Wenn Arbeit krank macht   

erstellt am
30. 10. 07

Dissertantin der Uni Graz entdeckt neue Gründe für Burnout
Graz (universität) - In den letzten dreißig Jahren hat sich die Situation am Arbeitsmarkt stark verändert: Die Globalisierung und der Wandel von Technologien, Werten und Arbeitsverhältnissen stellen die Menschen vor neue Herausforderungen. Die Entfremdung von der eigenen Arbeit sieht Dr. Lisbeth Jerich als eine der Hauptursachen für Burnouts, die sie in ihrer Dissertation am Institut für Organisations- und Personalmanagement der Universität Graz unter die Lupe genommen hat. Damit unterscheidet sich ihre Studie von der restlichen Burnout-Forschung, die diese Krankheit als Folge von Arbeitsstress deklariert.

Jerich betrachtet Burnouts vor dem Hintergrund der aktuellen Situation in kapitalistischen Gesellschaften. „Die Beziehung der Menschen zu ihrer Arbeit spielt eine große Rolle“, so die Wirtschaftswissenschafterin. „Waren es vor rund dreißig Jahren noch in erster Linie idealistische Bestrebungen, die für die Hinwendung zu einer bestimmten Arbeit verantwortlich waren, so sind es heute eher eigennützige Motive, wie das Streben nach Geld, Macht und Prestige.“ Innere Gleichgültigkeit, Sinnleere und bloßer Materialismus führen über kurz oder lang zu Entfremdungsgefühlen gegenüber der Arbeit und den KollegInnen. „Dieser Verlust an Idealen ist eine Hauptursache für die Entstehung von Burnouts“, erklärt Jerich.

Unternehmen stehen unter einem immer größeren Druck, ihre Gewinne zu maximieren. Konzepte wie „Re-engineering“; „Downsizing“ und „Lean Managment“ sind „in“. Derartige Rationalisierungsbestrebungen machen jedoch die immer lauter werdenden Forderungen nach einer Humanisierung der Arbeit schwierig.

Ein weiterer Faktor, der Burnouts begünstige, sei die Fremdbestimmung bei der Entscheidung für einen Beruf in modernen Gesellschaften. „Es ist häufig schwierig, eine authentische, also den Interessen und Neigungen entsprechende Berufswahl zu treffen“, so Jerich. „Von der öffentlichen Hand zur Verfügung gestellte Informations- und Beratungsleistungen reichen nicht mehr aus, um einer fremdbestimmten Laufbahn entgegenzuwirken. Entscheidungstrainings erscheinen hier Erfolg versprechender.“

Der weltwirtschaftliche Wandel hat sich laut Jerich auch im zwischenmenschlichen Bereich ausgewirkt: „Burnout ist nicht nur Ausdruck der Entfremdung von der Arbeit, sondern vor allem auch von den KollegInnen.“ Das Arbeitsklima in Unternehmen ist heute oft durch Schikanen gekennzeichnet. Der hohe Leistungsdruck, ein drohender Arbeitsplatzabbau oder Reorganisationsmaßnahmen fördern ein konkurrenzorientiertes Klima. „Mobbing“ und eine schlechte Arbeitsatmosphäre gehen Hand in Hand. Gegenmaßnahmen könnten eine Umgestaltung der Arbeitsorganisation, Aufklärung und Schulung, Konfliktbeauftragte sowie der Abschluss einer Betriebsvereinbarung zu partnerschaftlichem Verhalten am Arbeitsplatz sein.

Laut Jerich gibt es wohl Menschen, die durch bestimme Persönlichkeitsmerkmale eher zu Burnouts neigen als andere. „Diese Merkmale können jedoch nicht als Auslöser angesehen werden. Da spielen immer gesellschaftliche, institutionelle und interpersonelle Faktoren eine Rolle. Im Prinzip ist jede und jeder Burnout gefährdet.“
 
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