Mechanik des Kinos  

erstellt am
01. 02. 08

Ein Pionier des österreichischen Unterhaltungskinos – Retrospektive Max Neufeld – 8. Februar bis 4. März 2008, Metro Kino
Wien (filmarchiv) - Kaum ein österreichischer Filmschaffender stand so lange für erfolgreiches Unterhaltungskino wie Max Neufeld. In einer Zeitspanne von nahezu 40 Jahren hat er über 100 Filmproduktionen als Schauspieler und Regisseur geprägt, dennoch zählt er heute zu den "großen Unbekannten" der österreichischen Filmgeschichte. Max Neufeld, ein Titan des Unterhal-tungskinos, einer der in Österreich und im europäischen Exil ein Werk von seinerzeit selten internationalem Renommee hinterlassen hat, wurde von der Filmgeschichte bislang eher vernachlässigt.

Nachdem der am 13.2.1887 im niederösterreichischen Guntersdorf geborene Max Neufeld zunächst als Schauspieler durch die österreichische Provinz getingelt war, wendet er sich nach dem Ersten Weltkrieg gänzlich dem Film zu. Als Partner von Liane Haid etabliert sich Neufeld im österreichischen Stummfilmkino als Star, bei der Vita-Film am Rosenhügel zählt er 1919 zu den Gründungsmitgliedern. In den kommenden Jahren ist Max Neufeld sowohl als Regisseur als auch Schauspieler beschäftigt und avanciert zu einer prägenden Persönlichkeit des österreichischen Stummfilmkinos. Im Tonfilm beginnt Neufeld verstärkt auch in Berlin zu inszenieren. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten bereitet Neufelds raschem Aufstieg in der deutschen Filmbranche ein jähes Ende. 1933 aufgrund seiner jüdischen Wurzeln aus Deutschland vertrieben, wird er zum führenden Vertreter des unabhängigen deutsch-sprachigen Emigrantenkinos. Nachdem ihm die Reichsfilmkammer 1936 explizit ein Arbeitsverbot erteilt, emigriert Neufeld 1938 nach Rom, wo er acht italienische Spielfilme, u.a. mit Alida Valli und Vittorio de Sica inszeniert. In Spanien realisiert er anschließend zwei weitere Regiearbeiten. 1947 kehrt Neufeld für Dreharbeiten nach Österreich zurück, in den kommenden Jahren dreht er hier, aber auch in Deutschland, Frankreich und Italien, ehe er sich 1957 aus der Branche zurückzieht. Max Neufeld stirbt am 2. Dezember 1967 weitgehend vergessen in Wien.

Filmarbeit im Exil

Gerade als sich Neufeld endlich auch in Deutschland als Regisseur etablieren konnte, war wieder alles vorbei: ab 1933, mit der Einführung des Arierparagraphen, galt Max Neufeld als unerwünscht - der Anfang einer langen Reise.

Wie für Tausende andere Filmschaffende bedeutete die Verabschiedung der NS-Rassengesetze auch für Max Neufeld ein de facto Arbeitsverbot. Neue Arbeitsmöglichkeiten fanden sich zunächst in Österreich, wo Neufeld in den Jahren des Ständestaates zu einem der wichtigsten Regisseure des "Unerwünschten Kinos" wird: jener klein budgetierten deutschsprachigen Produktionen österreichischer, tschechoslowakischer, ungarischer und schwedischer Provenienz, bei denen klar war, dass sie nie in Deutschland laufen würden. Gleichzeitig kultivierte Neufeld seine Auslands-Kontakte: als er nach dem "Anschluss" emigrieren musste, verbat sich Frankreich schon, blieb nur Italien. Mit seinem Händchen für jene Euro-Spielart der Screwball Comedy, die man in Italien Kino der telefoni bianchi heißt, hatte Neufeld keine Probleme, sich in die dortige Produktionskultur einzubringen - sein Einstandswerk MILLE LIRE AL MESE (1938) gilt sogar als prototypisches Beispiel für diese Genre. Sein sicherlich wichtigstes italienisch Werk entstand nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit dem Trümmerfilm UN UOMO RITORNA (1946). 1943 setzte sich Neufeld nach dem Zusammenbruch der Mussolini-Diktatur und dem Einmarsch der Deutschen, ins nominell neutrale Spanien ab, wo er allerdings nur zwei Filme machte. Sein Wunsch, die Filmarbeit in Amerika fortzusetzen, blieb unerfüllt, ab 1947 drehte Max Neufeld wieder in Österreich, wo er 10 Jahre später mit DER SCHÖNSTE TAG MEINES LEBENS seinen letzten Film realisierte.

Max Neufeld - ein internationales Archivprojekt
Die Wiederauffindung und Neuentdeckung des größtenteils als verschollen geltenden filmischen Werkes von Max Neufeld ist das Ergebnis eines groß angelegten Projektes der internationalen Filmarchive. Von Berlin bis Moskau, von Amsterdam bis Prag, von Paris bis Belgrad oder von London bis Rom - mehr als vier Jahre haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Filmarchivs, allen voran Projektleiter Armin Loacker und der Leiter des Zentraldepots Laxenburg Nikolaus Wostry, an der sukzessiven Zurückgewinnen des zersplitterten Max-Neufeld-Filmerbes gearbeitet. Rund ein Dutzend verschollen geglaubter österreichischer Stummfilme konnte in diesen Jahren repatriiert und neu restauriert werden, ein halbes Dutzend französischer und italienischer Neufeld-Filme ist nun im Rahmen dieser Retrospektive erstmals in Österreich zu sehen. Damit ist auch die Basis für diese weltweit erste diesem wichtigen Filmkünstler gewidmete Schau geschaffen worden.

Neue Filmarchiv-Publikation zu Max Neufeld!

Begleitend zur Retrospektive präsentiert das Filmarchiv Austria eine umfassende filmwissenschaftliche Publikation zu Max Neufeld. Kunst der Routine , herausgegeben von Armin Loacker im hauseigenen Verlag, ist die erste intensive Auseinandersetzung mit dieser zentralen Figur des deutschsprachigen, zeitweise auch italienischen Films. Ziel war es dabei, größere Zeitabschnitte bzw. Produktionseinheiten darzustellen und zu analysieren, um damit werkimmanente, produktionsbedingte und politische Zusammenhänge herausarbeiten zu können.

Armin Loacker (Hg.)
Kunst der Routine
Der Schauspieler und Regisseur Max Neufeld
392 Seiten, zahlreiche Abbildungen
br., € 24,90 (Subskriptionspreis zur Retrospektive: € 19,90)

Informationen: http://www.filmarchiv.at
 
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