Koalitionszwist wegen Steuerreform  

erstellt am
26. 02. 08

 Gusenbauer zu Steuerreform: ÖVP soll mit SPÖ in "inhaltlichen Ideenwettbewerb" eintreten
Kleine und mittlere Einkommen 2009 um 500 Euro entlasten
Wien (sk) - SPÖ-Vorsitzender, Bundeskanzler Alfred Gusenbauer stellte am Abend des 25.02. erneut klar, dass das große Reformpaket bestehend aus einer Entlastungs-Steuerreform und einer Sanierung des Gesundheitswesens bis zum Herbst erarbeitet werden müsse, um mit 1.1.2009 in Kraft zu treten. "Es ist für die Menschen, denen immer weniger im Börsel bleibt, dringend notwendig, die Steuerreform 2009 zu machen, auch die Sanierung der Krankenkassen darf nicht auf die lange Bank geschoben werden". Die ÖVP sei jetzt aufgefordert, "gemeinsam mit der SPÖ in den inhaltlichen Ideenwettbewerb einzutreten, statt weiterhin im reflexartigen Neinsager-Syndrom zu verharren - damit wäre Österreich und den Menschen besser gedient". Der Bundeskanzler betonte bei der von der Wiener SPÖ Bildung initiierten Veranstaltungsreihe "Politik mit Zukunft" auch, dass er "vergangenen Mittwoch vor dem Ministerrat" Vizekanzler Molterer auseinandergesetzt habe, dass "die Bundesregierung als Handlungsbeweis für gute Arbeit spätestens bis zum Herbst ein großes Stück Reform bestehend aus Steuer- und Gesundheitsreform auf den Tisch legen" solle. Über den Grundsatz der Notwendigkeit des Reformpakets habe Einigung bestanden, "in der Sache waren wir sehr nahe", dann aber habe bei der ÖVP wieder der "parteipolitische Reflex und das sofortige Neinsager-Syndrom zugeschlagen". "Mit Nein-Sagen ist die Zukunft des Landes aber nicht zu gestalten", bekräftigte Gusenbauer unter großem Applaus.

Angesichts der abflachenden Konjunktur und der hohen Teuerung, die von den an sich guten Lohnerhöhungen nur wenig übriglasse, sei es "dringend notwendig", dass die Steuerreform zur deutlichen Entlastung der kleinen und mittleren Einkommen kommt. Insgesamt solle es eine Entlastung von rund 500 Euro pro Jahr geben, präzisierte Gusenbauer. Es sei jetzt "notwendig, deutliche Akzente zu setzen, um den Konsum anzukurbeln, damit Beschäftigung und Wachstum dadurch getragen werden", so Gusenbauers Plädoyer für eine Steuerreform 2009. "Unter geänderten wirtschaftlichen Bedingungen muss die Politik auch imstande sein, zu geänderten Antworten zu finden" - daher wolle die SPÖ "im Herbst 2009 ein großes Reformpaket, um die großen Herausforderungen zu lösen. Das ist unsere Forderung, und die ÖVP ist hier eingeladen, mitzutun", unterstrich der Bundeskanzler. Bemerkenswert sei, dass die ÖVP bis dato "nicht in der Substanz diskutiert hat, und statt über Inhalte nur über Formfragen geredet hat". Dabei sei völlig klar: "Herausforderungen sind nur bewältigbar, wenn man über Inhalte diskutiert", so Gusenbauers Appell an die ÖVP, gemeinsam mit der SPÖ für Österreich und die Menschen zu arbeiten.

Neben der Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen sollte im Zuge der Steuerreform auch klargestellt werden, dass das Steueraufkommen nicht länger nur von Konsumenten und Arbeitnehmern geleistet werden kann. Daher solle "jede Art von Vermögenszuwachs - also auch Aktiengewinne - mit den gleichen 25 Prozent besteuert werden". Zudem sei man bei der Gesundheitsfinanzierung "mit der Beitragsfinanzierung ans Ende der Fahnenstange gekommen" - hier brauche es eine "zusätzliche steuerliche Finanzierung". So hielte er etwa eine Vermögenszuwachssteuer für einen "Beitrag zu einer echten steuerlichen Ko-Finanzierung".

Molterer hatte 2007 enorme Zusatzeinnahmen - Spielraum für Steuerreform 2009 durchaus gegeben
Im Gespräch mit dem Vorsitzenden der Wiener SPÖ Bildung, Gemeinderat Ernst Woller, erinnerte Gusenbauer daran, dass es die schwarz-blaue Koalition war, die eine Steuerreform trotz eines hohen Defizits von 1,6 Prozent gemacht habe. Jetzt aber verfüge Finanzminister Molterer über "enorme Zusatzeinnahmen", daher "besteht der Spielraum für eine Steuerreform jetzt allemal - wenn man dies nicht macht, besteht sogar die Gefahr, dass wir wieder Probleme mit den Arbeitsplätzen bekommen", zeigte der Bundeskanzler auf.

Stärker herausarbeiten, dass durch ÖVP-Nein-Sagen nichts weitergeht
Die SPÖ werde jedenfalls "stärker und präziser herausarbeiten, dass die SPÖ zur gemeinsamen Arbeit steht. Wenn von der ÖVP aber weiter nur Nein-Sagen kommt, werden wir auch klarstellen, wer die Verantwortung dafür trägt, dass in der Bundesregierung nichts weitergeht", so Gusenbauers deutliche Worte in Richtung des Koalitionspartners. Die ÖVP sei jetzt aufgerufen, "statt zum Beispiel über Neuwahlen zu spekulieren, in die Diskussion über Sachprobleme einzusteigen und die anstehenden Herausforderungen gemeinsam mit der SPÖ zu lösen". Eine dieser Herausforderungen, die die SPÖ lösen werde, sei die Frage der Sicherung der Zukunft des Gesundheitswesens, ergänzte der Bundeskanzler.

Absage an ÖVP-Familien-Splitting - 1,2 Millionen Haushalte brauchen sofortige Überbrückungshilfe
Eine klare Absage erteilte Gusenbauer auch dem von der ÖVP ventilierten Familien-Splitting: "Das Familien-Splitting macht die, die es brauchen ärmer und ist gegen die Frauen und ihre Berufstätigkeit gerichtet - und ist damit auch kein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit". Die SPÖ verfüge hier über die besseren Konzepte, so Gusenbauer mit Blick auf den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen zur besseren Vereinbarkeit von Familien und Beruf. Auch sei es angesichts der hohen Teuerung "berechtigt, jenen mit geringem Einkommen eine Soforthilfe zu geben: Rund 1,2 Millionen Haushalte brauchen dringend 100 Euro an Überbrückungshilfe, bis weitere Maßnahmen gegen die Teuerung wirken", so Gusenbauer.

 

 Stummvoll: Kostelkas Aussagen zeigen, dass es Gusenbauer nicht ernst meint
Steuerreform 2010 kann nur im Zusammenhang mit dem Fortschritt der Verwaltungsreform durchgeführt werden
Wien (övp-pk) - "Die Aussagen des SPÖ- Volksanwaltes Kostelka zeigen, dass es SPÖ-Chef Gusenbauer mit dem Vorziehen der Steuerreform nicht ernst meint, und er am Sonntag nur aufgrund des immer größer werdenden, innerparteilichen Drucks plötzlich mit einem Vorziehen der Steuerreform vorgeprescht ist", so ÖVP-Finanzsprecher Dr. Günther Stummvoll zu einem Bericht in den "Vorarlberger Nachrichten", in dem Kostelka den SPÖ-Chef im Zusammenhang mit der stockenden Verwaltungsreform kritisiert.

"Die Steuerreform 2010 kann nur im Zusammenhang mit dem Fortschritt der Verwaltungsreform gemacht werden", so Stummvoll weiter. "Die Verwaltungsreform ist ein Teil der Arbeit, mit der wir uns die Steuerreform 2010 erst erarbeiten müssen - was auch namhafte Wirtschaftsexperten wie Wifo-Chef Aiginger bestätigen. Was wir uns jetzt mit der Verwaltungsreform ersparen, können wir 2010 in die Steuerreform investieren", betont der ÖVP-Finanzsprecher.

"Wenn nun SPÖ-Chef Gusenbauer die Steuerreform vorziehen will, aber gleichzeitig die Vorschläge der Expertengruppe für die Verwaltungsreform drei Monate lang liegen lässt, dann ist das mehr als unglaubwürdig und lediglich ein durchschaubares Ablenkungsmanöver von dem massiven innerparteilichen Gegenwind, der dem SPÖ-Chef seit einigen Wochen und Monaten entgegen bläst", verweist Stummvoll auf Kostelkas Aussagen, wonach die Expertengruppe zur Verwaltungsreform "seit dem 18. Dezember 2007" von Gusenbauer diesbezüglich nichts gehört habe.

"Die ÖVP tritt für eine nachhaltige und leistbare Steuerentlastung für die Österreicherinnen und Österreicher im Jahr 2010 ein - und steht nicht für unfinanzierbare Steuerzuckerl zur Verfügung, die den Staat verschulden und lediglich dem Aufpolieren des angeschlagenen Gusenbauer-Images dienen", so Stummvoll abschließend.

 

 Rossmann: Untere Einkommen entlasten und in Bildung investieren
Beseitigt werden sollen dagegen Steuerprivilegien für die Reichen und Manager mit Spitzengehältern
Wien (grüne) -
"Notwendig ist bei einer Steuerreform die Entlastung der unteren Einkommen insbesondere im Lichte der aktuellen Inflationsentwicklung", fordert Bruno Rossmann, Finanz- und Budgetsprecher der Grünen. Darüber hinaus sei eine ökosoziale Steuerreform nötig, also die Schaffung eines modernen Steuersystems, dass Energiesparen belohnt, die Lohnnebenkosten senkt sowie Arbeitsplätze schafft. Zudem brauche es mehr Mittel für Bildung, vom Kindergarten bis hin zu den Unis. "Gratiskindergärten und Bildungsinvestitionen bringen den Familien wesentlich mehr als die von der Koalition bislang vorgeschlagenen Maßnahmen", so Rossmann.

Beseitigt werden sollen dagegen Steuerprivilegien für die Reichen und Manager mit Spitzengehältern wie etwa die steuerliche Förderung von stock options. Die Beibehaltung einer erneuerten Erbschafts- und Schenkungssteuer, die vor allem große Vermögen betrifft, nicht aber die Häuselbauer, soll einen Beitrag zu Finanzierung des Sozialstaates leisten.

 

 Themessl: Gusenbauer soll seinen Worten Taten folgen lassen
Den Österreichern kann nicht nur in die Tasche gegriffen werden
Wien (fpd) -
"Eine Steuerreform ist der beste Inflationsausgleich", stellt FPÖ-Wirtschaftssprecher NAbg Bernhard Themessl klar. "Die FPÖ fordert deshalb seit langem eine spürbare Entlastung der von massiven Teuerungswellen betroffenen Österreicher, also vor allem der kleinen und mittleren Einkommen."

Offenbar sei die SPÖ aufgrund ihrer katastrophalen Umfragewerte jetzt zu der längst überfälligen Entlastungsoffensive bereit, wie man angesichts der Aussagen von Bundeskanzler Gusenbauer in der gestrigen Pressestunde vermuten dürfe. "Sollte es die SPÖ diesmal ernst meinen, wird die FPÖ den Weg zu einer vorgezogenen Steuerreform selbstredend unterstützen", so Themessl.

"Den Österreichern kann nicht nur in die Tasche gegriffen werden. Es muss zunächst auch mehr im Börserl bleiben, um Teuerungen abzufedern oder wenigstens auszugleichen. Das verlangt nach massiven Entlastungen, jenseits von parteipolitischem Aktionismus. Der Gusi-Hunderter", so der freiheitliche Wirtschaftssprecher abschließend, "erübrigt sich mit einer vorgezogenen Steuerreform, wenn der Bundeskanzler seriöse Konzepte vorlegt. Auf diese warten wir mit Spannung."

 

Seniorenbund: "Entlastung ja, neue Schulden nein!"
Bundesvorstand beriet über Steuerreform, Pflege und Betreuung, eine Reform des Gesundheitssystems und die EU.
Wien (seniorenbund) - Am 25.02. fand in Linz die erste Bundesvorstandssitzung des Österreichischen Seniorenbundes in diesem Jahr statt. Besprochen wurden dabei nicht nur rein seniorenpolitische Themen, sondern auch die Steuerreform. Diesbezüglich sei die Position des Österreichischen Seniorenbundes klar, wie Bundesobmann Dr. Andreas Khol ausführte: "Wir sind für eine Entlastung durch eine Steuerreform. Doch eine Entlastung auf Pump ist nicht sinnvoll. Neue Schulden wären eine unverantwortliche Belastung für alle Generationen. Wir sind strikt gegen einen Rückfall in die alte Schuldenpolitik der Ära Vranitzky-Klima." Der Seniorenbund wird auf jeden Fall darauf pochen, dass die Anliegen der Seniorinnen und Senioren bei der Steuerreform nicht übergangen werden. "Vor allem wollen wir, dass Aktive und Pensionisten gleich behandelt werden. Pensionisten zahlen bei der Lohnsteuer bis zu rund 100 Euro mehr im Monat als Aktive mit dem gleichen Einkommen. Durch die Beseitigung dieser Ungleichbehandlung könnte vielen Menschen nachhaltig geholfen werden", so Khol.

Eine der wichtigsten politischen Aufgaben dieses Jahres sieht der Seniorenbund auch weiterhin im Bereich Pflege und Betreuung: "Bei der 24-Stunden-Betreuung geht bereits vieles in die richtige Richtung, wie etwa die Ausweitung der Kompetenzen von Betreuungskräften, oder die Fördermodellen von Niederösterreich und Vorarlberg", betonte Khol. Allerdings sei eben noch nicht in allen Ländern die Leistbarkeit des neuen, legalen Betreuungsmodells garantiert. Zudem müsse klar sein, dass die 24-Stunden-Betreuung nur ein Teil des gesamten Pflege- und Betreuungssystems darstellt: "Wir müssen jetzt die richtigen Schritte setzen, um Pflege und Betreuung auf lange Sicht in Österreich abzusichern. Wir fordern dabei einen prinzipiellen Systemwechsel: Pflegebedürftigkeit darf kein Privatrisiko sein, weswegen Pflege und Betreuung als Teil des umfassenden Sozialsystem organisiert und mit Steuermittel aus einer Hand finanziert werden sollten", so Khol. Zudem weise der Seniorenbund bereits seit geraumer Zeit darauf hin, dass zur Bewältigung der zukünftigen Herausforderungen ein ganzes Bündel an Maßnahmen notwendig sei, wie etwa eine Ausbildungsoffensive für Pflege- und Betreuungsberufe, von der Lehre bis zur universitären Ausbildung, oder eine stärkere Mobilisierung Ehrenamtlicher.

Wichtig sei es auch, Prävention und Vorsorge in Österreich noch stärker zu fördern, da somit Pflegebedürftigkeit vermindert, bzw. verhindert werden kann, und gleichzeitig Kosten gespart werden. Ganz allgemein haben Österreichs Senioren sich aktiv in die Diskussionen um eine Reform des Gesundheitswesens einzubringen: "Gerade für ältere Menschen ist das Thema Gesundheit sehr wichtig. Wir wollen daher über den Österreichischen Seniorenrat, und somit auf Sozialpartnerebene, in alle Beratungen über die langfristige Sicherung unsere Gesundheitssystems eingebunden werden", wie Khol betonte.

Ein wichtiger Schwerpunkt der Arbeit des Seniorenbundes in diesem Jahr wird auch das Thema EU sein: "Alle Umfragen zeigen, dass gerade unter den Älteren die Skepsis der EU gegenüber besonders groß ist", so Khol. Deshalb sei es notwendig, gerade bei den älteren Generationen für eine größere Akzeptanz der EU zu werben, Khol: "Bei uns in Österreich wurde bisher zu wenig auf die positiven Aspekte der EU hingewiesen. So ist etwa gerade die vielgeschmähte EU-Ostöffnung mit ein Hauptgrund dafür, dass Österreich im internationalen Vergleich derzeit so gut dasteht." Der Österreichische Seniorenbund hat sich immer ganz klar für das Projekt eines gemeinsamen, friedlichen Europas eingesetzt. "Wir sollten Europa als unsere zweite Heimat begreifen", so Khol abschließend.
 

Wir übernehmen hier Stellungnahmen aller im Parlament
vertretenen Parteien – sofern vorhanden! Die Redaktion

 
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