"Keine Angst vor einem starken Europa"   

erstellt am
20. 02. 08

Zukunft Europas/europäische Integration
Straßburg (eu-parlament) - Im Rahmen einer feierlichen Sitzung hat der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt am 19.02. im Parlament seine Vision von der Zukunft Europas präsentiert. Er betonte: "Wir müssen keine Angst haben vor einem starken, sondern nur vor einem schwachen Europa haben". Zudem sprach er sich deutlich für die EU-Erweiterung aus und betonte, es dürften keine neuen Mauern, etwa für die Türkei, aufgebaut werden.

Vor Beginn der Rede Reinfeldts betonte EP-Präsident Hans-Gert PÖTTERING, der Vertrag von Lissabon bringe die EU "auf einen neuen Kurs". Nach vielen Jahren der Diskussion gebe es jetzt endlich einen Vertrag, der der erweiterten EU gerecht wird und sie in die Lage versetzt, sich mit demokratischeren Verfahren erfolgreich den Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger zu widmen.

Der neue Vertrag sorge nicht nur für mehr Transparenz in der Unionstätigkeit. Auch werde der Kampf gegen den Klimawandel zum neuen Ziel der EU. "Den Kampf gegen den Klimawandel müssen wir als Europäische Union vereint vorantragen, um gemeinsam eine Führungsrolle auf globaler Ebene übernehmen zu können", so Pöttering.

Mit Freude nehme das EP die Ankündigung des schwedischen Parlaments zur Kenntnis, den neuen Vertrag bis November 2008 ratifizieren zu wollen. Wenn der Ratifizierungsprozess in allen 27 Mitgliedstaaten erfolgreich und zeitgerecht abgeschlossen werden kann, werde sich die schwedische Ratspräsidentschaft in der zweiten Hälfte des Jahres 2009 den wichtigen Herausforderungen der Zukunft in einem neuen institutionellen Rahmen widmen. Abschließend betonte Pöttering, dass er von der schwedischen Präsidentschaft "maßgebliche Impulse" erwarte.

Rede des schwedischen Ministerpräsidenten Fredrik Reinfeldt
Schweden werde den Vertrag von Lissabon im Herbst 2008 ratifizieren und in der zweiten Hälfte 2009 habe sein Land die Ratspräsidentschaft inne, so REINFELDT. Viele wichtige Themen wie die Klima- und Energiepolitik, das Haager Programm, Arbeitsplätze, Migration, Forschung und Entwicklung würden anstehen. Dabei müsse man sehr flexibel an die jeweiligen Herausforderungen gehen.

Klima- und Energiepolitik
Im Bereich der Klima- und Energiepolitik habe die EU eine große Verantwortung für zukünftige Generationen: Vor allem die Zusammenarbeit mit den USA, China, Russland und Indien sei hier wichtig. Schweden sei in diesem Bereich ein Vorbild, obwohl die Wirtschaft seit 1990 um 44% gewachsen ist, seien die Treibhausgasemissionen um 9% gesunken.

Lissabon-Strategie
Zur Lissabon-Strategie sagte Reinfeldt, dass auch andere Akteure mit einbezogen werden müssten. Die Globalisierung habe positive Entwicklungen gebracht, allerdings müsse die Politik ständig angepasst und verändert werden. Ein Drittel der Arbeitskräfte stehe abseits des Arbeitsmarktes, insofern müssten das Angebot verbessert, Ausgrenzung verringert und auch die demografische Entwicklung berücksichtigt werden.

Für EU-Erweiterung - keine neuen Mauern
Abschließend sprach er sich für die EU-Erweiterung aus, die eine große Chance biete. Leider würden sich die Stimmen der Kritiker mehren, obwohl diese das "strategisch wichtigste Instrument" der EU sei, um die Werte Europas zu erweitern. Er sprach sich deutlich dafür aus, keine "neue Mauern", etwa für die Türkei, aufzubauen.

SprecherInnen der Fraktionen

"Wir müssen Ja sagen zu dem neuen Vertrag und den Instrumenten, die er beinhaltet: So können wir die Hoffnung unserer Bürgerinnen und Bürger Realität werden lassen", erklärte Joseph DAUL (EVP-ED, FR). Durch die Lösung der institutionellen Fragen würde es Europa möglich, sich auf seine gemeinsamen Politiken zu konzentrieren: Europa müsse Arbeitsplätze schaffen, für Wachstum und soziale Entwicklung sorgen, und den Klimawandel bekämpfen - und all das auf nachhaltige Weise.

Mit Blick auf Sicherheitsfragen erklärte er, es gebe keinen Verhandlungsspielraum, wenn es um die Sicherheit der Bürger gehe. Die Verteidigung der Freiheit bedeute Entschlossenheit und koordinierte Maßnahmen bei gleichzeitigem Respekt der persönlichen Freiheiten.

Martin SCHULZ (SPD) stimmte Reinfeldt darin zu, dass Europa globale Herausforderungen wie Klimawandel oder Welthandel angehen müsse. Europa müsse eine Friedensmacht sein. In der Rede Reinfeldts fehle jeglicher Hinweis auf das soziale Europa, kritisierte Schulz. Wenn die Menschen fürchten, dass der Binnenmarkt ihre sozialen Standards bedrohe, dann wird der Binnenmarkt abgelehnt. Die soziale Stabilität, die auf nationale Ebene geschaffen wurde, dürfe nicht zerstört werden. Schulz begrüßte Reinfeldts Kommentare zur Beitrittsperspektive der Türkei und bat ihn, Nicolas Sarkozy von dieser Linie zu überzeugen.

"Wir brauchen mehr Fortschritt", so Graham WATSON (KVEL/NGL, FR). In Zukunft werde Europa offener sein und zu mehr Rechenschaft gegenüber seinen Bürgern verpflichtet. Bei den großen Herausforderungen müsse man "praktische Resultate" zeigen. Es sei "höchste Zeit" sich für den größten Machtwechsel zu wappnen, den es je gab.

Cristina MUSCARDINI (UEN, IT) unterstrich, nun beginne die "heikle Phase der Ratifizierung". Eine wichtigere Rolle bei der Mitentscheidung bringe das Parlament stärker in die Köpfe der Bürger. Die Aufgabe der EU sei es nun, seine wichtige Rolle auf internationaler Ebene zu demonstrieren, wie z.B. bei der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo.

Europa solle auf die Erfolge der Vergangenheit aufbauen, um den Kampf gegen den Klimawandel zu kämpfen, so Monica FRASSONI (Grüne/EFA, IT). Weiter betonte sie, dass Migration und Probleme des Klimawandels miteinander verbunden seien. Sie unterstütze Reinfeldt in seiner Sichtweise zur Türkei.

Francis WURTZ (KVEL/NGL, FR) betonte, es sei wichtig, sich mehr auf soziale Themen in der EU zu konzentrieren. Eine schwedische Gewerkschaft habe kürzlich versucht, ein in Schweden ansässiges lettisches Unternehmen dazu zu bewegen, schwedisches Arbeitsrecht anzuwenden. Das lettische Unternehmen jedoch lehnte dies ab - der Europäische Gerichtshof gab der lettischen Firma mit Bezug auf den freien Dienstleistungsverkehr in erster Instanz Recht.

Hélène GOUDIN (IND/DEM, SE) sprach von "undemokratischen Tendenzen in der europäischen Politik". Sie betonte, dass die politische Elite nicht an der Stimme der Bevölkerung interessiert sei, es sei denn diese sprächen sich ergeben und folgsam für mehr EU-Föderalismus aus.

Bezugnehmend auf die Ratifizierung des Reformvertrages in Frankreich sagte Jean-Marie LE PEN (Fraktionslose, FR), der "französische Hochverrat sei nun vollendet und der Kongress der Schande ist in Versailles zusammengekommen".
 
zurück