Vorlagen aus dem Justizbereich passieren den Nationalrat  

erstellt am
06. 12. 07

 Berger: "Kampf gegen Gewalt ist wichtiger Teil der Arbeit der SPÖ-geführten Regierung"
Justizministerin skizziert wesentliche Maßnahmen zur entschlossenen Gewaltbekämpfung und zum Opferschutz
Wien (sk) - "Der Kampf gegen Gewalt ist mir ein persönliches Anliegen und ist auch ein wichtiger Teil der Arbeit der SPÖ-geführten Regierung", so Justizministerin Maria Berger am 05.12. im Nationalrat. Berger verdeutlichte hier, dass sie unmittelbar nach Amtsantritt Verbesserungen hinsichtlich der Gewaltbekämpfung vorgenommen habe - und dies durch ein ganzes Bündel an Maßnahmen, die die Justizministerin in ihrer ausführlichen Rede darstellte. Zentrale Punkte dabei: Verbesserungen bezüglich einer "einheitlichen und strikten Anzeigepflicht" für alle jene Stellen, die mit Kindern arbeiten; deutlicher Ausbau des Opferschutzes (schonende Opfereinvernahmen, kostenlose juristische und psychosoziale Prozessbegleitung); Ausbau der Strafbestimmungen hinsichtlich des Quälens und Misshandelns von Wehrlosen sowie Ausbau der Begutachtungsstelle für Sexualstraftäter.

Grundsätzlich gelte es, Gewalt gegen Kinder durch ein ganzes Maßnahmenbündel sowie durch Maßnahmen im Straf- und Zivilrecht zu bekämpfen. Daneben sei es aber auch wichtig, die Kommunikationsabläufe zwischen den einzelnen befassten Einrichtungen zu optimieren. Die Justizministerin bekräftigte, dass sie auch weiterhin das Gespräch mit anderen Ressorts suche, um gemeinsame Initiativen zu erarbeiten. So hätte etwa Ministerin Kdolsky wissen lassen, dass es mit Beginn des neuen Jahres zum Start von Reformen in der Jugendwohlfahrt kommen werde, so Berger, die hier einheitliche Standards für die Jugendwohlfahrt in den Bundesländern begrüßte.

Im Strafrecht sei es wesentlich, dass "Kinder als Opfer Anspruch auf den vollen Schutz des Staates" haben, so Berger mit Verweis auf den "massiven Ausbau des Opferschutzes". Im Strafverfahrensrecht selbst müsse prioritär auf den Schutz von Kindern vor weiterer Gewalt abgestellt werden. "Geboten ist auch eine Vereinheitlichung der Anzeigepflichten" etwa für Jugendämter, Sportvereine udgl. Im materiellen Strafrecht sei die Einführung eines neuen Straftatbestands geplant, nämlich für langandauernde Gewaltbeziehungen. Zudem müsse es hier auch zu "qualifizierenden Strafandrohungen" kommen - besonders im Zusammenhang mit Gewalt gegen Wehrlose.

Weiters würde derzeit an der Evaluierung der Strafen im Bereich der Sexualstraftaten gearbeitet, gleiches gelte im Übrigen für die Rückfallstatistik, die derzeit nur "lückenhaft" vorliege, so Berger. Zum diskutierten Berufsverbot für Sexualstraftäter hielt die Justizministerin fest, dass hier umfassend geprüft werde und auch auf Basis internationaler Erfahrungen "konkrete Vorschläge erarbeitet werden, die in Bälde präsentiert werden".

An zusätzlichen Maßnahmen für eine Stärkung des Opferschutzes nannte Berger weiters zentrale Koordinationsstellen sowie die Bereitstellung neuer Informations- und Rechtsmittelmöglichkeiten für Opfer. Die Justizministerin verwies hier darauf, dass "Opferschutz auch ein wichtiges Präventionsinstrument" sei, schließlich sei bekannt, dass viele ehemalige Opfer später selbst zu Tätern würden. Eine weitere Maßnahme sei auch die Etablierung von Spezialisten für Gewalt in Familien, dies solle etwa in großen Staatsanwaltschaften erfolgen. Auch im Zivilrecht müsse es zu kostenloser juristischer und psychosozialer Prozessbegleitung sowie zu schonender Einvernahme der Opfer kommen. Zentral sei hier weiters die Geheimhaltung der Wohnanschrift des Opfers für Täter, ergänzte Berger. Im Bereich der einstweiligen Verfügungen des Familiengerichts werde es zu einer zeitlichen Ausdehnung der Geltungsdauer kommen. Beim Thema gemeinsame Obsorge verdeutlichte Berger, dass hier keine gesetzlichen Änderungen geplant seien. Völlig klar sei aber, dass "eine gemeinsame Obsorge dann nicht in Frage kommt, wenn Gewalt im Spiel ist", schloss Berger.

 

 Donnerbauer: Schutz der Kinder muss oberste Priorität haben
ÖVP-Justizsprecher fordert eigene Sexualstraftäterdatei
Wien (övp-pk) - "Die Fälle, die uns heute dargelegt wurden und die wir in den letzten Monaten in den Nachrichten hören und lesen mussten, haben uns zweifellos betroffen gemacht. Es handelt sich dabei um ein heikles und sensibles Thema, dem wir uns zu stellen haben und das zum Kernbereich unserer parlamentarischen Arbeit gehört. Die Menschen in unserem Land erwarten sich zu Recht Sicherheit und damit die Schaffung entsprechender gesetzlicher Rahmenbedingungen sowie die Kontrolle der Betreuungseinrichtungen." Das sagte ÖVP-Justizsprecher Abg. Mag. Heribert Donnerbauer bei der Debatte über den Dringlichen Antrag zur Verbesserung des Schutzes Minderjähriger vor Gewaltanwendung und Missbrauch im Nationalrat.

"Gerade die Schwächsten in unserer Gesellschaft, die Kinder, benötigen unseren Schutz besonders", stellt Donnerbauer klar. "Der Schutz der Kinder vor Misshandlung, physischer und psychischer Gewalt, sexuellem Missbrauch und Ausbeutung muss oberste Priorität haben. Gerade weil Kinder und Jugendliche ihren Peinigern oft schutzlos ausgeliefert sind, muss hier sowohl in der Gesetzgebung und als auch in der Gesellschaft selbst entsprechend entgegengewirkt werden. In den letzten Jahren gab es in diesem Zusammenhang auch Initiativen des Gesetzgebers - maßgebend von der ÖVP mitgeprägt. Gesetze wurden überarbeitet, angepasst und verschärft", erinnerte der Justizsprecher an das Strafrechtsänderungsgesetz 2003, das Anpassungen im Sexualstrafrecht vorsah - beispielsweise wurden höhere Strafen bei Vergewaltigung, Kinderpornographie und Kinderprostitution beschlossen. Auch der neue Straftatbestand gegen sexuelle Belästigung wurde geschaffen.

Gerade die ÖVP habe sich in den letzten Monaten stark gemacht, dass Delikte und Strafandrohungen in diesem Bereich systematisch überprüft und notfalls angepasst und verschärft werden. "Darüber hinaus sollte uns klar sein", fuhr Donnerbauer fort, "dass strenge Strafen die Probleme alleine nicht lösen." Strafen könnten immer erst im Nachhinein wirken und erst auf Fehlverhalten reagieren.

Daher müsse es weitere Maßnahmen im Bereich der Information und Organisation von Hilfe, Betreuung und Unterstützung sowie eine verbesserte Vernetzung der eingebundenen Organisationen geben. Sehe man sich die Beispielfälle an, so sei es evident, dass hier in den verschiedenen Organisationen durchaus Informationen vorhanden waren und es Verdachtsfälle gegeben habe - aber die Vernetzung sei leider nicht vorhanden gewesen, bedauerte Donnerbauer. Aus diesem Grund sei die Schaffung einer eigenen Sexualstraftäterdatei, wie sie Innenminister Günther Platter fordert, wichtig. Damit könnte verhindert werden, dass Menschen, die schon einmal auffällig wurden, neuerlich Zugang zu Kindern bekommen. Er, Donnerbauer, hoffe, dass dieses wichtige Vorhaben in den nächsten Monaten zügig umgesetzt werden könne. "Die Sicherheit der Kinder duldet keinen weiteren Aufschub", so der Justizsprecher abschließend an die Adresse der Justizministerin.

 

 Zwerschitz: Grüne fordern Ausweitung des Mutter-Kind-Passes
Laufende Untersuchungen helfen bei Prävention
Wien (grüne) - "Zur Prävention bei Gewalt gegen Kindern tragen auch laufende ärztliche Untersuchungen bei. Wir fordern daher ein umgehendes Schließen der Lücke zwischen den Mutter-Kind-Pass- und den schulärztlichen Untersuchungen", erklärte die Jugendsprecherin der Grünen, Barbara Zwerschitz. Die Grünen brachten dazu heute einen entsprechenden Entschließungsantrag im Nationalrat ein. "Die Regierung soll geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Lücke zu schließen und flächendeckend jährliche Untersuchungen aller Kinder zu gewährleisten. Denn offensichtliche Misshandlungen können auch dadurch erkannt werden", so Zwerschitz.

 

 Strache: "Eine Gesellschaft, die ihre Kinder nicht achtet, verdient keinen Respekt"
Gesetz muss bei Kindesmisshandlung und Kindesmissbrauch mit voller Härte zuschlagen
Wien (fpd) - Den Zustand einer Gesellschaft erkenne man auch darandaran, wie sie mit ihren schwächsten Mitgliedern, also den Kindern, umgehe. "Und hier fällt das Zeugnis für unsere Gesellschaft nicht gut aus", meinte FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache in seiner Begründung des Dringlichen Antrags der Freiheitlichen.

Strache zitierte aus einem Artikel des "Kurier" vom 2. Dezember: "Der Feind im Haus: Wenn Eltern töten": "Am Heiligen Abend 1988 prügelt ein Mann seinen zweijährigen Neffen tot. Mutter und Onkel packen den kleinen Körper in eine Tasche und werfen sie in die Mur. Ein Vater quält 1997 seinen zweieinhalb Jahre alten Sohn zu Tode, weil er in die Hose gemacht hatte. 2003 wird in Wien ein zehnjähriges Mädchen nach einer Folterorgie vom Vater im Spital abgeliefert, ihr Genitalbereich mit Zigaretten verbrannt, die Rippchen der Reihe nach gebrochen. Der siebzehn Monate alte Luca starb vor vier Wochen. Er wurde bis in seinen Tod geschunden." "Schätzungen nach werden in Österreich jährlich 100.000 Kinder misshandelt - die Dunkelziffer ist hoch."

"Ich weiß zwar nicht, wie es Ihnen geht, wenn Sie solche Artikel lesen müssen", wandte sich Strache an die Abgeordneten des Hohen Hauses, "aber ich denke, dass Sie nicht viel anders empfinden werden als ich, dass Sie genauso wie ich Wut empfinden und Entsetzen und eine tiefe Trauer. Ja, es schockiert mich, dass so etwas möglich ist in unserem Land, dass es Leute gibt, die nichts dabei finden, kleine Kinder zu quälen, dass es Leute gibt, denen es sogar Spaß macht, Kinder zu foltern."

Auch aus anderen Zeitungsberichten zitierte Strache: Tiroler Tageszeitung, 13. November: "Brutalität gegen Kinder steigt: 23 Fälle an der Klinik" Krone, 27. November: "Babyleichen: Kein Verfahren - Tötung unmittelbar nach Geburt verjährt" Krone, 30. November: "Gewalt an Babys: Behörden schauen zu" Tiroler Tageszeitung, 3. Dezember: "Fälle wie Luca keine Seltenheit"

"Das waren nur ein paar wenige Beispiele", so Strache weiter. Bei Fällen wie Luca oder den Innsbrucker Babyleichen handle es sich in Wahrheit nur um die Spitze eines gigantischen Eisbergs, dessen Kälte ungeheuerlich sei. "Ich gebe zu, ich begreife so etwas nicht. Was muss in einem Menschen vorgehen, der sich an Kindern vergeht? Der auf Kinder einprügelt oder der sie sexuell missbraucht? Was sind das für Menschen? Ich begreife solche Leute nicht. Und ehrlich gesagt, ich glaube, ich will solche Ungeheuer auch gar nicht begreifen", erklärte Strache.

"Aber eines will ich: Ich will, dass solche Bestien in Menschengestalt die volle Härte des Gesetzes trifft. Wer sich an wehrlosen kleinen Menschen vergreift, verdient es nicht, ein akzeptierter Teil unserer Gesellschaft zu sein, und muss, zum Schutze unserer Jüngsten, auf schnellstem Wege aus dem Verkehr gezogen werden", stellte Strache eindringlich fest. "Solche Leute gehören weggesperrt. Und wenn es die Schwere des Falles erfordert, auch lebenslänglich."

Die Gesetzeslage sei aber manchmal eigenartig, meinte Strache weiter. "Wie kann Mord an Babys nach fünf Jahren verjähren, wie im Fall der Innsbrucker Babyleichen? Sind Babys noch keine vollwertigen Menschen? Oder wie sonst soll man so eine Gesetzgebung verstehen?" Deshalb fordere die Freiheitliche Partei, dass die Verjährung abgeschafft wird bei Straftaten gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, in jenen Fällen, in denen die Opfer Minderjährige sind. "Solche Verbrechen sollen nicht nach fünf Jahren verjähren, nicht nach dreißig Jahren, sondern gar nicht. "Wer sich an Kindern vergeht, soll wissen, dass er immer und jederzeit zur Verantwortung gezogen werden kann und dass ihn seine widerlichen Taten bis an sein Lebensende verfolgen werden. Kindesmisshandlung und Kindesmissbrauch dürfen keine Kavaliersdelikte sein, sondern auch durch die Höhe der Strafen erkennbar sein als der größte Frevel, dessen sich ein Mensch schuldig machen kann."

Deshalb fordere die FPÖ auch die Einführung der lebenslangen Freiheitsstrafe für Personen, die mit Unmündigen den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternehmen, und das Anheben der Strafsätze sämtlicher Straftatbestände gegen Leib und Leben, gegen die Freiheit oder gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung, die gegenüber Minderjährigen verübt werden. Außerdem seien Verbrecher, die Kinder misshandeln oder missbrauchen, in der Mehrzahl der Fälle Wiederholungstäter. Deshalb dürfe es auch in Zukunft keine vorzeitigen Entlassungen und bedingten Strafen mehr geben für solche Verbrecher."

Strache kritisierte aber auch das Versagen der zuständigen Behörden im Fall Luca. "Das soziale Netzwerk der Jugendwohlfahrt hat völlig versagt. Allem Anschein nach waren die Sozialarbeiter überfordert. Jedenfalls hätten sie bemerken müssen, dass das kleine Kind mit blauen Flecken und Blutergüssen übersät war. Und auch die Mödlinger Bezirkshauptmannschaft wird noch erklären müssen, warum sie sich gegen ein Ausfolgeverbot an die Mutter ausgesprochen hat."

Deshalb verlange die FPÖ eine unbedingte Anzeigepflicht für alle Personen, die beruflich mit Minderjährigen zu tun haben, und zwar dann, wenn ein begründeter Verdacht des physischen, sexuellen oder psychischen Missbrauchs besteht. "Und wir verlangen die Schaffung eines neuen Straftatbestandes, nämlich der unterlassenen Anzeige, und zwar für alle Personen, die einer solchen Anzeigepflicht unterliegen", führte Strache weiter aus.

Strache sprach sich in diesem Zusammenhang für die verpflichtende Einführung der gemeinsamen Obsorge aus. Seit 01.07.2001 gibt es in Österreich die Möglichkeit, die "Obsorge beider Elternteile" im Falle einer Scheidung freiwillig zu vereinbaren. Diese Regelung wurde im Jahr 2005 einer Evaluierung unterzogen. "Die Evaluierungsstudie des Justizministeriums brachte einige unerwartete und erfreuliche Ergebnisse", führte Strache weiter aus. Die neue Möglichkeit der gemeinsamen Obsorge wurde im Untersuchungszeitraum in 53,7 Prozent der Fälle in Anspruch genommen. Positive Auswirkungen sind vor allem die schnellere Beruhigung des Konfliktniveaus, weniger Konflikte um die Ausübung des Besuchsrechts, hohe Zufriedenheit mit der Obsorge beider Elternteile, häufigere Kontakte der Kinder mit dem getrennt lebenden Elternteil, eine zehn mal niedrigere Kontaktabbruchsrate als bei alleiniger Obsorge, der getrennt lebende Elternteil übernimmt quantitativ und qualitativ mehr elterliche Aufgaben und Verantwortung, mehr Austausch zwischen den getrennt lebenden Eltern, positive Auswirkungen auf die Zahlung des Kindesunterhalts (pünktlicher, Höhe wird eher als angemessen erlebt). Strache meinte daher, dass die Obsorge beider Elternteile gesetzlich vorgeschrieben werden solle und ein Abgehen von dieser Regelung nur bei Vorliegen einer Gefährdung des Kindeswohls möglich sein solle.

Es dürfe auch nicht mehr vorkommen, dass die Entscheidung in Scheidungsfällen oft jahrelang dauere. "Genau dieses langsame Mahlen der Gesetzesmühlen macht Fälle wie die des kleinen Luca erst möglich", meinte Strache. Deshalb verlange die FPÖ eine unbedingte Entscheidungspflicht in Besuchsrechts- und Obsorgeangelegenheiten binnen sechs Monaten.

"Uns allen hier liegt das Wohl unserer Kinder am Herzen, davon gehe ich aus. Wir sind für unsere Kinder verantwortlich, unsere Kinder sind unsere Zukunft", erklärte Strache. "Wenn Kinder gedemütigt, geprügelt und missbraucht werden, wird ihre kleine Seele zerstört, und damit wird auch die Seele unserer ganzen Gesellschaft zerstört. Eine Gesellschaft, die ihre Kleinsten nicht achtet, verdient keinen Respekt. Und das können und dürfen wir nicht zulassen."

 

 Westenthaler: Dringliche Anfrage an Justizministerin Berger
Insgesamt muss eine wirksame Kontrolle zum Schutz der Kinder sichergestellt sein
Wien (bzö) -
Im Zuge der Sitzung des Nationalrates brachte BZÖ-Chef Klubobmann Abg. Peter Westenthaler eine Dringliche Anfrage betreffend Gewalt gegen Kinder - Stunde der Wahrheit für Berger an die Justizministerin ein.

Nach der Opfertabelle des Bundeskriminalamtes wurden im letzten Jahr mehr als 700 Verurteilungen von Straftaten an unter Zehnjährigen statistisch erfasst. Dabei waren allein knapp 200 Kinder unter sechs Jahren von Gewaltdelikten betroffen. In Wien gab es im selben Jahr genau 10.045 Meldungen über Kindesmisshandlungen an das Jugendamt, in Oberösterreich gingen rund 5.000 Meldungen dieser Art bei den Behörden ein. Der größte Teil der Meldungen bezog sich auf Vernachlässigung und psychische Gewalt. Weiters leben nach Schätzungen österreichweit mindestens 8.000 verwahrloste Kinder.

Die insgesamt erschreckend hohe Anzahl von Vergehen und Verbrechen an Kindern muss dringender Auftrag an alle an der Verwaltung und Gesetzgebung Beteiligten sein, unsere Kinder besser zu schützen. Dies gilt erst recht, da Experten gerade bei kindlichen Opfern regelmäßig von einer erheblichen Dunkelziffer ausgehen. Auch der letzte Strafrechtsliberalisierer muss nun davon überzeugt sein, dass es dringlich und richtig ist, unsere Kinder umfassend zu schützen und Personen, die Straftaten an Kindern begehen, so lange wie möglich als Gefahrenquelle für weitere Kinderseelen von diesen fernzuhalten. Kinder sind unsere Zukunft!

Durch die mediale Berichterstattung in den vergangenen Tagen, Wochen und Monaten sind wieder schreckliche Gewaltverbrechen an Kindern und Kleinkindern einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden. Besonders der schockierende Fall des 17-monatigen Luca, der nach langem Martyrium qualvoll sterben musste, sowie der Vorfall in Wien, das so genannte Sex-Attentat am 13.09.2007 an einem sechsjährigen Mädchen auf der Toilette der Volksschule Kindermanngasse, und der fortgesetzte Missbrauch an mindestens sechs Mädchen durch einen 63-Jährigen in einem Vorarlberger Kinderdorf haben verdeutlicht, dass Kindern in unserer Gesellschaft ein zu geringer Wert beigemessen wird und sie zu wenig vor Rechtsbrechern geschützt werden. Gleichermaßen zeigt dies der Fall des Kinderschänders aus Innsbruck. Dieser hatte im vergangenen Jahr serienweise Mädchen sexuell missbraucht und war daraufhin lediglich zu zwei Jahren teilbedingter Haft verurteilt worden. Besondere Mahnung und Antrieb müssen die vier weiteren in der letzten Woche bekannt gewordenen Fälle von schwerer Kindesmisshandlung in Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg sein.

Geradezu unerträglich ist die Tatsache, dass der schlimme Zustand des kleinen Luca den Behörden bekannt war - immer wieder wurde der Bub in Krankenhäuser in Tirol am Wohnort der Mutter und in Niederösterreich am Wohnort des Stiefvaters mit gebrochenen Armen, Hämatomen am ganzen Körper und sichtbaren Narben einge-liefert. Obwohl die Krankenhäuser die Behörden über den Zustand des Kindes informiert hatten, sah man bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft in Schwaz offenbar keinen Grund, wirksame Maßnahmen zum Schutz des Kleinkindes einzuleiten.

Nach Aussage des Obmanns des Vereins Dialog für Kinder, Günther Tews, ist das Schicksal des Buben jedoch kein Einzelfall: Rund 90 Prozent der Fälle von Kindesmisshandlung mit letztlich tödlichem Ausgang waren dem Jugendamt vorher bekannt. Ein sträfliches Unterlassen, das ob seiner Verantwortungslosigkeit nicht zu begreifen ist.

Wenn nicht die eigenen Eltern für das Wohlergehen ihrer Kinder sorgen können, haben Kinder offenbar keine verlässlichen Vertreter ihrer Interessen. Dabei brauchen gerade Kinder Zu- und Fürsprache, erst recht, wenn die Eltern hierzu nicht in der Lage sind oder die Gefahr gar von diesen ausgeht. Darüber hinaus lässt die geschätzte Zahl von 8.000 verwahrlosten Kindern in Österreich größte Befürchtungen aufkommen - da stellt es sich als Skandal dar, dass das entsprechende Delikt vor Gericht kaum eine Rolle spielt: Lediglich 25 Verurteilungen wegen "Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen" gab es laut gerichtlicher Kriminalstatistik im vorvergangenen Jahr.

Allerdings kann die hohe Zahl von verwahrlosten Kindern, die niedrige Zahl der Verurteilungen und die erschreckend hohe Anzahl der Fälle, in denen die Behörden schlicht untätig bleiben, nicht besonders verwundern, da ein skandalöses Verhältnis von Personalressource und zugewiesenen Aufgaben in den Behörden der Jugendwohlfahrt herrscht: Ein Sozialarbeiter hat zwischen 80 und 100 Kinder aus schwierigen Verhältnisses mit "Erziehungsmaßnahmen" zu betreuen. Mehr als eine Alibifunktion kann mithin ob dieser Arbeitsbelastung schlicht nicht erfüllt werden. Hier muss eine massive Aufstockung des Personalbestandes erfolgen. Kinder müssen vom Staat geschützt werden!

All diese Geschehnisse haben zu Recht wegen der Abscheulichkeit der Taten, wegen der Untätigkeit der Behörden sowie wegen der viel zu geringen Strafdrohung und teilweise skandalös geringen Verurteilungen starke Empörung in der Bevölkerung und in den Medien ausgelöst. Erst letzte Woche wurde eine Frau, die ihr Kind nach der Geburt erstickt hat, nur zu einem Monat unbedingt und 17 Monaten bedingt verurteilt. Das AMS will diese Frau sogar als Kindergartenhelferin vermitteln!

Nichtsdestotrotz dürfen neben den Fällen in der Presse die alltäglichen kindlichen Opfer von Straftaten nicht vergessen werden. Gerade bei den weniger spektakulären Tatbegehungen an Kindern im Alltag herrscht generell ein geringes Problembewusstsein. Damit geht die regelmäßig von Kriminalisten angeführte hohe Dunkelziffer einher. Das BZÖ kämpft nicht erst seit den aktuellen Vorfällen für die Rechte der Kinder und setzt sich für das Recht auf eine gewaltfreie Kindheit ein. Der Wert der Kinder für die Gesellschaft muss sich umfassend im Strafrecht widerspiegeln - nicht nur bei Gewalt gegenüber Kindern! Denn Kinder werden nicht nur Opfer von abscheulichen Gewalt- oder Sexualdelikten, sie werden auch Opfer ganz "alltäglicher" Delikte wie Diebstahl, Raub oder Nötigung. In jedem Fall werden sie aber lebenslang traumatisiert. Deshalb muss - wie nach dem BZÖ-Initiativantrag 413/A - eine Strafrahmenverdopplung bei einer Tatbegehung an Kindern erfolgen!

Insgesamt muss eine wirksame Kontrolle zum Schutz der Kinder sichergestellt sein. Da Jugendschutz weitgehend Ländersache ist, gibt es österreichweit keine einheitliche Vorgangsweise bei einer Meldung an das Jugendamt. Wiens Kinderanwältin Monika Pinterits fordert im Kampf gegen Gewalt an Kindern daher zu recht eigene Kinderschutz-Teams in Spitälern und eine bessere bundesweite Vernetzung aller Jugendämter. Gewalttätige Eltern wechseln erfahrungsgemäß oft Wohnsitz und Hausarzt, damit Gewaltexzesse nicht entdeckt werden. Außerdem bleibt Gewalt gegen Kinder in der Familie bis zum 6. Lebensjahr, also dem Beginn der Schulpflicht, oft unentdeckt. Weiters darf die Verjährung von Straftaten an Kindern erst mit deren Volljährigkeit beginnen, da diese frei sein müssen in der Entscheidung eine Strafverfolgung zu verlangen und nicht mit einer Verjährung der Delikte konfrontiert sein dürfen. Dies belegt der Fall der 54-jährigen Tirolerin, die am 14. Juni 2007 festgenommen wurde, nachdem Anfang Juni im Kellerabteil eines Innsbrucker Mehrparteienhauses drei Babyleichen entdeckt worden waren. Zwar steht für die Staatsanwaltschaft Innsbruck fest, dass die Frau strafrechtlich relevante Schuld auf sich geladen hat und dies auch nicht leugnet. Dennoch kann sie dafür wegen der viel zu kurzen Verjährungsfrist des § 79 StGB nicht mehr belangt werden. Dem kann mit einer bundesweiten Erfassung von Meldungen, die Kinder betreffen, mit einer Anzeigepflicht, einer Verjährungshemmung und mit einer Untersuchungspflicht für Kinder entgegengewirkt werden.

Die Bundesregierung zeichnet sich jedoch trotz des dringenden Handlungsbedarfs durch Nichtstun aus. Lediglich die Bundesministerin für Justiz erklärte sich kurz und vernehmbar in der Kronenzeitung und gestern im Hohen Haus - leider zu wenig konsequent und zu allgemein. Ihre Kabinettskollegen scheinen sich erst gar nicht in ihrem Winterschlaf stören zu lassen - die große Novelle zur Jugendwohlfahrt der Bundesregierung lässt wie die Vereinheitlichung des Jugendschutzes auf Bundesebene weiter auf sich warten!

Daneben besteht Handlungs- und Verbesserungsbedarf vor allem bei folgenden Punkten:

  • Die Gewaltprävention muss zumindest bei bekannten Problemfällen schon vor der Geburt eines Kindes durch Stärkung der Erziehungs- und Konfliktlösungsfähigkeit der Eltern einsetzen.
  • Den Eltern muss die Wahrnehmung ihrer Pflichten konkret abverlangt werden können.
  • Eltern müssen aber bei Erziehungsnotstand auch durch eine intensive Betreuung durch Erziehungsfachleute besser bei der Erfüllung ihrer Aufgabe unterstützt werden.
  • Die Lebenssituation durch Gewalt erheblich gefährdeter Kinder muss durch eine Intensivbetreuung oder die Herausnahme aus der Familie so nachhaltig verbessert werden, dass eine weitere Gefährdung ausgeschlossen werden kann.

 

 
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

  
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