Stellungnahmen zur Unabhängigkeit des Kosovo  

erstellt am
19. 02. 08

 Gusenbauer: Unabhängigkeit des Kosovo ist Realität
Österreich wird diese Realität anerkennen und Anwalt der serbischen EU-Beitrittsbestrebungen sein
Wien (sk) - "Die Unabhängigkeit des Kosovo ist eine Realität. Wir werden diese Realität anerkennen. Die Bundesregierung wird am Mittwoch über die Anerkennungsfrage beraten und ich gehe davon aus, dass wir zeitgleich mit einer Reihe europäischer Staaten die formelle Anerkennung des Kosovo in den nächsten Tagen vornehmen können", so Bundeskanzler Alfred Gusenbauer am 19.02. im Rahmen einer Pressekonferenz nach der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo durch sein Parlament. Gleichzeitig stellte Gusenbauer fest, dass Österreich auch viel Verständnis dafür habe, dass diese Situation für Serbien nicht einfach sei. "Ich vertraue auf die Weisheit der serbischen Politik, sich nun nicht von der eigenen Zukunft abzuwenden. Je besonnener und ruhiger die serbische Politik nun agiert, desto rascher können wir gemeinsam an einer europäischen Zukunft des gesamten Westbalkan weiterbauen."

Gusenbauer betonte, dass die Unabhängigkeitserklärung nicht überraschend gekommen sei, da mittlerweile seit 1999 eine ganze Reihe an Bestrebungen nach einer Verhandlungslösung nicht erfolgreich gewesen seien. "Es ist bedauerlich, dass die Bemühungen der Vereinten Nationen und ihres Vermittlers Marti Ahtisaari ebenso ergebnislos verliefen wie die Verhandlungen der Kosovo-Kontaktgruppe unter Führung von Botschafter Ischinger." Es sei für alle erkennbar gewesen, dass weitere Verhandlungen und ein weiteres Hinauszögern der Klärung der Statusfrage des Kosovo zu einer Destabilisierung der Region geführt hätten. "Was wären die Alternativen gewesen? Neue Spannungen? Möglicherweise neue bewaffnete Konflikte? Nein, kriegerische Auseinandersetzungen und bewaffnete Konflikte sind keine Alternative", so Gusenbauer.

Der Kosovo stelle die letzte ungelöste Frage nach dem Zerfall Jugoslawiens dar. "Es ist nicht sinnvoll, nun darüber zu debattieren, welche Idealszenarien eine sauberere völkerrechtliche Lösung dieser Frage erlaubt hätten, da die historische Dynamik sich nicht an diesen Szenarien orientiert hat." Nun seien alle aufgerufen, mit der neuen Situation verantwortungsvoll umzugehen. "Die in der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo enthaltenen Bekenntnisse zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Minderheitenschutz und Multiethnizität sind wichtige Grundlagen für eine positive Entwicklung", erklärte der Bundeskanzler, der unterstrich, dass die EU und Österreich auch ganz präzise darauf achten werden, dass diese Bereiche eingehalten werden.

Auch wenn es aktuell manchen so erscheinen möge, "die Unabhängigkeit des Kosovo selbst löst keines der realen Probleme der Region". Nun gehe es darum, diese Probleme anzugehen und zu lösen, so Gusenbauer, der in diesem Zusammenhang den Aufbau einer tragfähigen Wirtschaft, stabiler politischer Institutionen, einer funktionierenden Verwaltung und eines europäischen Standards entsprechenden Justizwesens nannte.

Volles Verständnis für die Sorgen der Serben
"Ich verstehe die Frustration vieler Serben über die Entwicklungen der letzten Tage. Die Unabhängigkeit des Kosovo wird von vielen als Angriff auf das historische Selbstverständnis Serbiens empfunden und die Sorge um das Wohl der Serben im Kosovo und die Zukunft der für die serbische Kultur wichtigen historischen Stätten ist nachvollziehbar", ging der Bundeskanzler auch auf einen weiteren Aspekt ein. Umso wichtiger sei es daher, dass dieser Sorge auch durch die kosovarische Regierung entgegengetreten werde und dass die in der Unabhängigkeitserklärung gemachten Zusagen eingehalten werden.

Zu erwarten sei, dass in den kommenden Wochen das Verhältnis der EU zu Serbien ein schwieriges werde. "Es ist mir aber gerade jetzt ein besonderes Anliegen, klarzustellen, dass aus österreichischer Sicht die Zukunft Serbiens in der EU liegt. Ich möchte klarstellen, dass es mir nicht um eine nebulose europäische Perspektive geht, sondern um die EU-Vollmitgliedschaft Serbiens in überschaubarer Zeit. Österreich wird sich weiter dafür einsetzen, dass wir gemeinsam mit unseren serbischen Freunden zügig auf diesem Weg vorankommen."

Auch die in Österreich lebenden Menschen mit serbischer oder kosovarischer Herkunft bat Gusenbauer um Ruhe und Besonnenheit. "Ich habe einen Dialog mit den Vertretern der serbischen und kosovarischen Verbände in unserem Land begonnen, der dazu dienen soll, die Spannungen in dieser emotional aufgeladenen Situation zu minimieren und ich bedanke mich im Voraus für die Tätigkeit der Vertreter dieser Verbände, die sich nicht von nationalistischen Kräften missbrauchen lassen", so Gusenbauer abschließend.

 

 Plassnik: "Reifeprüfung bestanden für die gemeinsame europäische Außenpolitik"
Österreich beabsichtigt Anerkennung des Kosovo auf Grundlage der gemeinsamen EU-Linie
Wien (bmeia) - "Alle 27 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben sich heute auf eine gemeinsame Grundlage für das weitere Vorgehen zum Kosovo geeinigt. Die gemeinsame europäische Außenpolitik hat damit in einer sehr anspruchsvollen Situation ihre Reifeprüfung bestanden", erklärte Außenministerin Plassnik am 19.02. nach dem Treffen des heutigen Außenministerrates in Brüssel, bei dem Schlussfolgerungen des Rates zur Unabhängigkeitserklärung Kosovos angenommen wurden. "Jeder einzelne EU-Mitgliedstaat wird nun in Übereinstimmung mit seinen nationalen Verfahren die Haltung zur Anerkennung definieren", so die Ministerin weiter.

Gleichzeitig kündigte Plassnik an, dass Österreich beabsichtige, den Kosovo auf der Grundlage dieser gemeinsamen EU-Linie anzuerkennen. Auch innenpolitisch sei diese Entscheidung gut vorbereitet. "Es war mir ein persönliches Anliegen, in dieser Frage innenpolitisch eng akkordiert vorzugehen. Dazu habe ich insbesondere in den letzten Wochen und Monaten mit dem Bundespräsidenten, dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler eng Kontakt gehalten", so Plassnik.

"Ich werde daher in der nächsten Sitzung der Bundesregierung am Mittwoch einen entsprechenden Regierungsbeschluss beantragen. Wir werden dem Bundespräsidenten vorschlagen, mich als Außenministerin zu ermächtigen, das Anerkennungsschreiben an die kosovarische Regierung zu richten. Ich gehe davon aus, dass wir dabei im Gleichklang mit einer beträchtlichen Anzahl von europäischen Partnern in der Europäischen Union agieren werden."

Plassnik begrüßte die klare Selbstverpflichtung von kosovarischer Seite, dem Schutz der serbischen Minderheit im Kosovo entsprechend den Vorschlägen des UNO-Sonderbeauftragten Martti Ahtisaari umzusetzen. "Wir werden Pristina beim Wort nehmen, sie aber auch bei diesem Vorhaben ganz konkret unterstützen", betonte die Außenministerin unter Verweis auf die im Dezember beschlossene umfangreiche zivile Mission der EU im Kosovo.

"Die Geschlossenheit und Einigkeit der EU zeigt sich Schritt für Schritt angesichts der gestellten Aufgaben", stellte Plassnik fest. "Diese Geschlossenheit gilt auch im Verhältnis zu Serbien. Unser europäisches Angebot an Serbien steht. Daran hat sich nichts geändert. Gerade wir als Nachbarn verstehen am besten, dass dies eine schmerzliche Phase für Belgrad ist. Wir werden mit Geduld und Hartnäckigkeit weiter an der Verwirklichung der europäischen Perspektive für Serbien arbeiten, auch im Interesse der fast 140.000 Serbinnen und Serben in Österreich."

"Der Balkan ist Teil Europas. Daraus ergibt sich der Wille der EU, an der gemeinsamen Zukunft zu arbeiten. Österreich ist und bleibt Freund und Partner sowohl von Pristina als auch von Belgrad und wird sich in diesem Sinne auch weiter einbringen. Die Aufgabe lautet unverändert: nachhaltige Stabilität und konsequente Annäherung des gesamten Balkans an die EU. Eines Tages werden wir das Fernziel erreichen, das manchen heute noch utopisch erscheint: das wiedervereinigte Europa mit einem voll integrierten und versöhnten Balkan. Dann wird wahr geworden sein, wofür wir heute arbeiten - die schrecklichen Balkankriege der 90er Jahre waren die letzten blutigen Konflikte auf europäischen Boden."

 

 Voggenhuber: Neutrales Österreich sollte keine Vorreiterrolle bei Anerkennung des Kosovo spielen
Umsetzung der UNO-Resolution sollte zur Bedingung der Anerkennung gemacht werden
Wien (grüne) - "Es gibt keinen Grund für Österreich eine Vorreiterrolle bei der Anerkennung der Unabhängigkeit des Kosovo zu spielen. Österreichs Neutralitätspolitik würde nahelegen, dass die UNO-Resolution 1244, nämlich der Minderheitenschutz, die Demilitarisierung der UCK und die Rückkehr der Flüchtlinge, zur Bedingung der Anerkennung gemacht werde. Österreich sollte also mit der Anerkennung ein halbes Jahr warten, um zu prüfen, ob die Bedingungen erfüllt werden. Das wäre ein Setzen auf Konfliktlösungen statt auf die jetzige einseitige Parteinahme", fordert Johannes Voggenhuber, Europasprecher der Grünen.

Angesichts der jetzigen forcierten Anerkennung stellt sich zudem die Frage, ob es überhaupt noch einen Schimmer einer aktiven Neutralitätspolitik gibt. Der Kosovo wäre geradezu ein Paradefall für die Fortführung der Neutralitätspolitik, wie sie die Regierung immer versprochen hat, nämlich außerhalb der Union. Auch die Frage der Entwicklung einer wesentlich konkreteren europäischen Perspektive für die Staaten von Ex-Jugoxlawien wäre eine notwendige und lohnende Aufgabe einer österreichischen Neutralitätspolitik auf dem Balkan. "Das derzeitige Agieren zeigt im Gegensatz dazu, dass die Regierung nicht nur die Neutralität scheibchenweise entsorgt, sie hat auch kein Konzept für die Entwicklung einer europäischen Außen- und Sicherheitspolitik. Und sie hat keine Vorstellung mehr von einer Neutralitätspolitik, ja sie nimmt sie gar nicht mehr als politisches Konzept wahr", so Voggenhuber.

Dass es keine gemeinsame Position der EU zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovo gibt, mache die Schwäche der europäischen Außenpolitik offenkundig. Diese werde auch durch den Vertrag von Lissabon nicht beseitigt werden, denn der stark nationale und intergouvernmentale Charakter bleibe aufrecht. Das würde sich nur ändern, wenn die Außenpolitik vergemeinschaftet werden würde. "Dieses Fehlen einer gemeinsamen Position befremdet umso mehr, als es ja eine mehrjährige Vorbereitung auf eine mögliche Unabhängigkeitserklärung gegeben hat", schließt Voggenhuber.

 

 Strache: Bundesregierung darf Völkerrechtsbruch nicht akzeptieren!
Anerkennung der einseitigen Unabhängigkeitserklärung des Kosovo ist Zustimmung zu Rechtsbruch
Wien (fpd) - "Die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo ist völkerrechtswidrig und ist ein Bruch der UNO-Resolution 1244, die zwar eine substantielle Autonomie, aber keine Unabhängigkeit dieser Region vorsieht. Österreich darf diesen künstlichen, auf US-amerikanisches Geheiß geschaffenen Staat nicht anerkennen und sich nicht mitschuldig machen an diesem eklatanten Bruch des Völkerrechts", bekräftigte FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache die freiheitliche Haltung im Rahmen einer Presskonferenz.

Strache forderte insbesondere Bundeskanzler Gusenbauer auf, den gestrigen Apell des Verbands der Serben in Österreich ernst zu nehmen, in dem es heißt: "Wir, im Namen der Serbischen Gemeinschaft in Österreich, und auch als größte Serbische Organisation in Österreich, bitten Sie innig, Kosovo als Republik, nicht anzuerkennen, die 'Wiege' Serbiens, die Wiege der Geschichte Serbiens."

Der Bundesparteiobmann der FPÖ wies darauf hin, dass es sich dabei um unumstößliche Tatsachen handle. "Der Kosovo ist urserbisches Gebiet. Die Schlacht auf dem Amselfeld 1389 in der Nähe des heutigen Pristina, in der die Serben sich gegen den osmanischen Imperialismus zur Wehr gesetzt haben, ist eines der wichtigsten Ereignisse der serbischen und europäischen Geschichte", untermauerte Strache. Es müsse auch klar sein, dass es heute zwischen Österreich und Serbien keine Differenzen mehr gebe, die historischen Konflikte seien beigelegt. Diese Errungenschaften dürften nicht einfach so vom Tisch gewischt werden.

Strache kritisierte das Verhaltensmuster der Bundesregierung massiv, den Kosovo ohne völkerrechtliche Deckung als eigenen Staat anzuerkennen. Das sei ein Anschlag auf die serbische Souveränität und Identität. "Dort wo Amerika sagt, was zu geschehen habe, hoppelt die Bundesregierung hinterher. Anstatt die neutrale Tradition Österreichs zu beherzigen und eine Vermittlerrolle einzunehmen, versucht man, Großmachtpolitik zu spielen, was ja auch der aberwitzige Einsatz im Tschad eindringlich beweist. Für ein Kopftätscheln der EU-Gewaltigen machen Gusenbauer und Plassnik fast alles", analysierte Strache.

"Auch eine eigenständige europäische Außenpolitik kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Derzeit macht eindeutig Amerika die außenpolitischen Vorgaben", so Strache. Zudem sei es völlig inakzeptabel, dass die EU die einseitige Loslösung des Kosovo aus dem serbischen Staatsverband auch noch logistisch und finanziell unterstütze und belohne. Schließlich seien schon Milliarden Euro an Wiederaufbauhilfe in diese Region geflossen, ohne dass es wirklich etwas genützt habe.

Strache forderte die Bundesregierung auf, diesen Bruch des Völkerrechts - die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo - nicht anzuerkennen, sondern im Sinne der Neutralität hier massiv Kritik zu üben.

 

 Scheibner: "Unabhängigkeit bringt auch Verantwortung mit sich"
"In Wahrheit ist es aber auch ein Ergebnis einer verfehlten Politik der internationalen Gemeinschaft
Wien (bzö) - "Wir befürworten die Unabhängigkeit des Kosovo. Nur die Unabhängigkeit hat nicht nur Vorteile, sondern bringt auch Verantwortung mit sich", sagte BZÖ- Klubobmannstellvertreter und außenpolitische Sprecher Abg. Herbert Scheibner.

"In Wahrheit ist es aber auch ein Ergebnis einer verfehlten Politik der internationalen Gemeinschaft, bei dem man lange diese Fiktion von der Rückkehr der Flüchtlinge auch im Kosovo verfolgt hat. Allerdings wird der Kosovo auch lange Zeit nicht selbständig lebensfähig sein und die EU muß auf die Kosovaren verstärkt darauf drängen, mehr Selbstverantwortung zu übernehmen. Besonders, was die Bereiche der Kriminalität, der wirtschaftlichen Entwicklung und den Aufbau der zivilen Gesellschaft anlangt. Die Kosovaren dürfen die EU nicht als Selbstbedienungsladen verstehen, der ihnen ohne Eigeninitiative das Überleben mit den Geldern der EU-Nettozahlern sichert", schloß Scheibner.

 

 
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

  
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