Märkte müssen sich auf neue Zinsära einstellen  

erstellt am
28. 06. 07

Eurozone stehen drei weitere Quartale mit Zinsanhebungen bevor
Wien (rzb) - Das Geldmengenwachstum beflügelt die Märkte: "Auch wenn das weltweite Wirtschaftswachstum kräftig zulegt, es bleibt ein erheblicher Überschuss an Liquidität vorhanden. Und diese strömt nach wie vor in die Finanzmärkte und da vor allem in Aktien", beschreibt Peter Brezinschek, Chefanalyst der Raiffeisen Zentralbank Österreich AG (RZB), das globale Marktumfeld.

Die an Dynamik gewinnende Übernahme- und Fusionswelle gelte als Bestätigung dafür, dass sowohl die Unternehmen selbst als auch Finanzinvestoren Aktien günstig bewertet sehen. Auf Sicht des Gesamtjahres 2007 wird das weltweite M&A-Volumen auf mehr als 4.500 Milliarden Euro geschätzt.

Entwicklung der Leitzinsen zeigt weltweit neuen Aufwärtstrend
Finanziert werden diese M&A-Transaktionen großteils mittels Fremdkapital. "Aus diesem Grund sind die Zentralbanken von Frankfurt bis Peking besorgt, dass die Kreditexpansion künftige Inflationsrisiken aufbauen kann", berichtet Brezinschek. Die risikolosen Zinssätze befinden sich daher international im Aufwärtstrend.

So rechnet Brezinschek für die Eurozone – auf Basis eines prognostizierten BIP-Wachstums von 3,1 Prozent für 2007 – in den kommenden drei Quartalen mit neuerlichen Zinsanhebungen auf bis zu 4,75 Prozent. Selbst in den USA wurden die Erwartungen hinsichtlich fallender Zinsen durch die ausbleibende Arbeitsmarktschwäche und die wieder erstarkenden Konjunkturvorlaufindikatoren enttäuscht. Auf Jahressicht sollte sich daher am aktuellen US-Zinsniveau nichts ändern.

"Die Märkte müssen sich somit auf eine neue Zinsära einstellen", ist Brezinschek überzeugt. Diese läutet eine Trendwende in der Renditeentwicklung ein. "Im Bewusstsein eines längerfristigen Konjunkturhochs sind die Renditen wieder spürbar über die Geldmarktverzinsung angestiegen", erklärt der RZB-Chefanalyst. Gleichzeitig ist mit einem Anstieg des Risikos zu rechnen. "Ob bei High Yield Bonds, Emerging Market Bonds, Aktien oder Immobilien, die schrittweise nach oben wandernden risikolosen Zinssätze werden sich früher oder später in deutlich zunehmender Volatilität auf diesen Märkten bemerkbar machen."

Euro-Stärke ist ungebrochen
Vor dem Hintergrund einer sich abzeichnenden sanften Landung der US-Konjunktur und der damit zerstreuten Zinssenkungsphantasie verlor der Euro gegenüber dem US-Dollar in den letzten Wochen. Mit der erwarteten Verringerung der Zinsdifferenz durch die Europäische Zentralbank scheint jedoch eine Rückkehr zu Niveaus über 1,35 bis Jahresende wahrscheinlich.

In Japan wird weiterhin mit einem nur schleppenden Zinsanhebungstempo gerechnet, wenngleich sowohl für 2007 als auch für 2008 von einem robusten BIP-Wachstum von rund 2,5 Prozent ausgegangen wird. "Sowohl der im Vergleich zur Eurozone wenig aggressive Zinsausblick als auch die daraus resultierenden Kreditaufnahmen, Stichwort Carry Trades, dürften dem Yen gegenüber dem Euro in den kommenden Monaten schaden", meint Brezinschek. Bis Dezember sollte sich die japanische Währung daher in Richtung Euro/Yen 170 abschwächen. "Unbedingt beachtet werden sollten jedoch vorübergehende Aufwertungsrisiken, ausgelöst durch die mögliche Rückabwicklung der Carry Trades, sowie die absehbare dauerhafte Aufwertung des Yen", gibt Brezinschek zu bedenken, der ein faires Euro/Yen-Verhältnis bei 120 sieht.

Auch der Schweizer Franken sollte – solange sich die Zinsdifferenz zur Eurozone nicht einengt – bis Jahreswechsel weiterhin schwach bleiben (Euro/Franken-Prognose für Dezember: 1,69). Erst wenn im kommenden Jahr der Zinshöhepunkt in der Eurozone erreicht sein wird, habe der Franken eine realistische Chance, gegenüber dem Euro nachhaltig aufzuwerten.

Steigende Renditen bei Euro-Staatsanleihen
Auf dem Euro-Rentenmarkt zeigen sich mit merklichen Renditeanstiegen erste Anpassungstendenzen an die zu erwartende Zinsentwicklung. Es sind nicht die Inflationsängste, sondern die nachhaltig verbesserten Konjunkturaussichten, die den Renditeanstieg in allen Laufzeiten ausgelöst haben. So liegt die reale Rendite (= nominelle Rendite von 4,6 Prozent abzüglich Inflationsrate von 1,9 Prozent) der zehnjährigen deutschen Bundesanleihe mit 2,7 Prozent deutlich über dem langfristigen realen BIP-Wachstum der Eurozone. "Über die Sommermonate dürfte uns eine Atempause gegönnt sein, bis Jahresende sehen wir aber eine Rendite für zehnjährige Anleihen von fünf Prozent durchaus als fairen Wert", erklärt Brezinschek. In Spitzen sei sogar mit noch höheren Werten zu rechnen.

Phase der Neuorientierung auf dem US-Aktienmarkt
Der Aufwärtstrend des US-Aktienmarktes scheint vorerst einmal unterbrochen zu sein. "Die Anleger sind gerade dabei, die veränderten Rahmenbedingungen – eine raschere und vermutlich auch stärkere Konjunkturerholung als ursprünglich erwartet, damit aber auch eine höhere Wahrscheinlichkeit von Zinsanhebungen anstelle der ursprünglich erwarteten -senkungen – in Bezug auf ihre Erwartungen in die Aktienmarkentwicklung neu zu bewerten", erklärt Helge Rechberger, Leiter der RZB Aktienmarktanalyse. "Anleger werden sich im heurigen Herbst allerdings durchaus noch mit der einen oder anderen zinsinduzierten Kursturbulenz arrangieren müssen." Nach dieser Orientierungsphase hat der US-Aktienmarkt nach Ansicht Rechbergers jedoch noch einiges Potenzial aufzuweisen. "Viele Argumente aus dem Umfeld des Marktes sprechen zudem für die Technologietitel der Nasdaq noch stärker als für den breiten Markt."

Konsumbelebung sorgt für gute Stimmung im Euroland
In der Eurozone zeichnet sich ein langfristiges Konjunkturhoch ab, nachdem im zweiten Halbjahr mit einer Belebung des privaten Konsums – neben den Investitionen und dem Export – auch die dritte Konjunktursäule ihre Wirkung entfalten sollte. Das sollte für ein Überwiegen der guten Marktstimmung sorgen.

"Für die kommenden Monate rechnen wir aufgrund von Zinsängsten zwar mit häufiger auftretenden temporären Kursrückschlägen, aber die auf Hochtouren laufende Konjunktur, die von uns erwartete starke Berichtsaison sowie eine gegenüber Anleihen noch immer vorteilhaftere Bewertung und nicht zuletzt die starke Liquidität sollten den europäischen Aktienmärkten auch in den nächsten Quartalen Kursanstiege bescheren", meint Rechberger.

Branchen: Soft landing der US-Konjunktur stützt zyklische Sektoren
Im Zuge der Branchenausrichtung lohnt es sich im bevorstehenden Quartal laut Rechberger auf zyklische Sektoren zu setzen. Mit einer Kaufempfehlung versehen sind dabei insbesondere die Sektoren IT (bedingt durch die gute Gewinnsituation bei historisch moderater Bewertung), zyklischer Konsum (höhere Beschäftigung und höhere Einkommen beleben Konsum), Industrie (Konjunkturerholung in den USA und stärkere Investitionstätigkeit der privaten Unternehmen), Versorger (latente M&A-Phantasie) und Grundstoffe (gestiegene Rohstoffpreise und anhaltend hohe M&A-Aktivität). Als weniger attraktiv eingestuft werden derzeit hingegen der Energie- und der Finanzsektor, Telekom, Gesundheit und Werte des defensiven Konsums.

Asset Allocation: Unternehmensanteile klar bevorzugt
Die vergangenen Monate waren geprägt von starken Aktienmärkten, die selbst durch schwache US-Daten oder kurzfristige Kursstürze in China nicht wirklich aus der Ruhe zu bringen waren.
"Fundamental betrachtet präsentieren sich die etablierten Aktienmärkte nach wie vor in einem guten Licht", fasst Brezinschek zusammen. "Auch wenn die Dividendenpapiere nicht mehr so günstig zu haben sind, so sind sie historisch betrachtet noch immer niedrig bewertet. Zudem ist der Renditevorteil von Aktien gegenüber Anleihen auch nach der jüngsten Renditerallye gegeben." Unter Einbeziehung der konjunkturellen Rahmenbedingungen und des erwarteten Gewinnwachstums der Unternehmen blieben somit kaum noch Argumente, die für Anleihen sprechen würden.

Die beiden RZB-Experten legen daher im dritten Quartal 2007 mit 56 Prozent den Fokus auf Aktien – zulasten von Anleihen, die mit 39 Prozent deutlich untergewichtet werden. Der Bereich der Alternative Investments bleibt mit fünf Prozent benchmarkneutral gewichtet.

Die aussichtsreichste Position im Aktiensegment nehmen im kommenden Quartal der Euroraum sowie Werte aus CEE ein. Beide werden im RZB-Musterportfolio daher entsprechend übergewichtet. Dem Risiko einer höheren Volatilität auf dem amerikanischen Aktienmarkt wird hingegen mit einer Untergewichtung von US-Werten Rechnung getragen. Relativ schwächer wird auch der japanische Markt eingeschätzt.

Im Segment der festverzinslichen Wertpapiere knüpft Brezinschek die höchsten Ertragserwartungen an Unternehmensanleihen. Das gilt für Investment Grades ebenso wie für High Yields. "Insbesondere im Bereich der High Yield Bonds stimmt der Ausblick auf noch tiefere Spreadstände optimistisch." Dementsprechend werden nicht nur Euro Investment Grades, sondern auch Euro High Yields übergewichtet. Bei Staatspapieren liegt das Augenmerk auf Anleihen aus CEE (Euro und Lokalwährung) sowie dem Euroraum.
 
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