Kardinal Christoph Schönborn zur Erklärung der vatikanischen Glaubenskongregation  

erstellt am
11. 07. 07

Wien (kath.net / PEW) - Kardinal Christoph Schönborn hat in einem „kurzen Kommentar“ zur am 10.07. veröffentlichten Erklärung der Glaubenskongregation („Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“) Stellung genommen.

„Die christlichen Kirchen“ - wir sind an diese Pluralform gewöhnt. Es gibt in Österreich einen „Ökumenischen Rat der christlichen Kirchen“, in dem 14 christliche Kirchen ihre Gemeinsamkeit zu leben und zu bezeugen versuchen. Und doch heißt es im Glaubensbekenntnis, im „Credo“: „Ich glaube an die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche“.

Wo ist sie, die „eine“ Kirche? Nur am Zielpunkt? Am Ende der irdischen Pilgerschaft der Geschichte? Das Zweite Vatikanische Konzil hat hier eine Antwort versucht, die seither nicht zu einem Ende der Debatte, sondern eher zu einer nicht enden wollenden Diskussion geführt hat.

In seiner Kirchenkonstitution („Lumen gentium“) sagt das Konzil: Die Kirche, die Jesus Christus gewollt und gestiftet hat, „diese Kirche, in dieser Welt als Gesellschaft verfasst und geordnet, subsistiert in der katholischen Kirche, die vom Nachfolger des Petrus und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird“.

Was heißt „subsistiert“? Der große Konzilstheologe Gerard Philips hatte gewarnt, Ströme von Tinte würden wegen dieses Ausdrucks fließen. Sie tun es bis heute. Denn die Sache selbst ist komplex und lässt sich nicht in eingängige Schlagworte fassen.

Ich habe als Redaktionssekretär des „Katechismus der Katholischen Kirche“ (KKK) selber erlebt, wie viele Debatten es beim Erarbeiten dieses Glaubensbuches der katholischen Kirche zu dieser Frage gab. Das Resultat war, so glaube ich, eine klare und verständliche Darlegung der Lehre des Konzils (vgl. die Nummern 813 bis 822 des KKK).

Die Debatte ging freilich weiter. Die Erklärung „Dominus Jesus“ aus dem Jahr 2000 hat zu heftigen Vorwürfen geführt, vor allem die Aussage in Nr. 17 dieser Erklärung, den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen sei der Titel „Kirchen“ vom Zweiten Vatikanischen Konzil deshalb nicht zugeschrieben worden, weil sie „nicht Kirchen im eigentlichen Sinn“ seien und deshalb vom Konzil und den ihm nachfolgenden Dokumenten als „kirchliche Gemeinschaften“ bezeichnet würden.

Im jetzt veröffentlichten Dokument wird auf diese Frage klärend Bezug genommen. Es habe verschiedene Anfragen über die Bedeutung dieser Aussage gegeben. Ich selber habe als Mitglied der Glaubenskongregation die Frage gestellt, ob dieser Satz in „Dominus Jesus“ die Lehre des Konzils getreu wiedergebe. Die jetzt veröffentlichte Erklärung betrachte ich als eine befriedigende Antwort auf meine damalige Anfrage.

Der Kern der Frage war und ist: Was macht „Kirche“ aus? Die katholische Antwort war und ist: die Fülle der „Heilsmittel die Christus seiner Gemeinschaft anvertraut hat. Dazu gehören wesentlich: die apostolische Sukzession und die Eucharistie. Beide sind in den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen nicht im vollen Sinn gewahrt geblieben.

Sie sind deshalb auch nicht im vollen Sinne als „Kirchen“ zu bezeichnen, wie dies etwa für die orthodoxen Schwesterkirchen gilt, die das Bischofsamt in der Nachfolge der Apostel und die Eucharistie ganz bewahrt haben.

Sind dann die evangelischen Kirchen nicht „Kirchen“? Im staatlichen, zivilen Sinne sicher. So werden sie auch bezeichnet. Im Sinne der Lehre des Konzils? Ich erinnere hier an einen zu wenig bewussten und bekannten Punkt: Für nicht wenige Vertreter unserer orthodoxen Schwesterkirchen ist es bis heute so, dass sie sich schwer tun, überhaupt die christliche Taufe der anderen Kirchen anzuerkennen.

Für manche Mönche vom Berg Athos sind die anderen „Kirchen“ überhaupt nicht anerkennbar. Sie vertreten einen Standpunkt, den auch früher manche katholische Theologen vertreten haben: Außerhalb der orthodoxen, rechtgläubigen Kirche gibt es keinerlei Kirchlichkeit. Hier gilt ein „Alles oder Nichts“-Prinzip.

Mit dem Zweiten Vaticanum hat die katholische Glaubenslehre einen entscheidenden Schritt der Klärung getan: „Kirche“ existiert konkret. Sie ist keine abstrakte Idee. Sie ist dort, wo Petrus ist, wo sein Nachfolger die Herde Christi leitet. Sie ist dort, wo in der Gemeinschaft mit ihm und den rechtmäßigen Bischöfen die Eucharistie gefeiert wird. Deshalb sagt das Konzil, sie sei „verwirklicht“ („subsistit“) in der katholischen Kirche.

Aber außerhalb ihres „sichtbaren Gefüges“ gebe es eine Fülle an „Elementen der Heiligung und Wahrheit“, die wirklich zur Kirche Jesu Christi gehören. Wo immer diese Elemente zu finden sind, dort sind Elemente der Kirche, wenn auch die Kirche nicht voll verwirklicht ist.

Deshalb, so heißt es in dem neuen Papier aus Rom, gelte, dass „diese (aus der Reformation hervorgegangenen) Gemeinschaften selbst - wegen der verschiedenen Elemente der Heiligung und der Wahrheit, die in ihnen wirklich vorhanden sind - zweifellos einen kirchlichen Charakter und einen daraus folgenden Heilswert haben“.

Auf diese Klarstellung habe ich gehofft. Sie ist erfolgt, und sie ist meines Erachtens eine klare Darlegung dessen, was das Konzil gelehrt hat. Hier ist die Grundlage der Ökumene, wie sie das Konzil gewollt hat, ohne Verwischen der Unterschiede, in Achtung vor dem jeweils eigenen Verständnis des anderen und in der notwendigen Offenheit, das Wirken des Geistes Gottes wahrnehmen zu können, wo immer es sich zeigt.

Heißt das „Schluss der Debatte“? Sicher nicht. Denn alle diese Fragen, so wichtig sie sind, haben nur dann einen Sinn, wenn sie in die größere und um vieles drängendere Frage münden: Wie können wir alle, die wir den Namen Christi tragen und Christen genannt werden, Seinem Auftrag gerecht werden, allen Völkern, allen Menschen Zeugnis von Ihm zu geben? Und dazu tut es Not, dass wir, wie Er gebetet hat, „eins seien“.

Siehe auch: http://www.oe-journal.at/Aktuelles/!2007/0707/W2/41107epdOe.htm
 
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