Sozialpartner einig über großes Beschäftigungspaket  

erstellt am
02. 10. 07

Unternehmen erhalten die Fachkräfte, die sie brauchen - vorrangig aus dem Inland
Allen Jugendlichen eine Ausbildung oder einen Lehrplatz
Wien (ak) - Wieder gute Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitsuchende und wirklich gute Zukunftsperspektiven für die Jungen - das bringt das am 02.10. vorgestellte Maßnahmenpaket von Arbeiterkammer (AK), Österreichischer Gewerkschaftsbund (ÖGB), Wirtschaftskammer Österreich (WKO) und Landwirtschaftskammer Österreich (LKÖ) zur Deckung des Fachkräftebedarfs und zur Sicherstellung der Ausbildungsgarantie bis zum 18. Lebensjahr. "Wir wollen die noch immer zu hohe Arbeitslosigkeit in Österreich senken, wir wollen gute Chancen für unsere Jugend und wir wollen, dass die heimische Wirtschaft gut ausgebildete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat. Das ist unser gemeinsames Ziel", bekräftigen die Sozialpartner-Präsidenten Herbert Tumpel, Rudolf Hundstorfer, Christoph Leitl und Gerald Wlodkowski.

Hintergrund: Obwohl die erfasste Arbeitslosigkeit auf Grund der gute Konjunktur kontinuierlich zurück geht, ist sie noch immer zu hoch: Im Vorjahr waren durchschnittlich 300.000 Menschen in Österreich ohne Arbeit, heuer waren im Schnitt mit Ende August mehr als 277.000 Frauen und Männer ohne Arbeit. 17.000 Jugendliche haben keine Lehrstelle im Betrieb, suchen also entweder gerade eine Lehrstelle oder sind im so genannten Auffangnetz oder in AMS Kursen untergebracht. Gleichzeitig gibt es in bestimmten Bereichen einen Arbeitskräftebedarf, klagen Unternehmer darüber, dass sie vergeblich Fachkräfte suchen.

AK, ÖGB, WKO und LKÖ haben sich daher auf ein Maßnahmenpaket geeinigt, durch das der Fachkräftebedarf vorrangig im Inland gedeckt werden kann und das so einen wesentlichen Beitrag zur Senkung der Arbeitslosigkeit leistet und die Ausbildungsgarantie bis zum 18. Lebensjahr sicher stellt:

  1. Eine Zukunftsförderung für Betriebe, die Lehrlinge ausbilden.
  2. Eine garantierte hochwertige überbetriebliche Lehrausbildung bis zum 18. Lebensjahr.
  3. Eine leichtere Lösbarkeit von Lehrverhältnissen nach vorangehender Mediation
  4. Eine Qualifizierungsoffensive für Arbeitsuchende.
  5. Eine erleichterte Zulassung von Fachkräften aus den neuen Mitgliedstaaten, wenn ein konkreter Bedarf im Inland nicht abgedeckt werden kann.

Ein Maßnahmenkatalog gegen Lohndumping durch grenzüberschreitende Dienstleister.

"Ausbildung und Qualifizierung sind eine wichtige Basis für den Wirtschaftsstandort Österreich", sagen die Präsidenten von AK, ÖGB, WKO und LKÖ, "in die Bildung muss daher noch mehr investiert werden. Wenn aber dennoch ein Fachkräftebedarf nicht rechtzeitig abgedeckt werden kann, dann sollen Unternehmen ohne große Hürden Fachkräfte auch aus dem Ausland anstellen können." Damit wird der Arbeitsmarkt schrittweise für Bürger aus den neuen EU-Mitgliedstaaten geöffnet.

Zu Funktion und Bedeutung des heute vorgelegten Pakets sagen die Präsidenten einhellig: "Die jetzige Situation aus Fachkräftebedarf, Hochkonjunktur und noch aufrechter Übergangsfrist auf dem Arbeitsmarkt ist eine einmalige historische Chance, die Arbeitslosigkeit zu senken und einen entscheidenden Beitrag für die Zukunft unserer Jugend und eines auf höchster Qualifikation seiner Arbeitskräfte basierenden Wirtschaftsstandorts Österreich zu leisten. In dieser Situation müssen wir klotzen und nicht kleckern und weder am Mengengerüst noch an der Qualität der erforderlichen Maßnahmen im Rahmen von Qualifizierungsoffensive und Jugendausbildungsgarantie sparen. Jetzt heißt es für Regierung und Sozialpartner, gemeinsam die Zukunft anzupacken.

Die Zukunftsförderung enthält zwei Förderschienen: Die Basisförderung und zusätzliche Förderungen.

Basisföderung
Die Basisförderung tritt an die Stelle der bisherigen Lehrlingsausbildungsprämie von pauschal 1.000 Euro jährlich pro Lehrstelle. Anstatt dieser unterschiedslosen Förderung pro Lehrling und Kalenderjahr soll die neue Basisförderung pro Lehrjahr bezahlt werden und sich nach der Höhe der kollektivvertraglichen Lehrlingsentschädigung richten. Vorteil: Die Ausbildung in besser bezahlten Berufen, in denen der/die Jugendliche mehr bezahlt bekommt und damit den Betrieb mehr kostet, in denen oft auch die Ausbildung aufwändiger ist und das Know-how der Ausbilder größer ist, wird höher gefördert.

Die Formel für die Förderung

  1. Lehrjahr: drei monatliche Lehrlingsentschädigungen
  2. Lehrjahr: zwei Lehrlingsentschädigungen
  3. Lehrjahr: eine Lehrlingsentschädigung
  4. Lehrjahr: eine Lehrlingsentschädigung (bei 3,5 Lehrjahren eine halbe Lehrlingsentschädigung)

Die Prämie wird nur jeweils nach abgeschlossenen Lehrjahren im Nachhinein ausbezahlt.

Mit der neuen Basisförderung wollen die Sozialpartner verstärkte Anreize zu Beginn der Ausbildung setzen und es soll so zudem berücksichtigt werden, dass Lehrlinge mit zunehmender Ausbildungsdauer für den Betrieb produktiver werden.

Zusätzliche Förderungen In Fortentwicklung der bisherigen Förderung zusätzlicher Lehrlinge (Blum-Bonus) soll es nach Ansicht der Sozialpartner stark qualitätsbezogene Förderkriterien geben, etwa für: - Ausbildungsverbünde, - Betriebe deren Lehrlinge die Lehrabschlussprüfung mit Auszeichnung oder gutem Erfolg bestehen, - Maßnahmen zugunsten von lernschwachen Jugendlichen, - erstmaliges Ausbilden von Lehrlingen, - AusbilderInnenkurse, - Betriebe, deren AusbilderInnen sich weiterbilden, - Zusatzausbildungen, die über das Berufsbild hinaus gehen.
Die Zukunftsförderungen gelten auch für land- und forstwirtschaftliche Betriebe.

   

Neue Regelungen zur Lehrlingskündigung
Neu im Sozialpartnerpaket ist die Möglichkeit, Lehrverträge jeweils zum Ende des Lehrjahres zu kündigen. Vorangehen muss dem eine Kündigungsfrist von einem Monat sowie dieser wiederum ein (abgeschlossenes) Mediationsverfahren.

Zweck der Mediation ist die Problemlage für alle Beteiligten nachvollziehbar darzustellen, auszuloten, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Fortsetzung des Lehrverhältnisses möglich ist, und eine von allen Beteiligten akzeptierte Vereinbarung über die weitere Vorgangsweise zu treffen.

Erfolgt tatsächlich eine Kündigung, hat das AMS sicherzustellen, dass der Lehrling die Lehre fortsetzen kann (in einem Betrieb oder einem der neuen Ausbildungsangebote) oder in eine andere Lehre seiner Wahl umsteigen kann.

Die Sozialpartner erwarten davon auch einen psychologischen Effekt: Manche Unternehmen lassen sich von der grundsätzlichen Unkündbarkeit von Lehrverhältnissen abschrecken. Diese Barriere soll abgebaut und damit die Bereitschaft zur Lehrausbildung erhöht werden.

Schwachstelle des bisherigen Auffangnetzes war die teilweise fehlende Kontinuität
So waren manche Kurse nur als Überbrückungshilfe angelegt und führten oft nicht zu einem Lehrabschluss des Jugendlichen.

Vorbereitung für und Vermittlung auf betriebliche Lehrstellen ist weiterhin ein wichtiges Ziel. Die Sozialpartner wollen aber, dass Jugendliche die Sicherheit haben, dass sie in dieser Ausbildungsschiene ihre Lehrausbildung in hochwertiger Qualität bis zum Abschluss machen können - sofern sie nicht zwischenzeitlich einen Ausbildungsplatz in einem Betrieb bekommen.

So viele Ausbildungsplätze sind notwendig:

2007/08 2008/09 2009/10
  12.500      15.000      17.000

So sollen diese Ausbildungsplätze angeboten werden

  • Die Kurse des ehemaligen Auffangnetzes werden so angelegt, dass sie - wenn eine Vermittlung in eine betriebliche Lehrstelle nicht gelingt - eine hochwertige durchgängige Ausbildung bis zum Lehrabschluss bieten. Die Kursanbieter müssen selbst in der Lage sein, das Berufsbild zu vermitteln und müssen im Rahmen von Evaluierungen hohe Quoten an Lehrabschlüssen und niedrige Drop-out-Quoten nachweisen. Die Jugendlichen erhalten zur Existenzsicherung statt der bisherigen 150 Euro/Monat so wie in den überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen 240 Euro/Monat, ab dem 3. Lehrjahr 555 Euro/Monat.
  • Implacementstiftung zum außerordentlichen Lehrabschluss. Hier nennt ein Betrieb einen bestimmten Fachkräftebedarf, ein Jugendlicher mit Vorkenntnissen (zB eine abgebrochene Lehre) wird in enger Kooperation mit dem Betrieb entsprechend dessen ganz konkreten Bedürfnissen und mit dessen finanzieller Beteiligung und meist auch der des Bundeslandes zum Lehrabschluss geführt.
  • Facharbeiterintensivausbildungen sind für Jugendliche ab dem 17. Lebensjahr, die Ausbildungen abgebrochen haben, ein relativ rascher Weg zum Lehrabschluss - entweder im abgebrochenen Beruf oder in einem verwandten Lehrberuf.

Zusätzlich zu den 10.000 Fachkräfteausbildungen im Metallbereich sollen bis zu 10.000 weitere Plätze pro Jahr kommen - und zwar nicht vorfixiert auf bestimmte Branchen und Berufe, sondern flexibel orientiert am jeweiligen Bedarf der regionalen Wirtschaft und an den Potenzialen der Arbeitsuchenden. Besonderer Bedacht ist dabei auf arbeitsuchende Frauen, vor allem auch Wiedereinsteigerinnen zu nehmen.

Rechtzeitig einsetzende Qualifizierungsmaßnahmen sind auch ein unverzichtbares Element, um die älter werdenden ArbeitnehmerInnen länger in gut qualifizierter Beschäftigung zu halten und damit das faktische Pensionsantrittsalter zu heben. Zusätzlich sind spezielle Maßnahmen für bereits ältere Arbeitsuchende und ArbeitnehmerInnen zu setzen, wie etwa die Belebung der durch die Zugangsverschärfung in ihrer Bedeutung stark reduzierten Altersteilzeit, die Beratung und Unterstützung von Betrieben bezüglich Erhalt der Beschäftigungsfähigkeit, vermehrter Einsatz von Eingliederungsbeihilfen usw.

Auch von einem neuen Kombilohn sollen - nicht nur, aber ganz besonders - ältere Arbeit Suchende profitieren. Der neue Kombilohn soll Arbeitsuchende dazu motivieren, auch eine niedriger entlohnte Tätigkeit als Wiedereinstiegschance anzunehmen und Unternehmen dazu bringen, bestehende Arbeitsplätze mit Personen mit (anfangs) geringerer Produktivität zu besetzen. Neu sind u.a. die einfachere Administrierbarkeit und höhere Grenzen beim Zugang.

Um die neuen Instrumente sowohl in der Qualifizierungsoffensive für Arbeitsuchende als auch in der neuen überbetrieblichen Lehrausbildung wirklich optimal zum Nutzen der Jugendlichen, der Arbeitsuchenden und der österreichischen Betriebe einsetzen zu können, bekennen sich die Sozialpartner gemeinsam zu einer österreichweiten Aufstockung der BeraterInnen in den AMS-Geschäftsstellen um 150 Personen.

Das Sozialpartnerpaket im Volltext finden Sie unter http://www.sozialpartner.at.  


 

 Gusenbauer lobt Arbeitsmarktpaket der Sozialpartner
"Erneut sehr gute Arbeit" – Neue Sozialpartnervorschläge für Reform der Lehrlingsförderung und zur Deckung des Fachkräftebedarfs
Wien (sk) - Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer haben am Vormittag des 02.10. von den Präsidenten der Sozialpartnerorganisationen deren "Vorschläge für ein Maßnahmenpaket zur Deckung des Fachkräftebedarfs und zur Jugendbeschäftigung" entgegengenommen. Gusenbauer bedankte sich "für die erneut sehr gute Arbeit". Er und Molterer sicherten den Sozialpartnern zu, dass sich die Regierung um die Umsetzung bemühen werde.

Im Anschluss erläuterten die vier Sozialpartner-Präsidenten Rudolf Hundstorfer (ÖGB), Christoph Leitl (WKÖ), Herbert Tumpel (AK) und Gerhard Wlodkowski (Landwirtschaft) ihr Paket, das die Experten der Sozialpartner gemeinsam mit dem Wifo ausgearbeitet haben. So wollen sie die Lehrlingsförderung mit der so genannten "Zukunftsförderung" neu regeln. Dabei sollen Qualitäts- und Bedarfskriterien eingezogen werden, anstellen des Kriteriums "Zusätzlichkeit" wie bisher beim Blum-Bonus, erläuterte Hundstorfer. Im Grunde werde damit das in Vorarlberg erfolgreiche Modell in der Elektro- und Metallindustrie österreichweit umgesetzt.

Es soll weiters eine sehr qualitative und zielgerichtete Qualifizierungsoffensive für Arbeitssuchende geben. Hier formulierte der ÖGB-Präsident den Grundsatz: "Alles, was für die Qualifikation und Höherschulung notwendig ist, steht im Vordergrund"; dazu wollen die Sozialpartner bis zu 10.000 Fachkräfte pro Jahr zusätzlich durch das AMS ausbilden lassen.

Die Sozialpartner sind überdies einig darin, dass die Übergangsfristen bis zur vollständigen Arbeitnehmerfreizügigkeit im Jahr 2011 so weit wie möglich aufrecht erhalten werden sollen. Wo ein Fachkräftebedarf besteht (Stellenandrangsziffer kleiner als 1,5; Berufe mit mindestens Lehrabschluss) soll die Ausländerbeschäftigung aus den neuen EU-Staaten allerdings erleichtert werden. Und mit entsprechenden Kontroll- und Sanktionsmechanismen sollen Lohn- und Sozialdumping verhindert werden.

Die Sozialpartner-Präsidenten zeigten sich äußerst zufrieden mit ihrem Paket. ÖGB-Präsident Hundstorfer sagte, dass damit eine Zukunftsförderung möglich werde, wie sie das Land noch nie hatte.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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