Blutstillung: Prozess erkannt, Infarkt gebannt?   

erstellt am
18. 02. 08

Bisher unbekannte Proteine der Blutstillung sind möglicher Angriffspunkt für neue Infarkttherapie
Würzburg (idw) - Wissenschaftler um Bernhard Nieswandt vom Rudolf-Virchow-Zentrum/ DFG-Forschungszentrum und Reinhard Fässler vom Max-Planck-Institut für Biochemie klären fundamentalen Schritt der Blutstillung auf. Zwei neue Proteine - Talin-1 und Kindlin-3 - spielen dabei eine entscheidende Rolle und werden damit zu Zielmolekülen für die Entwicklung von Medikamenten gegen Herzinfarkt oder Schlaganfall. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Forscher jetzt online in "Nature Medicine" und in der Dezemberausgabe der Zeitschrift "The Journal of Experimental Medicine".

Wie ein verletztes Blutgefäß verschlossen wird? Darauf hätten sicher die meisten eine Antwort parat - eine Gerinnungskaskade führt in verletzten Gefäßen dazu, dass Blutplättchen zu einem Blutpfropf verklumpen, der die Blutung stillt. Doch viele Details, die zur Blutstillung führen sind bisher noch unbekannt.

Ein tiefes Verständnis dieser Prozesse ist vor allem nötig, um Erkrankungen wie Herzinfarkt oder Schlaganfall zu verstehen und behandeln zu können. Ein solcher Blutpfropf entsteht nämlich auch in erkrankten Gefäßen und kann dort zu Durchblutungsstörungen oder zum vollständigen Verschluss einer Arterie führen. Es kommt zum Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Bisherige Medikamente sind nicht ausreichend, neue Ansatzpunkte müssen gefunden werden. Seit einiger Zeit untersucht das Team um Bernhard Nieswandt daher verschiedene Proteine in und auf der Oberfläche von Blutplättchen, denn jedes Protein könnte an der Ausbildung eines Blutpfropfens beteiligt sein. In Kooperation mit der Gruppe von Reinhard Fässler untersuchten sie jetzt Proteine, die eine spezielle Art von Integrinen auf Blutplättchen aktivieren könnten. Integrine sind Proteine, die bei einem Gefäßdefekt aktiviert werden und daraufhin Blutplättchen an geschädigte Gefäßwände heften oder diese über lange elastische Fasern miteinander vernetzen.

Die Wissenschaftler beschreiben jetzt in ihren beiden Veröffentlichungen, dass die bisher unbekannten Proteine Talin-1 und Kindlin-3 Integrine direkt aktivieren. Studien an isolierten Blutplättchen zeigen erstmalig, dass Mäuse, bei denen die Bildung von Talin-1 verhindert wurde, Integrine nicht aktivieren können. Die Tiere können keine Blutpfropfen ausbilden, Blutungen in verletzten Gefäßen werden nicht gestillt. Bei Mäusen, denen das Protein Kindlin-3 fehlt, kommt es in verletzten Gefäßen ebenfalls nicht zur Verklumpung. Grund ist auch hier, dass die dazu notwendigen Integrine nicht aktiviert werden.

Wie das Ganze genau funktioniert weiß Bernhard Nieswandt: "Die Proteine Talin-1 und Kindlin-3 aktivieren Integrine, in dem sie die Struktur der Integrine auf der Oberfläche von Blutplättchen verändern, so dass sie sensitiver für die elastischen Fasern werden, die die Plättchen miteinander vernetzen." So lassen sich Blutungen innerhalb kürzester Zeit stoppen.

Der umgekehrte Weg ist für die klinische Anwendung denkbar: Eine Blockade der Proteine führt dazu, dass gefährliche Verklumpungen in erkrankten Gefäßen aufgelöst werden oder erst gar nicht entstehen können. Das macht sie zu möglichen Angriffspunkten für die Vorbeugung und Therapie von Herzinfarkt oder Schlaganfall. Besonders Kindlin-3 ist interessant für die Forscher, denn das Protein kommt ausschließlich in Zellen blutbildender Gewebe vor, Nebenwirkungen in anderen Zellen könnte man damit ausschließen.
 
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