Justizministerin Berger schickt Entwurf zur Sanktionenreform aus   

erstellt am
25. 09. 07

Wien (bmj) - Am 24.09. schickte Justizministerin Maria Berger ein umfangreiches Paket mit neuen Regelungen im Bereich der strafrechtlichen Sanktionen und des Strafvollzugs in Begutachtung („Haftentlastungspaket“). Die Regelungen sollen mit dem 1. Jänner 2008 in Kraft treten.

"Wir wollen bessere Entscheidungsgrundlagen für die Richter schaffen", nannte Justizministerin Maria Berger am Montag als eine der wesentlichsten Intentionen des von ihr zur Begutachtung ausgeschickten Reformpakets zur bedingten Haftentlastung. "Wir müssen generell Rückfälle vermeiden", sagte die Ministerin. Berger bekannte sich dazu, Straftäter in der Regel früher, aber betreut zu entlassen und sie auf das Leben "draußen" vorzubereiten, anstatt sie die gesamte Strafe verbüßen und dann sehr unvermittelt zu entlassen. Die Gefahr, dass solche Täter sehr schnell wieder zu ihren alten Bezugspersonen Kontakt aufnehmen und so rückfällig werden, sei sehr groß. Im Zentrum dieser Betreuung stehen Therapie und Bewährungshilfe.

Generelles Ziel des Entwurfs: Mehr Sicherheit durch effektivere Rückfallvermeidung, also einen in spezialpräventiver Sicht besser dosierten Einsatz von Strafen.

Zentrale Aspekte

  • Mehr Kontrolle und Therapie außerhalb der Anstaltsmauern, etwa bei der bedingten Entlassung oder beim Freigang;
  • bessere Prognoseentscheidungen;
  • spezialpräventiv sinnvolle Sanktionen statt kurzer Freiheitsstrafen, die den Gefangenen aus allen sozialen Bezügen reißen (Arbeitsplatz, Wohnung), aber noch keine sozialpädagogische Einwirkung in der Anstalt ermöglichen; hier wirkt das Gefängnis nur als Schule des Verbrechens (Beispiel: Schwitzen statt Sitzen)


Die Maßnahmen im Einzelnen:

1. Schaffung der Möglichkeit der elektronischen Aufsicht bei Frei- und Ausgang.
Gegenwärtig wird das Projekt in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe mit NEUSTART beraten. Die Überwachung wird auf der Basis stabiler und simpler Festnetz-Technologie erfolgen, daher im Regelfall nur am Wohnsitz und am Arbeitsplatz. Im Vordergrund der nächsten Monate steht die Ausarbeitung einer klaren Rollenverteilung zwischen der Vollzugsanstalt, der privaten Überwachungsfirma und dem Verein NEUSTART, der die Betreuung übernimmt.

2. Bessere Gefährlichkeitsprognose vor der Anordnung von Frei- und Ausgang.
Künftig wird vor einer Entscheidung des Anstaltsleiters über Frei- und Ausgänge (sowie Haftunterbrechungen, die aber selten sind) eine Prognose der „Begutachtungsstelle und Evaluationsstelle für Gewalt- und Sexualstraftäter (BEST)“ eingeholt, es sei denn, dass dies nach den Umständen des Einzelfalls nicht zweckmäßig ist.

3. Reform der bedingten Entlassung:
Ziel: Senkung des Rückfallrisikos

  • durch mehr Weisungen und Bewährungshilfe bei bedingten Entlassungen und
  • durch die Einbeziehung von Experten in (kollegiale) Entscheidungen des Vollzugsgerichts.

Im Vordergrund der Entscheidung über die bedingte Entlassung steht künftig die Frage, welche von zwei Möglichkeiten langfristig die Gefahr eines Rückfalls minimiert: Die bloße „schlagartige“ Entlassung zum Strafende oder eine abgestufte Entlassung, die schrittweise Kontrolle abbaut und den Gefangenen nach und nach wieder an ein Leben in Freiheit gewöhnt, zudem die Möglichkeit von Therapieweisungen voll ausnützt. Das heißt: Im Regelfall hat das Gericht mit der bedingten Entlassung die Anordnung von Bewährungshilfe und (therapeutischen oder die Lebensführung betreffenden) Weisungen zu verbinden. Die bedingte Entlassung nähert sich damit dem gelockerten Vollzug einer Freiheitsstrafe als eine neue Vollzugsform an.

Entscheidungen, die das Vollzugsgericht in der Formation eines Dreiersenats trifft, sollen künftig von zwei Berufsrichtern und einem fachmännischen Laienrichter getroffen werden.
Das Kriterium der Generalprävention bleibt erhalten, wird aber in seiner Bedeutung zurückgedrängt.

4. Bedingte Entlassung künftig auch bei teilbedingten Freiheitsstrafen
Künftig soll eine bedingte Entlassung auch aus dem unbedingten Teil einer teilbedingten Freiheitsstrafe möglich sein. Der Täter muss auch hier die Hälfte des unbedingten Strafteils und mindestens zwei Monate verbüßt haben.

5. Vorläufiges Absehen vom Strafvollzug zur Durchsetzung eines Aufenthaltsverbots
Drittstaatsangehörigen, die mit einem Aufenthaltsverbot belegt sind, wird die Möglichkeit eingeräumt, nach Verbüßung von mindestens der Hälfte der Strafe freiwillig auszureisen; der Strafrest wird im Falle der (verbotenen) Wiedereinreise (vor Ablauf des Aufenthaltsverbots) vollstreckt.

Damit wird der drohende Vollzug der Reststrafe benützt, um das Aufenthaltsverbot durchzusetzen, das ja seinerseits das Ziel verfolgt zu verhindern, dass der straffällige Fremde in Österreich weitere strafbare Handlungen begeht. Das bislang zahnlose Aufenthaltsverbot wird auf diese Weise (im Interesse der Sicherheit durch Rückfallvermeidung) um eine effektive Sanktion verstärkt.

6. Anerkennung des bewährten Instruments der gemeinnützigen Leistung anstelle von Ersatzfreiheitsstrafen im Gesetz.
Das Projekt „Schwitzen statt Sitzen“ hat sich im Modellversuch bewährt und soll daher nun eine gesetzliche Grundlage erhalten. Damit wird der Schädlichkeit von kurzen Freiheitsstrafen entgegengewirkt, zumal bei Tätern, die nach dem Willen des Gerichts eine Geldstrafe zahlen und nicht eine Freiheitsstrafe verbüßen sollen.

 
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