Ein Schlüssel zum Verständnis der Turbulenz?   

erstellt am
04. 02. 08

Maschinenbauer der Technischen Universität (TU) Wien untersuchen den Übergang von laminaren zu turbulenten Strömungen mit Hilfe von mathematischen Störungsmethoden
Wien (tu) - Die für den Widerstand eines schlanken Flugkörpers verantwortlichen Reibungseffekte sind bei hohen Geschwindigkeiten auf eine dünne körpernahe Schicht begrenzt. Mit der Berechnung des Verhaltens dieser sogenannten Grenzschicht beschäftigen sich Professor Alfred Kluwick, Vorstand des Institutes für Strömungsmechanik und Wärmeübertragung der TU Wien und Universitätsdozent Stefan Braun. Durch Anstellen eines Tragflügels wird der für den Flug notwendige Auftrieb erzeugt. Zu starkes Anstellen führt zum plötzlichen Verlust des Auftriebes und birgt die Gefahr eines Absturzes. Diese Flugmanöver führen daher nur Kunstflieger absichtlich herbei. Bei geringeren Anstellwinkeln kann sich unter normalen Flugbedingungen eine moderatere Form der Strömungsablösung in Form einer kleinen Ablöseblase innerhalb der Grenzschicht ausbilden, die typischerweise den laminar-turbulenten Übergang der Grenzschichtströmung bewirkt. Die Untersuchung dieses Phänomens ist deshalb von großer Bedeutung, weil die stromab der Ablöseblase anschließende turbulente Strömungsform im Gegensatz zur laminaren mit einem höheren schädlichen Widerstand und damit auch mit einem höheren Treibstoffverbrauch verbunden ist, den man vermeiden will. Außerdem verspricht man sich von einem grundlegenden physikalischen Verständnis des Strömungsüberganges (Transitionsvorganges) mehr Einsicht in die Dynamik der Turbulenz selbst. Mit Hilfe eines in die Grenzschicht eingebrachten Rauchfadens lässt sich die Ablöseblase und der dadurch bewirkte Transitionsvorgang sichtbar machen.

Den höheren Widerstandsbeitrag der turbulenten Strömung möchten die TU-WissenschafterInnen durch spezielle Strömungskontrollmaßnahmen an der sensiblen Stelle der Ablöseblase vermeiden beziehungsweise hinauszögern und so verbesserte Strömungsverhältnisse an Tragflügel-, Hubschrauber- und Windkraftrotorblättern sowie bei Turbo- und Wasserkraftmaschinen erreichen. "Ziel ist es, zur Strömungskontrolle sogenannte 'smart structures' - ein Zusammenspiel von Sensoren, Aktuatoren und Echtzeitdatenverarbeitung - mit den Erkenntnissen der theoretischen Strömungsmechanik zu einer Einheit zu verbinden", erläutert Alfred Kluwick. Mit Hilfe von asymptotischen, das heißt weitgehend analytischen Methoden, die die TU-ForscherInnen bei ihren Berechnungen anwenden, können beispielsweise Diskretisierungs- und Rundungsfehler, die sich bei einem rein numerischen Zugang zwangsweise ergeben, vermieden werden. Die komplizierten Grundgleichungen der Strömungsmechanik (Navier-Stokes Gleichungen) werden mit Störungsmethoden entwickelt. Das daraus erhaltene, wesentlich vereinfachte Gleichungssystem und dessen Lösungen führen zu einem grundlegenden Verständnis des Strömungsverhaltens.

Die Vermutung, dass der Transitionsvorgang im Zusammenhang mit der Ablöseblase eine charakteristische Schallabstrahlung aufweist, wird derzeit im Rahmen eines FWF Postdoc Forschungsprojektes von Dr. Stefan Scheichl untersucht. Kluwick: "Wenn man in der Lage ist, die Schallabstrahlung richtig zu interpretieren, weiß man, ab wann es gefährlich wird und kann noch etwas dagegen unternehmen. Ich bin überzeugt davon, dass man die in diesem Bereich sehr sensible Strömungen mit relativ einfachen Mitteln und vor allem geringen Energieeinsatz regeln kann. Bereits eine geringfügig deformierteOberfläche, zum Beispiel mit Hilfe einer elastischen Membran oder einem Schlitz, durch den das strömende Medium gezielt abgesaugt wird, beeinflusst das Verhalten der Ablöseblase entscheidend."
 
zurück