"Wahlkampfstimmung" im Hohen Haus  

erstellt am
03. 03. 08

Wien (öj) - "Mißbrauch des Innenministeriums für parteipolitische Zwecke" - das war der Titel der Dringlichen Anfrage an Innenminister Günter Platter in der Sondersitzung des Nationalrates am 03. 03., eingebracht von den Grünen. Die Begründung: Das "Vertrauen der Bevölkerung in das Innenministerium und in die Arbeit der Polizei" sei aufgrund der in den letzten Wochen publik gewordenen Vorwürfe über parteipolitisch motivierte Vorgänge im VP-geführten Ressort "aufs Schwerste erschüttert". Grünen-Chef Alexander Van der Bellen listete eine Reihe von Fragen auf, die Innenminister Günther Platter zu beantworten hatte. Während der ÖVP-Club im Plenum ihren Ressortchef mit anhaltendem Applaus bedachte und mit dessen Antworten sichtlich zufrieden war, waren sie für die Abgeordneten von Koalitionspartner SPÖ und der Opposition (Grüne, FPÖ und BZÖ) unzureichend.

Nach einer Reihe von diesbezüglichen Wortmeldungen folgte ein gemeinsamer Antrag von Grünen, Freiheitlichen und BZÖ auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses hinsichtlich "der Vertuschung von Polizeiaffären und des Mißbrauchs der politischen Macht" im Innenministerium, aber auch im Justiz-, im Finanz- und im Außenministerium. Unter anderem soll der Ausschuß Postenbesetzungen im Innenressort ab dem Jahr 2000 unter die Lupe nehmen und aufklären, ob Ermittlungsergebnisse in der Causa BAWAG mißbräuchlich für Wahlkampfzwecke verwendet wurden. Aber auch mit den Ermittlungspannen im Fall Kampusch, der Weitergabe von EKIS-Daten von AsylwerberInnen, illegalen Visaerteilungen von österreichischen Konsularbehörden und der möglichen Finanzierung von SPÖ und ÖGB durch die BAWAG wird sich der Untersuchungsausschuß befassen. Nach knapp fünfstündiger Debatte setzte der Nationalrat mit den Stimmen von Sozialdemokraten, Grünen, Freiheitlichen und BZÖ einen Untersuchungsausschuß ein, der – mit insgesamt 32 Prüfaufträgen formuliert – vor allem die politische Verantwortung für Vorgänge im Innenministerium klären soll.

Immer wieder war in den vergangenen Tagen aus der ÖVP zu hören, eine SPÖ-Zustimmung zum Untersuchungsausschuß würde einen Koalitionsbruch bedeuten, was vor allem die zahlreichen Spekulationen über eine bevorstehende Neuwahl auslöste. Trotz vieler Beteuerungen von beiden Parteispitzen, es würde weitergearbeitet werden, an eine Regierungsaufösung sei keineswegs gedacht, ließen die Formulierungen in der Sondersitzung eher an Wahlkampfstimmung denken. Wozu es – zumindest am 03.03. – nicht gekommen ist, war eine Äußerung der ÖVP, welche Auswirkung die Abstimmung gegen ihren Willen auf die weitere Zusammenarbeit mit der SPÖ haben würde.

Ein BZÖ-Entschließungsantrag zu Steuersenkung, Teuerungsausgleich und Heizkostenzuschuß wurde von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer, wie diese erklärte, aufgrund der parlamentarischen Geschäftsordnung nicht zugelassen.

Es ist davon auszugehen, daß dieser bei nächster Gelegenheit neuerlich gestellt wird – was zu einer weiteren Abstimmung führen könnte, bei welcher die SPÖ gegen die ÖVP stimmt: Es geht hier in erster Linie um die "Vorverlegung" der für 2010 geplanten Steuerreform, die Bundeskanzler Alfred Gusenbauer vor wenigen Tagen forderte, der aber seitens der ÖVP nicht zugestimmt wird. BZÖ-Klubobmann Peter Westenthaler hat bereits die SPÖ aufgerufen, durch Zustimmung zu diesen Anträgen zu beweisen, daß es ihr nicht um den Erhalt der Regierung, sondern um die Sache selbst und ums Land gehe. Es darf gespannt darauf gewartet werden, wie sich die SPÖ dann verhalten wird. Vor der Landtagswahl in Niederösterreich am 09.03. stehen wohl aber keine tiefschürfenden Veränderungen in der heimischen Innenpolitik bevor.
 
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