Verfassungsreform  

erstellt am
14. 09. 07

Berger: Mit 1. November durch Justiz-Ombudsstellen zu mehr Bürgernähe
Zu Verfassungsreform: "Entwurf ist stark verbesserungsbedürftig"
Wien (sk) - Als "stark verbesserungsbedürftig" bezeichnete Justizministerin Maria Berger den vorliegenden Entwurf zur Verfassungsreform. Während Berger die Konstruktion des Justizanwalts als "komplett untauglich" erachtet, freut sie sich, ankündigen zu können, dass ab November Justiz-Ombudsstellen als Beschwerdeeinrichtung an Gerichten zur Verfügung stehen. "Ich glaube, wir können durch die Justiz-Ombudsstellen ein besseres und bürgernäheres Instrument zur Verfügung stellen." Neben den Regelungen zum Justizanwalt, kritisierte Berger am Entwurf zur Verfassungsreform den zur Kontrolle der Staatsanwaltschaft vorgesehenen ständigen Unterausschuss des Justizausschusses, die Abschaffung des Richterdrittels bei der Zusammensetzung des Verwaltungsgerichtshofs und das Hineintragen der in Gesetzgebung und Verwaltung bestehenden Zersplitterung in die Gerichtsbarkeit. Berger wies darauf hin, dass sie weder aus der eigenen Partei, noch vom Koalitionspartner - etwa ÖVP-Justizsprecher Donnerbauer - Positives zum Entwurf gehört habe.

Die Ombudsstellen werden unabhängige justizinterne Beschwerdestellen sein, die unbürokratisch rasches Beschwerdemanagement leisten sollen. "In Umsetzung des Regierungseinkommens haben wir die Vorbereitungen dafür getroffen, dass wir ab erstem November an allen Oberlandesgerichten unabhängige justizinterne Ombudsstellen einrichten werden", so Berger. "Diese Ombudsstellen setzen sich aus erfahrenen Richtern zusammen, die - und das ist uns wichtig - für Personen, die Beschwerden haben, direkt ansprechbar sind", konkretisierte Berger. Angesiedelt sind die Ombudsstellen bei den Oberlandesgerichten. Mittelfristig soll es an allen Gerichten Sprechtage der Ombudsstellen geben.

Grundsätzlich leite die österreichische Justiz hervorragende Arbeit. Was die Wirtschaftlichkeit, die Effizienz und die Verfahrensdauer betrifft, liege Österreich europaweit an der Spitze. Umso überraschender sei es, dass beim Entwurf zur Verfassungsreform das Misstrauen in die Justiz "wie ein roter Faden durchgeht". So sei der geplante externe Justizanwalt in der Lage, in schwebende Verfahren einzugreifen, wodurch die Prinzipien der Gerichtsbarkeit verwässert werden. Mit dem Vorschlag eines ständigen Unterausschusses zur Kontrolle der Gerichtsbarkeit werde die Staatsanwaltschaft mit Geheimdiensten gleichgestellt, da eine Analogie zu den Unterausschüssen für die Geheimdienste erfolgen soll.


Gefahr einer "Justiz light" besteht
In den geplanten Neuerungen zur Verwaltungsgerichtsbarkeit sieht Berger die Gefahr einer "Justiz zweiter Klasse, einer Art 'Justiz light'". Die Tätigkeit im Verwaltungsgericht soll auch mit niedrigerer Qualifikation möglich sein. So sei dafür kein abgeschlossenes rechtswissenschaftliches Studium nötig. "Wo Gericht draußen steht, sollen echte Richter arbeiten", betonte Berger.

Des weiteren kommt es zu einer Aufteilung der Gerichtsbarkeit zwischen Bund und Ländern. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit würde von der ordentlichen Gerichtsbarkeit getrennt. Wenn eine Verwaltungsbehörde des Landes entscheidet, wäre in zweiter Instanz das Verwaltungsgericht dieses Landes zuständig. "Durch diese Konstruktion wird das Ziel der Vereinfachung und Einsparung nicht erreicht", so Berger. Es bestehe die Gefahr, dass es künftig 11 verschiedene Verwaltungsgerichte mit 11 unterschiedlichen Standards bei Gerichtsbarkeit, Dienstrechten, Verfahrensordnungen, Gerichtsorganisation, Ausbildung und Berufsethos gibt.

 

Spindelegger: Wichtiger Schritt zum Ausbau des Rechtsschutzes
Bundesvergabeamt hat wichtige volkswirtschaftliche Komponente
Wien (övp-pk) - Der zweite Präsident des Nationalrates Dr. Michael Spindelegger unterstrich am 14.09. in einem Vortrag im Bundesvergabeamt die Notwendigkeit einer weitgehenden Verfassungsreform. Als wichtige Elemente derselben nannte er den Ausbau des Rechtsschutzes, die systematische Zusammenfassung verfassungsrechtlicher Bestimmungen und die Anpassung an eine verständliche Gesetzessprache. Die bisherige Tätigkeit der Expertengruppe, die auf dem Ergebnis des Österreich-Konventes aufbaut, lobte der ÖVP-Verfassungssprecher als "fruchtbringend": "Erstmals werden konkrete Textvorschläge zur Diskussion gestellt."

Die Zusammenfassung von vielen Sonderbehörden in ein Bundesverwaltungsgericht erster Instanz sei zweckmäßig, betonte der ÖVP-Fraktionsführer im Verfassungsausschuss. Das derzeit laufende Begutachtungsverfahren werde jedoch sicherlich wertvolle Hinweise liefern, wo noch Probleme auftreten könnten. "Die Qualität dieses neuen Bundesverwaltungsgerichtes erster Instanz muss sich aber jedenfalls an den best funktionierenden damit umfassten Behörden orientieren."

Dazu gehöre zweifelsohne das Bundesvergabeamt, welches Spindelegger als "Musterbehörde" bezeichnete: "Die Einhaltung der gesetzlichen Entscheidungsfristen von sechs Wochen, die Transparenz über Internet und virtuelle Amtstafel, die vielfache Bestätigung der Entscheidungen des Bundesvergabeamtes durch den Verwaltungs- und den Verfassungsgerichtshof sprechen für sich." Der Forderung nach Ausschüttung von Prämien, die sich an der Anzahl von Entscheidungen orientiert, erteilte Spindelegger eine klare Absage. Abschließend erwähnte Spindelegger die volkswirtschaftliche Komponente - immerhin wurden Beschaffungen über 1,7 Milliarden Euro von den "Vergabewächtern" überprüft: "Diese Leistung ist enorm, in der Öffentlichkeit allerdings wenig bekannt."

 

Richterbestellungen für Landesverwaltungsgerichtshöfe zementieren parteipolitischen Einfluss ein
Große Koalition gebärdet sich, als wäre Verfassungsreform schon beschlossen
Wien (fpö) - "Die FPÖ lehnt nach wie vor den Bestellmodus der Richter für die neu zu schaffenden Landesverwaltungsgerichtshöfe entschieden ab. Von einem Ausbau des Rechtschutzes, wie VP-Nationalratspräsident Spindelegger heute behauptete, kann keine Rede sein. Im Gegenteil, gerade im Falle der Landesverwaltungsgerichtshöfe kommt es zu einer Gefährdung des Rechtsschutzes", sagten die FPÖ-Mitglieder des Verfassungsausschusses NAbg. Dr. Robert Aspöck und NAbg. Dr. Manfred Haimbuchner.

"Da der Bundespräsident auf Vorschlag der Landesregierungen die Richter für die neuen Gerichtshöfe ernennen soll, ist für die große Koalition sichergestellt, dass nur rote und schwarze Richter berufen werden, welche es gewohnt sind dem Landeshauptmann nicht zu widersprechen. Dies kommt einer Einzementierung der großkoalitionären Aufteilung der Republik gleich. Die einzige Ausnahme Kärnten wird der Demokratiepolitik auch nicht dienlich sein, sondern lediglich für orange Tupfer auf der rot-schwarzen Landkarte sorgen", so die Abgeordneten weiter.

"Es besteht durchaus die Notwendigkeit den Verwaltungsgerichtshof zu entlasten, jedoch sollte das Augenmerk hierbei auf Einsparungen und Verwaltungseffizienz gelegt werden. Eine alternative Möglichkeit wäre die Installierung von Landessenaten, welche vom Verwaltungsgerichtshof organisiert und von den Ländern finanziert werden. Damit wären Rechtssicherheit - frei von parteipolitischer Einflussnahme, Unabhängigkeit der Justiz und Kostenersparnis sichergestellt und der eigentliche Zweck der Reform, den Verwaltungsgerichtshof zu entlasten, erreicht", beschreiben die FPÖ-Abgeordneten die möglichen Alternativen.

Die große Koalition gebärde sich im Moment, als wäre die Reform bereits so gut wie beschlossen. Das beweise, dass die Große Koalition, ebenso wie bei der Wahlrechtsreform und der lächerlichen Verfassungsänderung bezüglich des Vertretungsrechts durch Staatssekretäre, auf Vorschläge der Opposition nicht eingehe und ihre Zweidrittelmehrheit einfach dazu missbrauchen würde, ihre Macht auszubauen.

 

LTP Halder fordert paketweise Umsetzung
"Erster Entwurf zur Staats- und Verwaltungsreform grundsätzlich positiv"
Bregenz/Wien (vlk) - Die Landtagspräsidentenkonferenz hat am 12.09. in Wien eine Stellungnahme zum Expertenentwurf zur Staats- und Verwaltungsreform formuliert. Die Landtagspräsidenten stehen dem umfangreichen Entwurf, der unter anderem die Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern sowie eine Verfassungsbereinigung vorsehen würde, grundsätzlich positiv gegenüber. Landtagspräsident Gebhard Halder: "Ich bin vorsichtig optimistisch. Allerdings müssen die Kostenfolgen der neuen Landesverwaltungsgerichte noch mit den Ländern verhandelt werden."

Die Begutachtungsfrist für diesen ersten Schritt zur Staats- und Verwaltungsreform endet in den nächsten Tagen. Die Koordination der Stellungnahme der Landtagspräsidenten ist in enger Zusammenarbeit von Oberösterreich und Vorarlberg erfolgt.

Die Landtagspräsidenten sind auch zufrieden, dass die Länder autonom entscheiden können, ob sie die Landes-Rechnungshöfe mit der Kontrolle von Gemeinden unter 20.000 Einwohnern betrauen. Außerdem müssen sich in Zukunft der Rechnungshof und der jeweilige Landes-Rechnungshof bei der Kontrolle besser koordinieren. LTP Halder: "Diese Regelungen sind geeignet, die Effizienz der öffentlichen Kontrolle zu verbessern und damit Kosten zu senken."

Die Landtagspräsidenten erwarten sich bei der Fortsetzung der Verfassungsreform eine rechtzeitige und wirksame Einbindung der Landtage, vor allem in Fragen, in welchen die Gesetzgebungshoheit der Landtage und deren Kontrollrechte betroffen sind.

Halder abschließend: "Die Verfassungsreform sollte nicht überladen werden. Ich halte es für wichtig, Pakete, über die Konsens erzielt wurde, abzuschließen und raschest möglich umzusetzen. Die nächste Stufe, in der die Kompetenzverteilung und die Grundrechte beraten werden sollen, wird nämlich mit Sicherheit viel schwieriger werden."
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

     
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