Kulturdialog: "Wie viel Volkskultur braucht das Land?"  

erstellt am
12. 10. 07

LH Haider und Volkskulturexperten diskutierten – Volkskultur bedeutend für Gemeinschaftsleben
Klagenfurt (lpd) - Der erste von fünf "Kulturdialogen" mit Kulturreferent Landeshauptmann Jörg Haider fand am Abend des 11.10. im sehr gut besuchten Spiegelsaal der Kärntner Landesregierung statt. Er stand unter dem Thema "Wie viel Volkskultur braucht das Land?" Von allen Diskutanten, aber auch in den Wortmeldungen aus dem Publikum, wurde vor allem die Bedeutung der Volkskultur für das Sinnstiftende und das Gemeinschaftsleben hervor gestrichen. Auch die Verbindung der Volkskultur mit der Hochkultur wurde betont. Zu den Förderungen sagte Haider, dass es hier klare Richtlinien gebe und die Landespolitik auch immer den Vorschlägen des Kulturgremiums bzw. der Ankaufsjury bei Kunstkäufen folge. "Der Kulturreferent tritt so nicht als Mäzen auf."

Die Kulturdialoge hat der Landeshauptmann initiiert, um einmal im Jahr eine Grundsatzdebatte über die kulturelle Arbeit im Land und die Zufriedenheit der Kulturschaffenden zu führen. Jeder solle sich äußern können, sagte Haider, der sich der Diskussion stellen will.

Zur Kulturförderpolitik des Landes sagte Haider, dass es hier "keine übertriebene Schwerpunktbildung" im Volkskulturbereich gebe. Man habe vielmehr wegen der vielen aktiven Vereine "Nachholbedarf" gehabt, zudem schaffe der "Kärntner HeimatHerbst" immer wieder neue Akteure. Brauchtumsvereine beim Trachtenkauf zu unterstützen, geschehe bewusst und sei ihm ein großes Anliegen, betonte Haider. Man helfe hier, damit auch jene in den Vereinen mitmachen können, die sich keine Tracht leisten können. Der Landeshauptmann stellte weiters klar, dass die Events "aus dem Kulturbudget draußen sind". Sie würden u.a. über die Kärntenwerbung oder Sportmittel gefördert.

"Volkskultur ist nicht nur Lederhose und Bierzelt", so Haider. Für ihn ist sie sinnstiftend in der Gemeinschaft. In Kärnten funktioniere das sehr gut. Das Land wolle hier in erster Linie fördern, nicht aber lenken. Die Volkskultur sei auch für den Tourismus wichtig, mit dem "HeimatHerbst" wolle man ein lebendiges Land präsentieren. "Wir wollen aber nicht speziell für den Gast etwas entwickeln, weil wir keine erzwungen lustigen Menschen wollen", betonte er. Jedoch sollte man die Volkskultur "vom Klamauk befreien". Haider merkte an, dass beispielsweise der Villacher Kirchtag immer mehr zur "festa della birra" werde. Hier sollte seitens der Veranstalter nicht zuviel zugelassen werden.

Haider sagte auch, dass von der Kulturabteilung viel Geld in die Hand genommen wurde, um in der Volkskultur eine Niveauerhöhung und Qualitätsverbesserung zu erzielen. Er verwies auf die Chorakademie, das Musikschulwerk oder die junge Bläserphilharmonie. Für ihn sind die Übergänge zwischen Volks- und Hochkultur fließend. Das eine wäre ohne das andere nicht möglich.

Der Volkskunde-Experte und Musikpädagoge Helmut Wulz erläuterte, dass es bei der Volkskultur keinen Zwang gebe, alles geschehe auf Basis der Freiwilligkeit, jeder könne sich beteiligen. Wulz unterscheidet zwischen gelebter Volkskultur, bei der jeder selbst über die Form des Mitmachens entscheiden könne, und der gelenkten Volkskultur, etwa in Chören mit Chorleiter oder in Verbänden und größeren Vereinen. Wulz betonte, dass vor allem auch das, was in den Häusern und bei den Familien an Volkskultur passiere, mehr hervorgehoben werden müsste. Er erzählte von einer Puppenmacherin, einem Orchideenzüchter und einer Vorbeterin in seiner Nachbarschaft. Auch kleine Museen und Sammler sollten mehr beachtet werden.

Kärntner Blasmusikverbands-Obmann Horst Baumgartner sagte, dass es keine Trennung zwischen Volks- und Hochkultur gebe. Im Blasmusikverband pflege man Tradition und es könne auch Hochkultur herauskommen. Als Beispiel führte er an, dass fast alle Bläser der Wiener Philharmoniker aus Blaskapellen kommen. Er strich zudem das große Engagement der Jugend hervor.

Kärntner Bildungswerks-Obmann Klaus Fillafer sprach der Volkskultur vor allem wegen der Globalisierung neue Bedeutung zu. Sie sei eine Gegenbewegung, eine Regionalisierung. Durch Volkskultur entstehe auch gesellschaftliche Wertschöpfung. Volkskultur sei Lebensform, Ausgleich zum Arbeitsalltag, bilde Gemeinschaft, verbinde Generationen und gebe Orientierung. Fillafer verwies auch auf die soziale Arbeit, die viele Vereine leisten. Er betonte, dass Volkskultur Ehrenamt sei. Sie erfülle Sehnsüchte und Bedürfnisse und sei deshalb so wesentlich und großartig. Groß sei auch die öffentliche Anerkennung der Volkskultur, was wesentlich für deren Selbstbewusstsein sei. Als wesentlichen Meilenstein bezeichnete er das geplante "Haus der Volkskultur".

Der Literat Egyd Gstättner fühlte sich in der Diskussion als "Überraschungsgast". "Nur bin ich der Überraschte, weil Volkskultur nicht mein großes Thema ist", scherzte er. Für ihn bedeutet Volk Mensch, also sei Volkskultur Menschenkultur. "Jede Kultur ist damit Volkskultur, auch das was ich mache." "Was soll ein vernünftiger Mensch gegen Volkskultur haben", meinte Gstättner. Er sagte, dass er mit vielem einverstanden sei, ihm aber auch einiges nicht gefalle. "Ich gehe auch nicht in den Reptilienzoo, würde aber nie für seine Abschaffung sein." Der Literat sagte, dass Tradition auch für ihn immer mehr an Bedeutung gewinne. Geschichte und Tradition seien Werte. Er meinte sogar, dass er sich einen "Advent mit Egyd Gstättner" vorstellen könnte.

Die weiteren vier Kulturdialoge finden an folgenden Tagen jeweils um 19.00 Uhr im ORF-Theater Klagenfurt statt: Heute, Freitag, 12. Oktober; 16. Oktober; 19. Oktober; 22. Oktober.
 
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