EU-Kommission will Direktzahlungen für Großbetriebe kürzen  

erstellt am
19. 09. 07

Wien (bmlfuw) - Die EU-Kommission möchte im Rahmen des "Health Checks" der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) mehr machen als nur kleinere Reparaturen, wie diese Woche beim Informellen Landwirtschaftsministerrat im portugiesischen Porto deutlich geworden ist. Die Direktzahlungen von Großbetrieben sollen erheblich gekürzt werden und zwar schon vor 2009. Die Kommission verspricht sich davon eine größere Akzeptanz der Landwirtschaftssubventionen. Ein weiteres wichtiges Thema war auch die Erhöhung der Milchquoten.
Agrargenossenschaften und den größten europäischen Betrieben droht eine Halbierung ihrer Direktzahlungen. Am Rande des informellen EU-Agrarministerrates im portugiesischen Porto wurden drastische Kürzungspläne der Kommission bekannt. Direktzahlungen ab Euro 100.000,- sollen um 10% reduziert werden, Direktzahlungen ab Euro 200.000,- um 25% und Zahlungen ab Euro 300.000,- um 45%. Die Kommission verzichtet auf eine Abschneidegrenze, die durch Betriebsteilungen umgangen werden kann. Stattdessen sollen die Direktzahlungen eines jeden Betriebes den gestaffelten Kürzungen unterliegen und zwar ab 2009.

Vor allem ostdeutsche und britische Betriebe betroffen
Die Kommission verspricht sich davon eine bessere Akzeptanz der Direktzahlungen in der Bevölkerung, wenn weniger Einkommenshilfen an Großbetriebe gehen. Sie sieht wegen der zurzeit hohen Getreidepreise die Gelegenheit gekommen, im Gesundheitscheck die flächenstarken Betriebe zu beschneiden. Betroffen wären vor allem Unternehmen in Ostdeutschland und Großbritannien. Das eingesparte Geld soll wahrscheinlich in den Mitgliedstaaten verbleiben, in denen es den Betrieben abgezogen worden ist. Möglicherweise könnten die Mittel zur besseren Ausstattung der zweiten Säule der GAP verwendet werden.

"Gegen solche Pläne wird Deutschland massiven Widerstand leisten", erklärte in Porto Gert Lindemann, Staatssekretär im deutschen Bundeslandwirtschaftsministerium. Eine solche Entscheidung könne man nicht von den Marktpreisen abhängig machen. Schließlich seien die Direktzahlungen ein Ausgleich für höhere Auflagen im Umwelt- und Tierschutz-Bereich. Außerdem gehe es gar nicht allen Landwirten gut, die Veredelungswirtschaft leide beispielsweise unter hohen Futtermittelkosten, führte Lindemann aus.

Erhöhung der Modulation geplant
Die Kürzungspläne der Kommission enden jedoch nicht bei den Großbetrieben. Zusätzlich soll die Modulation, also die Umschichtung der Ausgleichszahlungen in die Ländliche Entwicklung, für alle Empfänger von mehr als Euro 5.000,- an Direktzahlungen pro Jahr auf 13% bis zum Jahr 2013 erhöht werden. Beschlossen waren davon bereits 5%, angekündigt hatte EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel weitere 5% aus denen jetzt 8% an zusätzlicher Modulation werden sollen. Da sich die Kürzungssätze summieren, droht für einen 1.000 ha Betrieb bis 2013 eine Verminderung um 26%, für einen 2.000 ha Betrieb um 41%. "Wir haben uns für eine verlässliche GAP eingesetzt und lehnen deshalb auch die zusätzliche Modulation ab", ging Lindemann auf Konfrontationskurs zur EU-Kommission.

Im Rahmen der Debatte rund um die Health Check-Pläne lobte Fischer Boel am Sonntag auch die Forderungen des französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy nach einer baldigen Reform der GAP, die seiner Meinung nach faire Erzeugerpreise in den Vordergrund stellen und Direktzahlungen vermindern sollte. Viele der Äußerungen Sarkozys würden mit ihren eigenen übereinstimmen, meinte Fischer Boel. "Ich bin positiv überrascht. Einige der Ideen sind auf einer Linie mit denjenigen, die wir beim Health Check präsentieren werden", sagte die Kommissarin. "Natürlich gibt es verschiedene Ansichten, wie wir die Beihilfen künftig handhaben werden. Doch egal, welche Entscheidung wir treffen, sie muss mit unseren WTO-Verpflichtungen übereinstimmen", betonte Fischer Boel. Auch der portugiesische Agrarminister, Jaime Silva, begrüßte Sarkozys Vorschläge. Der französische Präsident habe recht, die Initiative jetzt und nicht später zu ergreifen, sagte Silva.

Erhöhung der Milchquoten um 2 bis 3%
Ein weiteres Thema in Porto waren die Milchquoten, die in allen EU-Mitgliedstaaten um 2 bis 3% angehoben werden sollen - und zwar sofort. Dies forderte zumindest die niederländische Agrarministerin Gerda Verburg. Die EU sollte die hohe Nachfrage nach Milchprodukten nutzen und die Erzeugung ausdehnen, argumentierte die Holländerin. Der französische Agrarminister Michel Barnier stimmte einer Erhöhung um 2% zu, allerdings müsse es zunächst Folgeabschätzungen geben. Lindemann regte wiederum an Stelle höherer Quoten einen Nachlass bei der Strafabgabe für Landwirte mit Überproduktion an. Das sei als zeitlich befristete Maßnahme geeigneter, meinte der deutsche Staatssekretär. Einmal erhöhte Quoten seien dagegen nicht wieder so leicht vom Markt zu nehmen, wenn die Nachfrage nachlasse. Polen, Italien und Spanien fordern seit Längerem mehr Produktionsrechte. Fischer Boel zeigte sich in Porto auch gegenüber Ideen zur "Pflege" der Absatzmärkte aufgeschlossen.
 
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