Causa Kampusch: Adamovich will nicht von Vertuschung sprechen   

erstellt am
27. 02. 08

"Klarheit nur durch Gegenüberstellung von Treibenreif und Haidinger"
Wien (pk) - Er würde, wenn man ihn persönlich frage, in der Causa Kampusch nicht von Vertuschung sprechen. Der Begriff sei viel zu unbestimmt, um eine derartige Aussage zu treffen. Das betonte der Vorsitzende der Evaluierungskommission Ludwig Adamovich am 26.02. im Innenausschuss des Parlaments. Gleichzeitig räumte er allerdings ein, dass nur eine direkte Gegenüberstellung von Ex-BK-Chef Herwig Haidinger und Cobra-Chef Bernhard Treibenreif Klarheit über die tatsächlichen Vorkommnisse schaffen könnte.

Das Problem sei, erklärte Adamovich, dass Haidinger immer wieder von Weisungen Treibenreifs spreche, während dieser selbst diesen Ausdruck nie verwende. Auch ein Zusammenhang zwischen Weisung und Nationalratswahlen werde ausschließlich von Haidinger hergestellt.

Adamovich hielt Haidinger allerdings zugute, dass es generell schwer festzustellen sei, ob Anordnungen von Kabinettsmitgliedern im Auftrag des jeweiligen Bundesministers erfolgten oder nicht. Haidinger habe mit einer gewissen Berechtigung von der Vermutung ausgehen können, dass das, was vom Kabinett Prokops gekommen ist, Wille der Ministerin gewesen sei, meinte er. Dies entspreche auch der "allgemeinen Atmosphäre" in den Ressorts.

An und für sich seien Kabinettsmitarbeiter kein zuständiges Organ für das Erteilen von Weisungen, skizzierte Adamovich, sie könnten aber Weisungen des jeweiligen Bundesministers transportieren. Hier befinde man sich allgemein in einem "etwas undurchsichtigen Bereich", auch im Fall Kampusch habe die Klarheit gefehlt.

Generell führte Adamovich aus, ein Beamter habe auch gesetzwidrige Weisungen zu befolgen, allerdings sei er in einem solchen Fall verpflichtet, seine Bedenken vorzubringen. Bestehe der Minister dennoch auf seiner Weisung, müsse diese schriftlich erfolgen, sonst gelte sie als zurückgezogen. Weisungen von unzuständigen Organen und strafrechtswidrige Weisungen seien nicht zu befolgen.

Ein Verlangen Haidingers auf schriftliche Weisung ist nach Darstellung von Adamovich nicht gestellt worden. Es gebe auch keinen Anhaltspunkt, dass eine strafrechtswidrige Weisung vorgelegen sei.

Als weitere Schritte der Evaluierungskommission kündigte Adamovich die Befragung jenes Hundeführers an, der seinerzeit den Hinweis auf Priklopil gegeben hat. Mit ihm und mit anderen Exekutivbeamten sollen am 3. März Gespräche geführt werden.

Die Diskussion um den richtigen Zeitpunkt der Evaluierung der Causa Kampusch könne er "nicht so ganz durchschauen", sagte Adamovich. Die Arbeit der Evaluierungskommission gehe jedenfalls sehr zügig voran, versicherte er, es werde relativ rasch Ergebnisse geben. Das Justizministerium ermittelt seiner Auskunft nach wegen fahrlässiger Verletzung der Freiheit einer Person aufgrund nicht ausreichender Ermittlungen seitens der zuständigen Behörden.

Auch in den Fragen und Wortmeldungen der Abgeordneten ging es vor allem um die Weisungsfrage. So meinte Abgeordneter Otto Pendl (S), ein Beamter nehme selbstverständlich an, dass eine Weisung des Ministers vorliege, wenn diese von einem Kabinettsmitglied komme. Abgeordneter Helmut Kukacka (V) brachte vor, dass Haidinger im Innenausschuss dezidiert erklärt habe, keine rechtswidrige Weisung erhalten zu haben, "schon gar nicht im Fall Kampusch". Seitens der ÖVP erkundigten sich Kukacka und Abgeordneter Günter Kössl bei Adamovich außerdem danach, ob es im Innenressort tatsächlich Vertuschungen gegeben habe oder ob dies eine Auslegungssache eines einzelnen Beamten sei.

Abgeordneter Peter Pilz (G) wies auf den schriftlichen Zwischenbericht Adamovichs hin, dem zufolge nahezu mit Sicherheit davon auszugehen sei, dass es sich beim E-Mail Treibenreifs an Haidinger inhaltlich um eine Weisung gehandelt habe. Pilz zufolge ist allerdings ungeklärt, ob Treibenreif eigenmächtig gehandelt oder im Auftrag der Ministerin agiert habe.

Zu den Ausführungen Adamovichs hielt Pilz fest, er könne sich nur schwer vorstellen, dass der Vorsitzende der Evaluierungskommission bereits am Anfang der Untersuchungen und nach Befragung einer einzigen Person bereits abschließend befinden könne, ob es eine Vertuschung gegeben habe oder nicht. Seiner Ansicht nach kann nur ein Untersuchungsausschuss Klarheit bringen, da allein dort Wahrheitspflicht bestehe. Die heutige Befragung könne einen Untersuchungsausschuss nicht ersetzen, betonte Pilz, sie habe den Abgeordneten aber einen Überblick darüber verschafft, wie groß die Zahl der offenen Fragen sei.

Abgeordneter Peter Westenthaler (B) sprach generell von einem "Graubereich" zwischen Anfrage, Ersuchen und Weisung und forderte eine Aufklärung des Sachverhalts. Für ihn geht es bei der Untersuchung der Causa Kampusch, wie er ausführte, um zwei Komplexe: um - bewusste oder unbewusste - Pannen und Schlampereien direkt nach der Entführung sowie um die politische Verantwortung für den Evaluierungsstopp.

Innenminister Günther Platter wiederholte seine Aussage, dass eine Evaluierung des Falls Kampusch zu dem Zeitpunkt vorgesehen gewesen sei, zu dem die Sonderkommission ihre Ermittlungen abgeschlossen gehabt hätte. Aufgrund der aktuellen Diskussion habe er allerdings vorzeitig eine Evaluierungskommission eingesetzt, auch wenn der Aktendeckel nach wie vor nicht geschlossen sei.

Generell bekräftigte Platter, im Ausschuss seien alle Fragen der Abgeordneten beantwortet worden. Davon hätten sich auch die Medien ein Bild machen können. Man brauche "nichts unter den Teppich kehren", betonte der Minister.

Zum Schluss der Sitzung wurde die Jahresvorschau des Innenministeriums betreffend das Legislativprogramm der EU-Kommission vom Ausschuss formal zur Kenntnis genommen. Die Aktuelle Aussprache hatte sich, wie Ausschussvorsitzender Rudolf Parnigoni festhielt, mit der Befragung der Auskunftspersonen erübrigt.
 
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