Vor 75 Jahren wurde Theodor Innitzer zum Wiener Erzbischof ernannt  

erstellt am
20. 08. 07

Wien (stephanscom.at) - Vor 75 Jahren - am 19. August 1932 - wurde Theodor Innitzer von Papst Pius XI. zum Wiener Erzbischof und Nachfolger des verstorbenen Kardinals Gustav Piffl ernannt. Im Mai 1933 wurde Innitzer zum Kardinal kreiert.

Theodor Innitzer wurde am 25. Dezember 1875 in Nove Zvolani (Neugeschrei) bei Vejprty (Weipert) im böhmischen Erzgebirge als Sohn eines Fabriksarbeiters geboren. Nach der Pflichtschule war er zunächst Lehrling in einer Textilfabrik. Schließlich konnte er doch das Gymnasium in Kadan (Kaaden) besuchen, wo er 1898 die Matura ablegte. Anschließend studierte Innitzer in Wien Theologie. Am 25. Juli 1902 er zum Priester geweiht.

Nach seiner Promotion im Jahr 1908 schlug Innitzer eine wissenschaftliche Karriere ein. 1913 übernahm er die Lehrkanzel für neutestamentliche Exegese an der Wiener Katholisch-theologischen Universität. 1928/1929 war er Rektor der Universität Wien - der einzige Rektor jener Zeitspanne, der die jüdischen Studenten aktiv gegen den deutschnationalen Terror der "scharf schlagenden Verbindungen" schützte. 1929/1930 gehörte er als Sozialminister dem Kabinett von Bundeskanzler Johann Schober an.

Nicht nur Innitzer, sondern der gesamte österreichische Episkopat standen der autoritären Umgestaltung der Republik in einen "Ständestaat" durch Bundeskanzler Engelbert Dollfuß insgesamt wohlwollend gegenüber. Viele meinten, die Idee der "berufsständischen Ordnung" könne sich auf die päpstliche Sozialenzyklika "Quadragesimo anno" (1931) berufen. Dollfuß hatte zudem noch in der vorautoritären parlamentarischen Zeit mit dem Heiligen Stuhl das österreichische Konkordat ausverhandelt, was ihm beim Episkopat Gutpunkte einbrachte.

Nach dem "Anschluss" und dem deutschen Einmarsch hegte Innitzer zunächst die Illusion, dass es möglich sein werde, zu einem "Ausgleich" mit dem NS-Regime zu kommen. Am 15. März 1938 stattete der Kardinal Hitler einen Höflichkeitsbesuch ab. Wenige Tage später unterzeichneten Innitzer und der Episkopat eine "Feierliche Erklärung", in der die Bischöfe die "Verdienste" der NS-Politik würdigten. Den Österreichern wurde zur "nationalen Pflicht" gemacht, bei der anstehenden Volksabstimmung für den "Anschluss" zu votieren. "Spin doctor" dieser Erklärung war der brutale NS-Gauleiter Josef Bürckel, ein Lehrer aus der Pfalz und schwerer Alkoholiker. Ein katholischer NS-Aktivist und Bürckel-Vertrauensmann mit dem sprechenden Namen Josef Himmelreich veranlasste den Kardinal, handschriftlich ein "Heil Hitler" hinzuzufügen. Das Faksimile wurde von den "public relations"-erfahrenen Nationalsozialisten überall in Österreich und Deutschland plakatiert. Unmittelbar danach musste Innitzer nach Rom fliegen, weil Pius XI. auf einer "Klarstellung" bestand, die im "Osservatore Romano" veröffentlicht wurde. Kardinal-Staatssekretär Eugenio Pacelli, der spätere Papst Pius XII., hatte ein vernichtendes Urteil über die "cose Austriache" abgegeben.

Die Hoffnung auf einen "Ausgleich" erfüllte sich nicht; die ns-deutschen Behörden erklärten, dass Österreich - wie ebenso bereits zuvor das Saarland - ein "konkordatsfreier Raum" sei, weil das deutsche Reichskonkordat nur für das "Deutsche Reich" in den Grenzen von 1933 Geltung habe. Alle katholischen Organisationen wurden aufgelöst, ein Großteil des kirchlichen Eigentums wurde beschlagnahmt, führende katholische Funktionäre verhaftet.

Die Bischofskonferenz entschied am 19. August 1938, die ins Auge gefasste Unterzeichnung eines Vertrags mit den Machthabern abzublasen. Damit standen die Zeichen auf Sturm. Der sollte nach der Rosenkranz-Feier der jungen Katholiken im Stephansdom am 7. Oktober 1938 losbrechen. Mit mehr als 7.000 Teilnehmern war die Feier die größte Manifestation des geistigen Widerstands gegen das NS-Regime im ganzen so genannten "Großdeutschen Reich". Die Wiener NS-Funktionäre schäumten, als die jungen Katholiken bewusst die Lieblingsparolen der Nationalsozialisten parodierten: "Lieber Bischof, sei so nett, zeige dich am Fensterbrett". Aber auch Kardinal Innitzer hatte im Dom unmissverständlich gesagt: "Nur einer ist euer Führer: Christus". Am darauf folgenden 8. Oktober stürmten HJ- und SA-Trupps das Erzbischöfliche Palais und das Curhaus. Kardinal Innitzer konnte im letzten Moment in Sicherheit gebracht werden, das Palais wurde total verwüstet; ein von HJ-Dolchen durchbohrtes Christusbild erinnert noch heute an die dämonische Szene. Der Wiener nationalsozialistische Polizeipräsident saß am Stephansplatz im Kaffeehaus und schaute auf die Uhr, um zu kontrollieren, ob die NS-Rabauken den mit der Gauleitung vereinbarten "Zeitraum für den deutschen Volkszorn" einhielten.

"Hilfsstelle für nichtarische Katholiken"

Ein großes Verdienst Innitzers war die Einrichtung der "Hilfsstelle für nichtarische Katholiken". Sie kümmerte sich zunächst um die vielen Wiener Katholiken jüdischer Herkunft, die plötzlich völlig entrechtet waren, später aber auch um jüdische Menschen unterschiedlicher Konfession. Der "Stall" im dritten Hof des Erzbischöflichen Palais war für viele Katholiken jüdischer Herkunft in den düsteren Jahren des Zweiten Weltkriegs der einzige Ort in Wien, an dem sie frei atmen konnten. Als ab September 1941 viele Menschen, die den "Judenstern" tragen mussten, Hilfe suchend im Erzbischöflichen Palais ein- und ausgingen, mehrten sich die "kritischen Stimmen", die eine Verlegung der Hilfsstelle wünschten. Doch der Kardinal entgegnete stets: "Die Hilfsstelle bleibt, und wenn sie mir nochmals das Palais stürmen und zerstören, will ich das gerne auf mich nehmen". Gertrud Steinitz-Metzler, eine der Mitarbeiterinnen der "Hilfsstelle", hat diesem Werk christlicher Nächstenliebe in ihrem Buch "Heimführen will ich euch von überall her" ein bewegendes Denkmal gesetzt.

Ab 1945 standen für Innitzer die praktischen Fragen des Überlebens und des Wiederaufbaus im Zentrum. Kardinal Innitzer starb am 9. Oktober 1955 in Wien und wurde unter großer Teilnahme der Bevölkerung im Stephansdom beigesetzt.
 
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