Überraschende Lösung bei Uni-Zugang in Aussicht  

erstellt am
17. 10. 07

 Gusenbauer: Barroso stellt Aussetzung des Verfahrens in Aussicht
Laut Verfassungsdienst gleichbedeutend mit Beendigung des Verfahrens - Problem kann einer endgültigen Lösung zugeführt werden
Wien (sk) - Bundeskanzler Alfred Gusenbauer hat am Abend des 16.10. ein Schreiben von EU-Kommissionspräsident Barroso erhalten, in dem Barroso in Aussicht nimmt, in den kommenden Wochen der Kommission einen Entscheidungsentwurf vorzulegen, der das Verfahren gegen Österreich in der Frage der Uni-Quotenregelung für eine Frist von fünf Jahren aussetzen wird. Das teilte Gusenbauer am Mittwoch in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Außenministerin Plassnik im Vorfeld des informellen EU-Gipfels in Lissabon mit. In diesen fünf Jahren bestehe die Zeit, die betreffenden Daten zusammenzutragen und entweder nach oder vor Ablauf dieser Frist dann eine endgültige Entscheidung treffen zu können.

Er habe dieses Schreiben auch gleich dem Verfassungsdienst zur Prüfung übergeben, informierte der Bundeskanzler. Dieser komme zur Auffassung, dass die Suspendierung des Verfahrens unmittelbar dieselben Effekte auslöst wie eine Beendigung des Verfahrens. "Es ist wesentlich, dass in diesem Schreiben Barrosos zum ersten Mal die österreichische Argumentation zur Kenntnis genommen wird", hielt Gusenbauer fest. So schreibe Barroso, dass in Österreich beim Zugang zu Lehrveranstaltungen der Hochschulen "eine gewisse Unausgewogenheit bestehen könnte, die dazu führen könnte, dass Österreich seinen Verpflichtungen im Bereich der öffentlichen Gesundheit nicht mehr nachkommen kann". Das sei auch das zentrale Argument, das Österreich vorgebracht habe und das nun erstmals vom Kommissionspräsidenten zur Kenntnis genommen wird.

Die Suspendierungsphase von fünf Jahren habe auch noch den Vorteil, dass bei einem Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH die Kommission Österreich unterstützen würde, weil die Kommission selbst das von Österreich vorgebrachte Argument, es drohe eine Störung der öffentlichen Gesundheitsversorgung, akzeptiert. "Dies ist insofern ein wesentlicher Vorzug, weil wir damit zumindest für fünf Jahre Rechtssicherheit haben." Zum zweiten sei damit klar: Sollte es eine neue EU-Kommission geben - was ab 2010 auch der Fall sein wird -, dann wird sich diese über die fünfjährige Suspendierungsphase nicht hinwegsetzen können. "das heißt, diese fünf Jahre gibt es auf jeden Fall, und in diesen fünf Jahren haben wir Zeit, ausreichend die Fakten zu dokumentieren, und damit kann es zu einer endgültigen Lösungen kommen."

"Es ist wichtig, dass der Präsident der EU-Kommission unser Problem erkannt, gesehen und damit bestätigt hat", betonte Gusenbauer. Zum zweiten wurde hier ein Schritt gesetzt, der dieses Problem einer endgültigen Lösung zuführen kann. Er habe auch vor, bei der EU-Ratstagung über dieses Problem zu berichten, erklärte der Kanzler. Er wolle darauf hinweisen, dass dieses Problem in Österreich besteht und dass der Kommissionspräsident hier einen Schritt gesetzt hat. Es wäre auch vernünftig, dass dieser Schritt von Barroso bei der Tagung bestätigt wird, sodass auch auf der Ebene des europäischen Rates offiziell festgehalten wird, wie ein Ausweg aus dieser Situation möglich erscheint. Gusenbauer unterstrich zudem auch, dass es nie eine Veto-Drohung von Österreich gegeben habe. "Ich halte das auch für keine richtige Politik", machte der Kanzler klar.

Er habe bereits beim Rat im Juni diese Frage angesprochen, weil sie natürlich eine ganz wesentliche Frage für Österreich darstellt, so Gusenbauer. "Unsere Befürchtungen gehen in die Richtung, dass wenn wir diese Regelung nicht beibehalten können, wir einen immer größeren Anteil von Studenten in Österreich haben, die hier Medizin studieren und danach nicht in Österreich als Ärzte arbeiten, sondern in der Bundsrepublik Deutschland, und dass dadurch früher oder später ein ganz massiver Ärztemangel entstehen könnte."

Die Zukunft, über die hier gesprochen werde, sei gar nicht so weit entfernt: Wenn man sich die Geburtsdaten der Ärzte ansehe, sei mit einer größeren Pensionierungswelle ab dem Jahr 2015 zu rechnen. "Das heißt, schon ab dem Jahr 2014/2015 könnte in Österreich ein Ärztemangel drohen, wenn wir nicht imstande sind, die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte auszubilden, die wir für die Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems brauchen", machte der Bundeskanzler deutlich.

 

 Plassnik: "Brauchen eine dauerhafte Lösung zum Uni-Zugang"
Außenministerin bei EU-Ratstagung der EU-Außenminister
Luxemburg (bmeia) - "Ich werde heute in Absprache mit dem Bundeskanzler, dem Vizekanzler und dem Wissenschaftsminister neuerlich die Frage des Hochschulzugangs in Österreich ansprechen und mit Nachdruck um Verständnis für unser Anliegen werben", erklärte Außenministerin Ursula Plassnik am 17.10. im Vorfeld der Tagung der Regierungskonferenz auf Außenministerebene, in der die Verhandlungen zum EU-Reformvertrag vorangetrieben werden sollen.

"Wir arbeiten seit zwei Jahren mit Hochdruck und in intensiven Gesprächen mit der Europäischen Kommission an einer Lösung. Die Zeit für eine Einigung ist gekommen. Wir wollen und brauchen eine dauerhafte Lösung - und zwar jetzt", stellte Plassnik klar.

Die Ministerin verwies darauf, dass die Organisation des Hochschulwesens und der Zugang zu Hochschulen in die nationale Kompetenz und nicht in die EU-Kompetenz fallen. "Wir brauchen Klarheit und Rechtssicherheit an dieser Schnittstelle zwischen europäischer und nationaler Zuständigkeit."

Plassnik zeigte sich am Beginn der Intensivphase der Verhandlungen zuversichtlich, dass die EU beim kommenden Gipfel eine Einigung zum EU-Reformvertrag erzielen werde. "Heute werden wir versuchen, möglichst viele der letzten Hürden aus dem Weg zu räumen. Wir wollen Ende dieser Woche einen unterschriftsreifen EU-Vertrag. Wir werden konsequent Kurs halten. Unser gemeinsames Ziel ist und bleibt, eine zukunftsfeste Betriebsanleitung für die Europäische Union bis zu den Europawahlen 2009 unter Dach und Fach zu haben", unterstrich die Ministerin.

 

 Grünewald: Gusenbauer hat wohl den Mund zu voll genommen
Viele Köche verderben den Brei
Wien (grüne) - "Bundeskanzler Gusenbauer hat, wie es scheint, in der Causa Uni-Zugang wohl wieder einmal den Mund zu voll genommen als er von einer Lösung noch vor dem kommenden EU-Rat geträumt hat", kommentiert Kurt Grünewald, Wissenschaftssprecher der Grünen. Die EU-Kommission erklärte heute, dass es erst in einigen Wochen zu einer Entscheidung kommen werde. Österreichs Regierung hat sich ja in den letzten Tagen nicht gerade mit Ruhm bekleckert, was die interne Abstimmung ihrer Position betrifft. Angefangen vom Bundeskanzler über die Außenministerin bis hin zu Wissenschaftsminister Hahn wurden sehr unterschiedliche Positionen vertreten. "Viele Köche verderben bekanntlich den Brei, auslöffeln müssen diesen aber Österreichs Studierende", kritisiert Grünewald.

 

 Darmann: "Gusenbauers Agieren bringt Uni-Quotenregelung in Gefahr"
Es ist aber trotzdem zu hoffen, daß die EU noch zur Einsicht kommt
Wien (bzö) -
"Das voreilige öffentliche Vorpreschen von Bundeskanzler Gusenbauer und das von ihm gesetzte Ultimatum an die EU-Kommission am 12. Oktober (Die Kommission habe bis Donnerstag das Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einzustellen, sonst werde er, Gusenbauer, den EU-Gipfel kommende Woche damit befassen) könnte eine optimale Regelung hinsichtlich der Quoten für das Medizinstudium in Gefahr bringen. Man kann nur hoffen, daß dadurch nicht das ganze konstruktive Bemühen aller parlamentarischen Wissenschaftssprecher und des Wissenschaftsministeriums durch diesen unnötigen Schnellschuß des Kanzlers vom letzten Freitag zerstört wurde", stellte BZÖ-Wissenschaftssprecher Abg. Gernot Darmann zur Entscheidung der EU-Kommission fest.

"Wieder einmal haben sich Gusenbauers vorschnelle Ankündigungen in Luft aufgelöst. Durch diese Sprücheklopferei könnte Gusenbauer mögliche Verbündete in der EU verschreckt haben. Es ist aber trotzdem zu hoffen, daß die EU noch zur Einsicht kommt und im Sinne des österreichischen Studiensystems unsere Ärzteausbildung für die Zukunft sicherstellt", sagte Darmann.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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