wie die Grünen, da sich die fünf Jahre auf andere Ebenen durchaus bewährt haben.

Bundesrätin MMag. EIBINGER (V) meinte, mit der Herabsetzung des Wahlalters werde eine langjährige Forderung der Jungen ÖVP Steiermark umgesetzt. Damit sind bei bundesweiten Wahlen in Zukunft 180.000 junge Menschen zwischen 16 und 18 wahlberechtigt. Dies sei gut so, betonte die Rednerin, werde doch ihre Zukunft gestaltet und es werde das Gleichgewicht zwischen Jung und Alt in der Gesellschaft aufrecht erhalten. Psychologen bestätigen immer wieder, so Eibinger zum Thema Reife der jungen Menschen, dass heute 16-jährige bereits wichtige Entscheidungen treffen und selbstverantwortlich handeln müssen. Begleitmaßnahmen sind ihrer Ansicht nach im schulischen, aber auch im außerschulischen Bereich notwendig, die Junge ÖVP fordere daher ein verpflichtendes Schulfach "Politische Bildung" bereits in der Unterstufe. Die Jungen seien nicht Politik-, sondern Politiker-verdrossen, denn die Jugendlichen seien oft kritischer und sensibler als Erwachsene. Die jungen Leute wollten Lösungen und keine sinnlosen Streitereien.

Bundesrat PREINER (S) erachtete als wesentlichste Änderung die Herabsetzung des aktiven Wahlalters auf 16 Jahre und des passiven Wahlrechtes auf 18 Jahre. Das Regierungsprogramm für die laufende Gesetzgebungsperiode sieht die Herabsetzung des Wahlalters, die Briefwahl und die Verlängerung der Gesetzgebungsperiode auf fünf Jahre vor. Einer Entschließung des Bundesrates vom 10. Mai dieses Jahres wird insofern Rechnung getragen, dass die Personen, die vor Verlegung ihres Hauptwohnsitzes in das Ausland einen Wohnsitz im Land hatten, für die Dauer ihres Auslandsaufenthaltes bis maximal zehn Jahre zum Landtag wahlberechtigt sind.

Im Zusammenhang mit der Herabsetzung des Wahlalters machte der Bundesrat darauf aufmerksam, dass die jungen Menschen schon weit früher als in der Vergangenheit Verantwortung für sich selbst und ihre Zukunft übernehmen müssten. So müssen Jugendliche mit 14 Jahren entscheiden, ob sie eine Lehre beginnen oder eine weiterführende Schule besuchen wollen. Man ist auch bereits mit 14 strafmündig und kann mit 16 Jahren den Präsenzdienst beim Bundesheer ableisten. Daher ist es aus seiner Sicht gerecht, Jugendlichen die politische Mitbestimmung einzuräumen. Die jetzigen politischen Entscheidungen bilden den Rahmen, in dem die Jugendlichen in Zukunft ihr Leben gestalten. Es sei daher nur Recht und billig, sie am politischen Entscheidungsprozess aktiv teilnehmen zu lassen. Von einer Politikverdrossenheit der Jugendlichen könne keine Rede sein. Wenn Jugendliche ein faires Angebot zur Mitbestimmung bekommen, dann nutzten sie es auch. Mit der bundesweiten Wahlaltersenkung macht die Politik daher einen großen Schritt auf die Jugend zu, damit sei der Staat Österreich europaweit Vorbild, so Preiner.

Bundesrat Dr. KÜHNEL (V) stimmte mit Bundesrat Schennach nicht überein, der in seiner Wortmeldung das deutsche Wahlsystem präferiert hatte. Das sei vordergründig, meinte Kühnel. Das deutsche Wahlsystem habe nämlich insofern Tücken, sagte Kühnel, als es das taktische Wählen fördere. Ehrlicher wäre es seiner Meinung nach, wenn sich die Grünen mit Einerwahlkreisen, wo sich hervorragende Persönlichkeiten zur Wahl stellen, anfreunden könnten. Kühnel lehnte auch den Vorschlag der Grünen ab, über die Verlängerung der Gesetzgebungsperiode eine Volksabstimmung durchzuführen. Volksabstimmungen würden allzu oft für Themen verwendet, die mit dem eigentlichen Inhalt der Volksabstimmung nichts zu tun haben, so seine Auffassung.

Bundesrat Kühnel sah in der Verlängerung der Gesetzgebungsperiode viele Vorteile. Sie sei, wie er sagte, eine zutiefst vernünftige Maßnahme. So könne eine Regierung länger arbeiten, und außerdem gebe es weniger Wahlkampf. Das bedeute auch weniger Wahlkampfkosten und 20 % weniger Populismus und Asylanten- und Ausländerhetze. In Bezug auf die Dauer einer Legislaturperiode gebe es keine allgemein gültige Wahrheit, und daher solle man die fünf Jahre einmal versuchen.

Kühnel begrüßte auch die Herabsetzung des Wahlalters, gab jedoch gleichzeitig zu bedenken, dass hier Begleitmaßnahmen unbedingt erforderlich sind. Er verlangte in diesem Zusammenhang, ab Herbst die politische Bildung zu intensivieren und diese sowohl inhaltlich als auch zeitlich auszubauen. Man müsste damit ab der fünften Schulstufe beginnen, sagte er, und die LehrerInnen entsprechend aus- und weiterbilden.

Bundesrat SALLER (V) stellte fest, das Demokratiepaket mache die Mitbestimmung jünger und einfacher. Bei der Herabsetzung des Wahlalters habe Salzburg mit seinen Beschlüssen in den Jahren 2004 und 2005 eine Vorreiterrolle eingenommen. Auch in diesem Bundesland sei diese Bestimmung durch ein Begleitpaket unterstützt worden, wobei man besonderes Augenmerk auf die Jugendbeauftragten in den Gemeinden lege. Es sei Aufgabe, Kritik und Urteilsfähigkeit junger Menschen heranzubilden.

Die Briefwahl entspreche einer langen Forderung des Bundeslandes Salzburg und der SeniorInnen, fuhr Saller fort. Die Menschen seien nicht nur mobiler geworden, sagte er, sondern es gebe auch immer mehr BürgerInnen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind. Auch diese würden vom neuen Wahlrecht profitieren, daher stelle das vorliegende Gesetz für ihn einen vernünftigen Mittelweg dar.

Bundesrat WOLFINGER (V) meinte, dass man mit der Briefwahl Neuland betrete und daher deren Auswirkung auf die Praxis und die Wahlbeteiligung nicht abschätzbar sei. In vielen anderen Staaten funktioniere diese jedoch klaglos. Mit der Briefwahl komme man auch einem lang gehegten Wunsch der SeniorInnen nach, und sie ermögliche einen modernen Zugang zum Wahlrecht. Durch die eidesstattliche Erklärung sei sicher gestellt, dass das Wahlrecht auch persönlich wahrgenommen werde.

Bundesrat WEISS (V) nahm am Beginn seiner Ausführungen zur Kritik am kurzen Begutachtungsverfahren Stellung. Beim Demokratiepaket sei die Frist von drei Wochen für ihn ausreichend gewesen, zumal die Senkung des Wahlalters und die Einführung der Briefwahl bereits in der Regierungserklärung verankert worden seien. Außerdem stehe der Innenminister in einem kontinuierlichen Erfahrungsaustausch mit den Ländern, sodass man die Probleme sowie den Regelungsbedarf und die Regelungsinhalte sehr gut gekannt habe.

Zum deutschen Wahlmodell merkte Weiss an, dieses gehe von einem anderen Denkansatz als das Listenwahlrecht aus und habe einen stärker persönlichkeitsorientierten Zugang. Es habe daher für ihn durchaus auch gute Seiten.

Als Vorsitzender des Verfassungsausschusses ging Bundesrat Weiss sehr ausführlich auf die Bedenken ein, die seitens des Bundeslandes Tirol geäußert worden sind. Man habe sehr ausführlich über alle diese Fragen diskutiert, berichtete Weiss, indem er Punkt für Punkt erörterte. Dabei sei man zur Überzeugung gelangt, dass die Bedenken des Landes nicht zutreffend sind. So hätten beispielsweise die Landtage auch weiterhin die Möglichkeit, die Landesbürgerschaft vom Hauptwohnsitz abhängig zu machen.

Weiss kritisierte grundsätzlich, dass ein Gesetz, wie das AVG, unter verschiedenen Titeln geändert wird. Das habe in der Vergangenheit des öfteren zu Aufhebungen durch den Verfassungsgerichtshof geführt.

Seine Kritik richtet sich aber auch an den Bundesrat selbst, der die Arbeitsprogramme der EU-Kommission in den Ausschüssen nicht ausreichend behandle. Diese müssten am Beginn diskutiert werden, stellte er fest. Auch zeigte er wenig Verständnis dafür, dass der EU-Ausschuss des Bundesrates vor dem Europäischen Rat in Brüssel nicht getagt hat, obwohl hier so wesentliche Probleme wie die Migration behandelt werden.

Bundesrat SCHENNACH (G) meldete sich abermals zu Wort, um auf Bundesrat Kühnel und Innenminister Platter zu reagieren. Die Verlängerung der Gesetzgebungsperiode bringe nur aus der Sicht der Regierenden Vorteile, hielt er aus seiner Sicht fest, den WählerInnen aber werde ein Jahr der Mitbestimmung gestohlen. Außerdem könne man Demokratie nicht nach dem Kostenfaktor bewerten. Schennach forderte abermals, das Wahlrecht von MigrantInnen von der Staatsbürgerschaft zu lösen. Nur dann werde man wirkliche Integration und Partizipation erreichen können.

Schennach kündigte an, dass zwei BundesrätInnen aus seiner Fraktion für und zwei gegen das vorliegende Gesetz stimmen werden. Damit wollte die Grünen zum Ausdruck bringen, dass sie nicht mit allem einverstanden sind. Im Bundesrat könne man aber nur das gesamte Gesetz ablehnen oder befürworten.

Am Ende seiner Rede brachte er einen Entschließungsantrag ein, in dem der Bundeskanzler aufgefordert wird, beim Europäischen Rat in Brüssel auf bestimmte Errungenschaften des Verfassungsentwurfs zu bestehen. In diesem Zusammenhang nannte er die Aufnahme der Grundrechte-Charta in den Verfassungsvertrag und ihre Rechtsverbindlichkeit, die Erweiterung der Handlungsfähigkeit der Union durch die doppelte Mehrheit, die Rechtspersönlichkeit der Union, die Ausdehnung der Entscheidung mit qualifizierter Mehrheit, und die Stärkung der Außenpolitik. Weiters die bessere Ausgestaltung der europäischen Demokratie, der Transparenz und des Parlamentarismus, die Erweiterung der Mitentscheidungsverfahren, die Einführung des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens, die Auflösung der Säulenstruktur, die Subsidiaritätsrechte der nationalen Parlamente sowie Bürgerinitiativen.

Bundesrat AGER (V) konzentrierte sich in seiner Wortmeldung auf die Bedenken seines Bundeslandes Tirol und bekräftigte, dass in den vorliegenden Gesetzen sehr viele brauchbare Elemente enthalten seien, sodass auch die ÖVP-Bundesräte aus Tirol zustimmen werden. Sammelgesetze hätten den Nachteil, so Ager, dass man sie nur insgesamt ablehnen oder ihnen zustimmen könne. Er sah in den vorgebrachten Bedenken auch ein wenig einen Wettstreit zwischen VerfassungsrechtlerInnen auf Bundes- und Länderebene. Bei den beanstandeten Passagen handle es sich um Kann-Bestimmungen, die die Länder nicht umsetzen müssen, betonte Ager.

Aufgrund der vorangegangenen Debatte trat auch Bundesrat Dr. KÜHNEL (V) nochmals ans Rednerpult. In Richtung Schennach meinte er, es sei übertrieben, wenn dieser seine, Kühnels, Aussagen zu den Wahlkampfkosten so hochstilisiere. Was das Demokratiepaket betreffe, so stelle dieses ein Kompromiss dar, bei dem sich beide Regierungsparteien bewegt hätten. Kühnel ging auch auf die kritischen Bemerkungen Konecnys über das Wort "aufhältig" ein und überreichte diesem eine Kopie aus dem Österreichischen Wörterbuch, um zu zeigen, dass es dieses Wort im deutschen Sprachgebrauch gibt.

Das veranlasste Bundesrat KONECNY (S) zu einer Replik, indem er aus eben dieser Kopie aus dem Österreichischen Wörterbuch vorlas. Dort stehe in Klammer, dass es sich beim Wort "aufhältig" um ein Wort handle, das der Amtssprache entspricht. Damit werde seine Kritik bestätigt, stellte Konecny fest.

Bei der Abstimmung beschlossen die BundesrätInnen mit überwiegender und der erforderlichen Zweidrittelmehrheit, gegen die Änderung des Bundes-Verfassungsgesetzes keinen Einspruch zu erheben.

Auch gegen das Wahlrechtsänderungsgesetz 2007 erhoben die BundesrätInnen mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit keinen Einspruch.

Der Entschließungsantrag der Grünen blieb in der Minderheit.
 
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