Änderungen der Rahmenbedingungen in der Milchwirtschaft der EU   

erstellt am
02. 01. 08

Konsequenzen für Österreichs Milcherzeugung
Wien (wifo) - Seit dem Jahr 2003 werden in der EU agrarpolitische Markteingriffe Schritt für Schritt abgebaut. Nach den Reformen der Marktordnung für wichtige Agrargüter sind nun auch auf dem Milchmarkt tiefgreifende Änderungen vorgesehen. Die Europäische Kommission plant die Abschaffung der Milchquoten ab 2015. Die österreichische Milchwirtschaft dürfte danach durch Produktionsausweitungen Vorteile gewinnen, jedoch nicht in allen Regionen. Die landwirtschaftlichen Betriebe müssen bereits jetzt auf die absehbaren Veränderungen reagieren. Derzeit werden verschiedene Übergangsmaßnahmen diskutiert. Unabhängig davon verspricht eine Strategie der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch weitere Qualitätsverbesserungen und Kostensenkungen den meisten Erfolg.

Absehbare Änderungen der Rahmenbedingungen für die Milchwirtschaft
Am 12. Dezember legte die Europäische Kommission einen Bericht vor, in dem die Marktperspektiven für den Milchsektor erörtert werden. Prognosen zeigen, dass die Milchnachfrage sowohl auf dem Binnenmarkt als auch auf dem Weltmarkt steigen dürfte. Steigende Preise werden eine Ausweitung des weltweiten Angebotes von Milchprodukten mit sich bringen. Da die Produktion in der EU durch eine Quotenregelung beschränkt ist, dürfte sich der Weltmarktanteil der EU verringern. Die Kommission schlägt dem Rat vor, die derzeit geltenden Quoten bereits im Jahr 2008 um 2% anzuheben. Damit soll das derzeit sehr hohe Preisniveau einzelner Milchprodukte gesenkt werden. Gleichzeitig sollen damit Schritte eingeleitet werden, die eine "sanfte Landung" in einer Situation ohne Milchquoten ermöglichen. Ab dem 1. April 2015 soll die in der EU seit 1984 bestehende Beschränkung der Milchproduktion durch individuelle Produktionsquoten ganz beseitigt werden.

Betriebe, die über Milchquoten verfügen, haben in vielen EU-Ländern (darunter Österreich) einen Vermögensvorteil, da die Quote nicht nur eine Beschränkung, sondern auch ein Produktionsrecht ist. Die Ausdehnung der Milchproduktion ist allerdings für expansionswillige Betriebe mit hohen Kosten verbunden, da Quoten zugekauft werden müssen. Diese Belastung schwächt die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Milchwirtschaft. Eine absehbare und schrittweise Lockerung der Produktionsbeschränkungen dient vor allem dazu, die Anpassungskosten der Betriebe zu glätten. Die Anhebung der Milchquote ist nur eine der möglichen Maßnahmen zur Heranführung des Milchsektors an die Bedingungen nach dem Auslaufen der Quotenregelung. Alternative Maßnahmen sind u. a. die Senkung der Zusatzabgabe (die geleistet werden muss, wenn die Quote überschritten wird) und die Zulassung des Quotenhandels über Landesgrenzen hinweg (in einigen EU-Ländern wird die Quote nicht ausgenutzt).

Die Wettbewerbsstellung der österreichischen Milchwirtschaft
Mehrere Studien zeigen, dass in Österreich die Kostenvorteile größerer Betriebe in der Milchproduktion nur schwach ausgeprägt sind. Dennoch sind die österreichischen Produzenten im EU-Vergleich wettbewerbsfähig. Diese Stellung ist aber nicht die Folge besonders günstiger natürlicher Produktionsbedingungen oder einer schlagkräftigen Betriebsstruktur; vielmehr sind die komparativen Vorteile der Milchwirtschaft in den Grünlandgebieten gegenüber anderen Produktionszweigen dafür maßgebend. Die Förderung benachteiligter Gebiete ist das wichtigste agrarpolitische Instrument, das zur Stärkung dieser Vorteile beiträgt. Das Programm der ländlichen Entwicklung, das den Rahmen für diese Förderung bietet, trägt somit maßgeblich zur Sicherung des Einkommens von Milchbetrieben in Grünlandgebieten bei.

Werden die Milchquoten abgeschafft, so ist eine Steigerung der Produktion in Österreich sehr wahrscheinlich. Dafür spricht einerseits die Tatsache, dass viele Betriebe ihre Quoten bereits jetzt überschreiten (ein Indiz für niedrige Produktionskosten), andererseits stützen Befragungsergebnisse diese Einschätzung. Die Molkereiwirtschaft kann – nach einem schwierigen Anpassungsprozess unmittelbar nach dem EU-Beitritt – zusätzliches Aufkommen verarbeiten und auf attraktiven Märkten absetzen. Aus Sicht der österreichischen Milchwirtschaft wäre die Senkung der Zusatzabgabe eine vorteilhaftere Anpassungsmaßnahme als die Ausdehnung der Quote, wie sie die Europäische Kommission präferiert. Vor allem wettbewerbsstarke Betriebe würden von einer Senkung der Zusatzabgabe profitieren.

Anpassungsoptionen landwirtschaftlicher Betriebe
Die Absicht der EU, die Milchquote 2015 abzuschaffen, ist derzeit die wichtigste Entscheidungsgröße. Über alle Begleit- oder Übergangmaßnahmen herrscht große Unsicherheit. Landwirtschaftliche Betriebe müssen daher die Phase bis 2015 entweder dazu nutzen, ihre Wettbewerbsstellung in der Milchproduktion zu stärken oder neue betriebliche Schwerpunkte zu etablieren – der Erlös aus dem Milchquotenverkauf kann hier eine wichtige Finanzierungsquelle sein. Im Programm der ländlichen Entwicklung sind Maßnahmen vorgesehen, die zur Stärkung des Humankapitals und zur Unterstützung neuer Investitionen beitragen. Die Verbesserung der Betriebsorganisation und Sorgfalt in der Kostenplanung sind die wichtigsten Ansatzpunkte zur Vorbereitung auf eine Situation nach Abschaffung der Quoten.

Das Verhältnis von Milcherzeugern zu Milchverarbeitern dürfte sich ab 2015 zuungunsten der Erzeugerbetriebe verändern. Die Möglichkeiten, die Marktstellung der Erzeugerbetriebe zu stärken, verbessern sich jedoch ebenso. Bereits jetzt deuten sich neue Organisationsformen an, die zunehmend an Bedeutung gewinnen werden:

  • stärkere Kapitalbeteiligung der Erzeugerbetriebe an den bestehenden Genossenschaften,
  • Umwandlung von Genossenschaften in Aktiengesellschaften und somit Schaffung der Möglichkeit einer Gewinnbeteiligung,
  • Organisation von Liefergemeinschaften zur Bündelung des Angebotes mit dem Ziel einer Steigerung der Erzeugerpreise,
  • Etablierung von Marken, die im Eigentum der Milchproduzenten sind,
  • Ausrichtung auf die Direktvermarktung und Veredelung im landwirtschaftlichen Betrieb, und
  • Entwicklung von Produkten mit geschützter regionaler Herkunft.


Nähere Informationen entnehmen Sie bitte der Studie "Analyse von möglichen Szenarien für die Zukunft des Milchmarktes in der Europäischen Union und deren Auswirkungen auf die Österreichische Milchwirtschaft" http://land.lebensministerium.at/filemanager/download/24786/.

Quelle: WIFO
Autoren: Franz Sinabell, Erwin Schmid

 
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