Debatte über Vorgänge im Innenministerium  

erstellt am
11. 02. 08

Wien (öj) - Am Montag, dem 04.02. gab es einen Personalwechsel im Bereich des Innenministeriums. Einer, der davon besonders betroffen zu sein scheint, ist Herwig Haidinger, bis dahin Chef des Bundeskriminalamtes (BKA). Das ist ja nun nichts Besonderes, sollte man glauben. Nur: Haidinger sorgte mit detailreichen Aussagen vor dem Parlamentarischen Innenausschuß für heftige Debatten, der sicherlich auch weitreichende Folgen für das Land haben werden.

Grob umrissen sind folgende Themenbereiche betroffen:
Bawag-Akten: Am Landesgericht Wien wird seit Monaten über die "verschwundenen" mittlerweile 2,5 Milliarden Euro unter der Federführung der damaligen BAWAG-Spitze verhandelt. Haidinger soll, wie er sagt, von der Ressortleitung angewiesen worden sein, über Geldflüsse von der Bawag oder vom ÖGB an die SPÖ, welche aufgrund der Ermittlungshandlungen durch das Bundeskriminalamt hervorkämen, sofort zu berichten und Unterlagen dazu zu übermitteln - und zwar zurerst und unmittelbar an den ÖVP-Klub im Parlament. Auch sei er zur "Beschleunigung der Untersuchungen gegen die SPÖ" aufgefordert worden. Er sei diesen Ansinnen aber nicht nachgekommen.

Ermittlungspannen im Entführungsfall Kampusch: Vor rund zehn Jahren wurde die Schülerin Natascha Kampusch entführt - sie konnte sich im August 2006 aus eigener Kraft befreien. Ihr Entführer entzog sich der Justiz kurz darauf durch Selbstmord. Haidinger ließ nun damit aufhorchen, als es sechs Wochen nach dem Verschwinden des Mädchens anonyme, aber konkrete Hinweise auf den Entführer gegeben habe. Diesen sei zwar nachgegangen worden, ein behauptetes Alibi habe aber zur Einstellung der Ermittlungen gegen den Verdächtigen geführt. Nur: dieses Alibi, wie sich nun herausstellte, habe es nie gegeben, der Verdächtige habe keinerlei Zeugen für die fragliche Zeitspanne gehabt. Haidinger habe eine neuerliche Prüfung des Falles angeregt, als Natascha Kampusch freigekommen sei. Dies sei ihm aber vom damaligen Cobra-Chef und Kabinettsmitglied im Innenministerium untersagt worden.

Schließlich wird dem Büro für Interne Angelegenheiten des Innenministeriums in einem Artikel des Magazins "profil" vorgeworfen, zwei von dessen Beamten hätten im August 2006 hinter der
Schwiegermutter von Ex-Bundeskanzler Franz Vranitzky "hergespitzelt" mit dem Ziel, Informationen über eventuelle Verfehlungen im Pflegebereich aufzutreiben (Anm.: dem damaligen Bundeskanzler Wolfgang Schüssel hatte man vorgeworfen, seine Familie hätte Schwarzarbeiter für die Pflege beschäftigt. Entsprechende Gerichtsurteile belegten aber die Unrichtigkeit dieser Vorwürfe).

Innenminister Günther Platter hat nun eine "Evaluierungskommission" eingesetzt, Mitglieder sind der ehemalige Präsident des Verfassungsgerichtshofes, Ludwig Adamovich, der ehemalige Präsident des Obersten Gerichtshofes, Johann Rzeszut, Susanne Reindl-Krauskopf vom Institut für Strafrecht, der Leiter der Rechtssektion im Innenministerium, Mathias Vogl, der international anerkannte Kriminalpsychologe Thomas Müller und der Polizeijurist Rudolf Keplinger. Die dem Innenministerium angehörenden Kommissionsmitglieder würden "für ihre Tätigkeit unabhängig und weisungsfrei" gestellt werden, versprach Innenminister Günther Platter.

Die innenpolitischen Auswirkungen sind nicht abzusehen, die "Causa Innenministerium" ist noch "zu jung". Feststeht jedenfalls, daß die Oppositionsparteien Grüne, FPÖ und BZÖ den Rücktritt von des Innenministers und einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuß gefordert haben. Anfangs war die SPÖ als Koalitionspartner der ÖVP noch recht zurückhaltend, wohlwissend, welche Auswirkungen ein derartiger Ausschuß auf die Zusammenarbeit mit der so massiv beschuldigten ÖVP haben könnte. Doch in der ORF-Sendung "Im Zentrum" am Abend des 10.02. klang es eher so, als würde SP-Klubobmann Josef Cap dem Drängen der Opposition nachgeben und einem Untersuchungsausschuß zustimmen. Welche Folgen das auf die Koalition hat, ob es - wie manche meinen - zum Bruch des Abkommens und zur Neuwahl im Herbst kommen wird, ist heute nicht abzusehen. Viel wird davon abhängen, wie sehr die ÖVP zur Aufklärung der "Causa Innenministerium" beitragen wird. (mm)
 
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