Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik der EU  

erstellt am
29. 08. 07

Wien (wifo) - Mit der fünften Erweiterung in den Jahren 2004 und 2007 ist die EU auf 27 Mitgliedsländer angewachsen. Der Prozess der stetigen Erweiterung deutet zwar auf eine – zumindest ökonomisch betrachtet – zunehmende Attraktivität der EU hin. Andererseits ist damit die "Europamüdigkeit" der Bevölkerung gestiegen. Die letzte Erweiterung um vorwiegend osteuropäische Staaten hat hauptsächlich politische Motive: Sie trägt zur politischen Stabilität Europas bei. Dasselbe wird für die künftige Aufnahme der anderen Balkanstaaten gelten. Im Falle der Türkei sind die Meinungen in Europa gespalten. Wenn der Prozess der Erweiterung in dieser Form anhält, ist eine EU der 40 Länder langfristig durchaus vorstellbar. Als Alternative zu einer künftigen Erweiterungsstrategie verfolgt die EU die Europäische Nachbarschafts- und Mittelmeerpolitik. Darüber hinaus unterhält die EU vielfältige Handelsbeziehungen mit allen Regionen der Welt.

Neben der reinen Erweiterungspolitik verfolgt die EU mit der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) eine alternative Strategie, um die Nachbarländer politisch und ökonomisch an die EU zu binden, ohne sie integrieren zu müssen. Nach der großen EU-Erweiterung 2004 und 2007 werden weitgehend sicher die anderen Länder des Westbalkans beitreten. Das vorrangige Ziel ist hier die politische Stabilisierung dieser Region. Am schwierigsten erscheint derzeit die Integration der Türkei; die 2005 begonnenen Beitrittsverhandlungen gerieten aus mehreren Gründen (Zypernfrage, Ablehnung durch einige Länder der EU 15) ins Stocken. Grundsätzlich billigt die EU zwar jedem "europäischen" Land das Recht zu, einen Antrag auf Mitgliedschaft zu stellen; sie hat aber mit den Kopenhagener Beitrittskriterien (institutionelle Stabilität, funktionsfähige Marktwirtschaft und Fähigkeit, alle Pflichten der Mitgliedschaft zu übernehmen, auf der Seite des Beitrittslandes, Aufnahmefähigkeit auf der Seite der Union) genügend Spielraum, um nicht jedes Land aufnehmen zu müssen. Wenn der Prozess der Erweiterung in dieser Form anhält, ist eine EU der 40 Länder langfristig durchaus vorstellbar.

Obwohl die europäische Integration von Anfang an ein "Friedensprojekt" war, hatten die ersten vier Erweiterungen (zwischen 1973 und 1995) hauptsächlich ökonomische Motive. Die große (fünfte) EU-Erweiterung von 2004 und 2007 war dagegen ein vorrangig politisch motivierter Schritt, um die Teilung Europas zu beenden. Angesichts der großen Einkommensunterschiede zwischen West- und Osteuropa bedeutet sie entsprechende wirtschaftliche Probleme. Für viele Unternehmen aus Westeuropa eröffneten sich dadurch neue Expansionschancen, dennoch wird dieser politisch wohl begründete Integrationsschritt vielfach als eine kostspielige "Entwicklungshilfepolitik" empfunden und von der Bevölkerung der EU 15 teilweise mit Skepsis betrachtet.

Die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP) wurde im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung im Jahr 2004 als Alternative für künftige Erweiterungen entwickelt. Ihr Ziel ist es, die Entstehung neuer Trennlinien zwischen der erweiterten EU und den Nachbarländern zu verhindern und stattdessen Wohlstand, Stabilität und Sicherheit aller Beteiligten zu stärken. Das Konzept der ENP ("A Ring of Friends") wurde erstmals im Dezember 2002 in Brüssel vom damaligen Kommissionspräsidenten Romano Prodi vorgestellt. Die ENP umfasst die 16 unmittelbaren Nachbarländer der EU; die Beziehungen zu Russland werden im Rahmen einer Strategischen Partnerschaft entwickelt, die vier "gemeinsame Räume" umfasst (Gemeinsamer Wirtschaftsraum, Gemeinsamer Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, Gemeinsamer Raum der äußeren Sicherheit, Gemeinsamer Raum der Forschung, Bildung und Kultur).

Zugleich verfolgt die EU im Rahmen des seit November 1995 laufenden Barcelona-Prozesses eine Mittelmeerpolitik, um 10 Mittelmeerländer (in Nordafrika, aber auch Israel, Jordanien, der Libanon sowie die Palästinensische Autonomiebehörde) handelspolitisch in die EU einzubinden.

Die EU unterhält darüber hinaus vielfältige Handelsbeziehungen zu allen Regionen der Welt: einerseits zu den früheren Kolonien der Mitgliedsländer in Afrika, der Karibik und im Pazifik (AKP-Staaten), andererseits zu Entwicklungsländern. Freihandelsabkommen mit Staaten oder Integrationsgemeinschaften in Lateinamerika, Südafrika und Asien bestehen oder sind geplant. Die zahlreichen Freihandelsabkommen mit dem Balkan werden durch ein einziges Freihandelsabkommen der EU mit der Freihandelszone CEFTA-neu ersetzt: CEFTA-neu (Central European Free Trade Agreement) umfasst 7 Balkanstaaten und Moldawien und bildet so eine einheitliche Freihandelszone auf dem Balkan. Die Ausweitung der bilateralen Handelsaktivitäten der EU mit dieser Region wird auch das Wirtschaftswachstum in diesem Raum stimulieren.

Quelle: WIFO, Autor: Fritz Breuss
 
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