Osterfriede und Wahlstrategien  

erstellt am
17. 03. 08

Wien (öj) - Vor einer Woche, am 10.03., haben wir an dieser Stelle festgestellt, die bevorstehende (inzwischen vergangene) Woche hätte besonders spannend werden sollen. Es ging um einen Fristsetzungsantrag im Nationalrat, vom BZÖ vorbereitet, in dem eine sofortige finanzielle Entlastung gefordert wurde. Das besondere Interesse galt dem Abstimmungsverhalten, ob nämlich die SPÖ die Einladung der Opposition annehmen und gegen die ÖVP ein Vorziehen der Steuerreform zustimmen würde. Doch dazu kam es nicht, der Antrag fand keine Mehrheit im Plenum. Wer nun glaubt, der Osterfriede hätte in der heimischen Innenpolitik Einzug gehalten, der irrt.

Noch am 09.03. lud Bundespräsident Heinz Fischer Bundeskanzler Alfred Gusenbauer und Vizekanzler Wilhelm Molterer zu einem „Krisentreffen“ in seine Amtsräume in der Hofburg. Über den Inhalt dieses Gespräches wurde vorerst Stillschweigen vereinbart, obwohl er nicht eben spektakulär war. Das Staatsoberhaupt warnte vor einer "Neuwahl-Hysterie" und rief zur Ordnung, zu einem Ausräumen der Differenzen und dazu, jedenfalls den Schritt zu einer Neuwahl möglichst zu vermeiden. Von den schon üblichen "Stichenleien" zwischen SPÖ und ÖVP schien dies vorerst sogar von Erfolg gekrönt zu sein, beide Parteien sprachen von einer Rückkehr zu getroffenen Vereinbarungen und an den großkoalitionären Verhandlungstisch - auch wenn Heinz Fischer in einem ORF-Gespräch einräumte, die Wahrscheinlichkeit für eine Neuwahl 2008 sei größer geworden.

ÖVP-Chef Vizekanzler Wilhelm Molterer setzt der SPÖ einen Termin für den "Neustart": Im Nachrichtenmagazin "NEWS" meinte er, Ostern sei ein guter Zeitraum, um zur Besinnung zu kommen. Nach Ostern brauche Österreich Klarheit. Die Bürger müßten wissen, wie sie mit dieser Regierung dran seien. Niemand wolle die Neuwahlen. Auch er nicht. Er bemühe sich, daß es zum Neustart der Koalition komme. Aber Neustart bedeute nicht nur das klare Bekenntnis zum Regierungsprogramm, er sei auch eine Frage des Grundvertrauens.

Und gerade das sieht die SPÖ massiv erschüttert, denn das Wochenmagazin "profil" veröffentlichte in seiner aktuellen Ausgabe, die ÖVP plane den Absprung aus der Koalition mit der SPÖ. "profil" präsentiert Auszüge aus detaillierten Kampagneplänen der ÖVP, die unter dem Titel "Nationalratswahlen 2008 - Wahltag 1. Juni" von einem Neuwahltermin noch vor der EURO 2008 ausgehen. Es handelt sich dabei um genaue Veranstaltungs- und Inseraten-Pläne, die mit 1. April in Kraft treten sollen. Das letzte der Teilkonzepte stammt von vergangenem Montag, also dem Tag nach der Niederösterreich-Wahl. Darin wird als nächster strategischer Schritt der ÖVP ein "Friedensangebot" an die Sozialdemokraten festgehalten: Würde die SPÖ ablehnen, habe sie aktiv Streit gewählt, dann könne "man das Land von Neuwahlen erlösen." In dem von "profil" ebenfalls veröffentlichten "Friedensangebot" geht es um ÖVP-Forderungen wie ein weitgehendes Festhalten am Steuerreform-Termin 2010, ein abermaliges Doppelbudget und eine Beendigung des Polizei-Untersuchungsausschusses spätestens Ende Juni.

In einem Interview in der "Kronen Zeitung" stellt SPÖ-Chef Bundeskanzler Alfred Gusenbauer fest, er sei sehr enttäuscht, weil die ÖVP zuletzt immer das Gegenteil behauptet habe. Jetzt stelle sich heraus, dass die SPÖ und die Öffentlichkeit von der ÖVP hintergangen worden sei und ganz offensichtlich bereits seit Anfang des Jahres Neuwahlen vorbereite. Im Nachhinein sei jetzt auch klar, warum die ÖVP seit Wochen den Streit innerhalb der Regierung suche und jegliche Reform verhindere. Von der Inflationsbekämpfung bis zur Steuersenkung sei aus parteitaktischen Gründen alles blockier worden, nur um Neuwahlen vom Zaun zu brechen.

Aktuelle Umfragen zeigen, was die Wähler von all diesem halten: Bundeskanzler und Vizekanzler stürzen in deren Gunst massiv ab. Was wohl daran liegt, daß im Augenblick eigentlich kaum jemanden gibt, der die Strategien der beiden Großparteien durchblickt. Wenn auch die Enthüllungen des "profil" einen kleinen Eindruck vermitteln, daß hinter der VP-Beteuerungen, keine Neuwahl anzustreben, bereits konkrete Abläufe festgemacht sind, so sagt dies nicht allzu viel aus. Denn Wahlkämpfe müssen möglichst langfristig ausgetüftelt werden, können mit "Hüftschüssen" nicht zielführend sein. Da das ganze Land wohl damit rechnet, daß diese Koalition so nicht bis ans Ende der Legislaturperioden halten wird, ist es auch sehr wahrscheinlich, daß auch die SPÖ über ein Wahlkampf-Konzept verfügt. Diese Überraschung ist also nicht allzu groß.

Spannend, wie bisher, bleibt aber die Lösung der Frage, wie eine Regierung nach einer Neuwahl vor oder nach dem Sommer aussehen könnte. Die Wahrscheinlichkeit, daß SPÖ oder ÖVP in der Lage wären, mit einer der drei Oppositionsparteien eine kleine Koalition zu bilden, ist nahezu auszuschließen, ebenso eine Dreier-Koalition, denn:

SPÖ und Grüne würde, nach heutiger Sicht, zur ausreichenden Absicherung einer Koalition die Unterstützung von ein oder zwei Parteien fehlen, mit denen man nicht kann bzw. nicht will: FPÖ und/oder BZÖ. Eine Koalitionsvariante SPÖ und FPÖ ohne die Grünen ist auszuschließen.

Auch ÖVP und FPÖ würden, nach der derzeitigen Stimmungslage, einen dritten Partner brauchen. Doch eine Mitte-Rechts-Koalition würde wohl eher schwierig, denn der Zerfall der FPÖ (Stichwort: Knittelfeld 2002) während deren Regierung mit der ÖVP und die darauffolgende Gründung des BZÖ wird vielen (damaligen) FPÖ-/BZÖ-Mitgliedern noch in recht deutlicher Erinnerung sein.

Was bleibt also? Eine Große Koalition zwischen SPÖ und ÖVP? Es bleibt, wie es so schön heißt, beim Souverän, eine Entscheidung zu treffen. Und der zeigt sich zunehmend genervt. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es rundherum an klaren Positionierungen mangelt.

Übrigens: Um eine Nationalratswahl im Herbst gemeinsam mit der Landtagswahl zu entgehen, hat die Tiroler Landesregierung beschlossen, bereits am 8. Juni zur Wahl zu rufen. Das „Österreich Journal“ wird natürlich darüber berichten, auch wie Sie als Auslands-Tiroler an dieser Wahl teilnehmen können. (mm)
 
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