Verfassungsausschuss macht Weg frei für Handy-TV   

erstellt am
03. 07. 07

ORF darf zwei Programme anbieten, dafür aber keine Gebühren verwenden
Wien (pk) – Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Veranstaltung und Verbreitung von mobilem terrestrischem Fernsehen können vom Nationalrat noch vor der Sommerpause beschlossen werden. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats billigte in seiner Sitzung vom 03.07. einstimmig einen entsprechenden Gesetzentwurf der Regierung. Allerdings wurden von den Koalitionsparteien mittels eines Abänderungsantrags noch einige Adaptierungen vorgenommen. Insbesonders wurde präzisiert, dass sich eines der beiden dem ORF zugestandenen Handy-TV-Programme auf das Angebot von TW1 – Tourismus, Wetter und Reise, gegebenenfalls künftig ergänzt um Information – beschränken muss. Die Bestimmung, dass für Handy-Fernsehen des ORF keine Rundfunkgebühren herangezogen werden dürfen, blieb bestehen.

In Form einer mit S-V-Mehrheit angenommenen Ausschussfeststellung spricht sich der Verfassungsausschuss darüber hinaus dafür aus, möglichst rasch ein Konzept für eine unabhängige Medienbehörde zu erstellen. Überdies wollen die Koalitionsparteien TW1 ehestmöglich zu einem öffentlich rechtlich finanzierten Spartenkanal umwandeln, dessen Programm vor allem Information, Kultur und Wissenschaft umfassen soll.

Im Rahmen der Ausschussberatungen hoben sowohl ÖVP-Mediensprecher Franz Morak als auch die zuständige Ministerin Doris Bures hervor, dass der vorliegende Gesetzentwurf die Interessen aller Marktteilnehmer berücksichtige. Entgegen dem ursprünglichen Begutachtungsentwurf sei der ORF nun nicht mehr bevorzugt, meinte Morak, vielmehr gebe es einen Interessenausgleich zwischen öffentlich-rechtlichem Rundfunk, Privatanbietern und Netzbetreibern. Auch gegenüber Urhebern sieht er mehr Fairness. Das Gesetz werde den Praxistest noch bestehen müssen, sagte Morak, nach heutigem Wissensstand enthalte es aber brauchbare Regelungen und sei eine Chance für das duale System.

Ministerin Bures hielt fest, Österreich nehme mit dem Gesetzentwurf europaweit eine Vorreiterrolle ein. Sie betonte, dass nicht nur ein Interessenausgleich zwischen allen Marktbeteiligten gefunden worden sei, sondern auch die Interessen der KonsumentInnen und des Jugendschutzes in den Gesetzestext eingeflossen seien. Bures zufolge könnte die EURO 2008 eine Antriebsfeder sein, um Handy-TV zu implementieren.

Klargestellt wurde von Bures, dass für Handy-TV keine ORF-Gebühren zu bezahlen sein werden. Zu den Werbezeitregelungen merkte sie an, da für das Programm keine Gebühren verwendet werden dürften, müsse es sich wirtschaftlich rechnen.

Zuvor hatte sich Grün-Abgeordneter Dieter Brosz kritisch zur erlaubten 10%-igen Werbezeit für den ORF geäußert. Generell konstatierte er, seine Fraktion halte die vorgeschlagenen Regelungen für einen gangbaren Weg, es sei allerdings notwendig, die Marktverhältnisse zu beobachten.

Abgeordnete Elisabeth Hlavac (S) hob als positiv hervor, dass durch Handy-TV neue Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Durch das Basispaket ist ihr zufolge überdies garantiert, dass die Kosten insbesondere auch für Jugendliche und deren Eltern kalkulierbar blieben.

Abgeordneter Sigisbert Dolinschek (B) sprach sich für ein generelles Überdenken der ORF-Gebühren aus. Seiner Meinung nach sollten FernsehzuschauerInnen, die das ORF-Programm nicht nutzen, auch keine Gebühren zahlen müssen.

Kein Verständnis zeigten die drei Oppositionsparteien für die Ausschussfeststellung. Eine Ausschussfeststellung habe in der Regel den Sinn, Gesetzespassagen zu interpretieren, meinte etwa Abgeordneter Brosz, sie sei jedenfalls nicht dazu da, Verhandlungen der Koalitionsparteien sicherzustellen. Brosz drängte darauf, die Opposition in die Gespräche über die Einrichtung einer unabhängigen Medienbehörde einzubinden. Ähnlich äußerten sich die Abgeordneten Dolinschek (B) und Robert Aspöck (F).

ÖVP-Mediensprecher Morak begründete die Ausschussfeststellung mit der Bedeutung, die die Einrichtung einer unabhängigen Medienbehörde habe. Man könne dieses Thema nicht wichtig genug nehmen, sagte er. Ministerin Bures hielt fest, es stehe außer Zweifel, dass Österreich eine Medienbehörde brauche, die europäischen Standards entspreche.

Die Regierungsvorlage wurde von den Abgeordneten unter Berücksichtigung des S-V-Abänderungsantrags einstimmig gebilligt.

Unter mobilem terrestrischen Fernsehen sind spezielle Fernsehprogramme für Mobiltelefone bzw. andere mobile Endgeräte zu verstehen, die eine geringe Auflösung haben, an die Bildschirmgröße solcher Geräte angepasst sind und deren Übertragungsstandard einen möglichst stromsparenden Empfang ermöglicht. Als Übertragungsstandard kommen hier – anstelle von DVB-T – zum Beispiel DVB-H oder DMB in Frage.

Übertragen werden sollen die Programme über so genannte Multiplex-Plattformen, wobei es gemäß Erläuterungen zum Gesetzentwurf technisch möglich sein wird, über eine Multiplex-Plattform 10 bis 20 Handy-TV-Programme und mehr auszustrahlen. Die Entscheidung über den Plattform-Betreiber obliegt der Regulierungsbehörde RTR, wobei jenen Bewerbern der Vorzug einzuräumen ist, die das konsumentenfreundlichste Konzept haben. Entsprechende Kriterien sind etwa ein hoher Versorgungsgrad, ein möglichst vielfältiges Programm, die ausreichende Versorgung mit Endgeräten und günstige Preise für den Empfang der Programme. Der notwendigen Einbindung von Handybetreibern in die Verbreitung von mobilem terrestrischem Fernsehen trägt der Gesetzentwurf durch die gesetzliche Verankerung von so genannten "Programmaggregatoren" Rechnung.

Betreibern von Multiplex-Plattformen wird es auch erlaubt sein, verschlüsselte Programme auszustrahlen, die einzelne Mobilfunkbetreiber als spezielles Programmpaket anbieten können ("Premium Content"). Mindestens die Hälfte der Übertragungskapazität (Datenrate) muss jedoch für Programme reserviert sein, die unabhängig vom Programmaggregator allen Empfängern (Abonnenten) zur Verfügung stehen ("Basispaket"). Nur bei zu geringer Nachfrage kann die Datenrate für das Basispaket auf bis zu 30 % herabgesetzt werden.

Der ORF erhält durch eine Änderung des ORF-Gesetzes die ausdrückliche Erlaubnis, bis zu zwei Handy-TV-Programme anzubieten, wobei sich eines dieser Programme auf das Angebot von TW1 beschränken muss. Die Heranziehung von Rundfunkgebühren für Handy-Fernsehen ist nicht gestattet. Die Einhaltung der ausschließlich für den ORF auferlegten Werbebeschränken – 10 % der täglichen Sendezeit – wird von der KommAustria kontrolliert.

Mit einem Testbetrieb für mobiles terrestrisches Fernsehen wurde laut Erläuterungen zum Gesetzentwurf im März 2007 begonnen.
 
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