Nationalrat berät über Anträge der Opposition   

erstellt am
12. 03. 08

Vier Anträge der Grünen, ein F-Antrag in Erster Lesung
Wien (pk) - Fünf Anträge – vier von der Fraktion der Grünen, einer von den Freiheitlichen – wurden vom Nationalrat zum Schluss der Tagesordnung am 11.03. in Erster Lesung in Verhandlung genommen.

Grüne für Differenzierungen bei Kriegsteilnehmern
Abgeordneter ÖLLINGER (G) erinnerte daran, dass in der NS-Zeit auch zahlreiche ÖsterreicherInnen zu TäterInnen geworden seien. Er wertete es als unverständlich, dass auch Zeiten in der SS, der Waffen-SS und in anderen verbrecherischen Organisationen als Ersatzzeiten für die Pensionsversicherung angerechnet würden. Öllinger sprach sich dafür aus, zwischen SS und Waffen-SS auf der einen und der deutschen Wehrmacht auf der anderen Seite zu differenzieren, und verwies auf den vorliegenden Antrag der Grünen.

Abgeordneter MUCHITSCH (S) gab zu bedenken, dass der Antrag der Grünen nichts an der Pensionshöhe von SS-Mitgliedern ändern würde. Einmal anerkannte Ersatzzeiten könnten rückwirkend nicht wieder gestrichen werden, skizzierte er. Sozialpolitisch gebe es im Übrigen wesentlich wichtigere Probleme zu lösen, sagte Muchitsch.

Abgeordneter WEINZINGER (F) blickte auf die Ereignisse der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück und äußerte Verständnis dafür, dass Arbeiter ihre Hoffnung in den Nationalsozialismus setzten und sich freiwillig zum Kampf meldeten. Er zeigte sich überzeugt, dass die meisten Betroffenen nach dem Krieg geläutert nach Österreich zurückgekehrt sind. "Irgendwann muss Schluss sein", forderte er in Richtung der Grünen, "lassen Sie die Toten ruhen, sie haben genug gesühnt".

Abgeordnete HAUBNER (B) erklärte, die Aufarbeitung des Nationalsozialismus sei eine wesentliche Aufgabe der Republik, und die Republik habe in den letzten Jahren vieles getan. Skeptisch äußerte sich Haubner allerdings zum Antrag der Grünen. Dieser würde de facto niemanden betreffen, argumentierte sie und stellte die Sinnhaftigkeit einer symbolischen Gesetzesänderung in Frage.

Abgeordneter Dr. KURZMANN (F) unterstrich, die FPÖ lehne jede Kollektivschuldthese ab und wende sich in diesem Sinn auch gegen den Antrag der Grünen. Er gab zu bedenken, dass viele Mitglieder der Waffen-SS unfreiwillig zu dieser Einheit eingezogen worden seien. Angehörige der Waffen-SS seien nach 1945 auch nicht registrierungspflichtig gewesen, unterstrich er.

Der den Vorsitz führende Präsident Dr. SPINDELEGGER wies den Antrag 555/A dem Ausschuss für Arbeit und Soziales zu.


Grüne fordern Änderung des Opferfürsorgegesetzes
Abgeordneter ÖLLINGER (G) forderte die Verdoppelung des Steuerfreibetrages für jene Personen, die nach dem Opferfürsorgegesetz als NS-Opfer anerkannt werden, und erinnerte daran, dass dieser Betrag seit 43 Jahren nicht erhöht wurde.

Abgeordnete KÖNIGSBERGER-LUDWIG (S) erkannte in dem Antrag einige Ungereimtheiten und sprach sich für eine ausführliche Diskussion im Ausschuss aus.

Abgeordnete STEIBL (V) betonte, sämtliche Opferfürsorgeleistungen würden laufend angepasst, und meinte überdies, besser als der Antrag der Grünen sei die von der Regierung geplante einmalige Zuwendung für Widerstandskämpfer und Opfer der politischen Verfolgung und deren Hinterbliebene.

Abgeordnete HAUBNER (B) erinnerte ebenfalls an die laufenden Valorisierungen der Opferleistungen und gab zu bedenken, im Antrag würden Einmalzahlungen und laufende Zahlungen vermischt.

Der Antrag wurde dem Sozialausschuss zugewiesen.


Grüne für TV-Übertragung von Sitzungen des Nationalrats

Abgeordneter Dr. VAN DER BELLEN (G) plädierte für eine Liberalisierung der Übertragung der öffentlichen Sitzungen des Nationalrates in Rundfunk und Fernsehen und präzisierte, es sollte möglich sein, Sitzungen jederzeit zu übertragen, ohne dass dazu eine Genehmigung durch die Präsidentin eingeholt werden muss.

Abgeordneter Dr. CAP (S) schloss sich dem Ansinnen der Grünen an und trat für die Schaffung eines eigenen Kanals für Parlamentsübertragungen ein. Er regte zudem auch Übertragungen von Untersuchungsausschusssitzungen an, um der Bevölkerung die Möglichkeit zu geben, sich ein Bild vom Ablauf zu machen.

Abgeordnete Dr. KARL (V) erinnerte, die ÖVP habe im Geschäftsordnungskomitee 15 Vorschläge präsentiert, um das Verfahren bei Untersuchungsausschüssen zu verbessern, insbesondere transparenter und sachlicher zu gestalten. Heute falle SPÖ und Grünen zu diesem Thema bloß die Fernsehübertragung ein, den beiden Parteien gehe es offenbar nur um die mediale Bühne, nicht aber um echte Verfahrensverbesserungen, zeigte sie sich irritiert.

Abgeordneter SCHEIBNER (B) hielt den Antrag grundsätzlich für positiv, gab aber zu bedenken, es könne nicht im Ermessen des ORF liegen, welcher Teil nun übertragen werde und welcher nicht. Einzig gangbare Lösung war für den Redner die Übertragung der Sitzungen zur Gänze. Zur Vorsicht mahnte Scheibner hingegen bei Untersuchungsausschüssen. Hier gelte es vor allem auch, die Rechte der Zeugen zu schützen, mahnte er.

In einer zweiten Wortmeldung stellte Abgeordnete Dr. KARL (V) klar, ÖVP und BZÖ hätten im Geschäftsordnungskomitee erfolglos versucht, eine Diskussion über die Vorschläge zur Verfahrensverbesserung bei Untersuchungsausschüssen in Gang zu bringen.

Der Antrag wurde dem Geschäftsordnungsausschuss zugewiesen.


FPÖ für Veränderung des Versammlungsgesetzes

Abgeordneter STRACHE (F) sprach sich vehement für ein Vermummungsverbot bei Demonstrationen aus und erinnerte, es habe in letzter Zeit gewalttätige Demonstrationen "aus dem linken Eck" gegeben, bei denen vermummte Randalierer durch Wien zogen. Für Strache stand fest, dass das Demonstrationsrecht nicht für Gewaltexzesse missbraucht werden dürfe. Eine weitere Forderung des F-Klubobmanns war die verpflichtende Verwendung der deutschen Sprache bei Demonstrationen.

Abgeordneter Elmar Mayer (S) äußerte grundsätzlich Verständnis für den Antrag der Freiheitlichen, "wenn er ehrlich gemeint ist", und kündigte an, die SPÖ werde im Ausschuss entscheiden, ob sie der Initiative beitreten kann.

Abgeordnete FRANZ (V) bekannte sich zum Demonstrationsrecht und trat für Spielregeln ein, um Gewalttätigkeiten zu verhindern. Vermummung habe gewalttätige Motive im Hintergrund, war für die Rednerin klar. Als in der Praxis problematisch bezeichnete Franz aber die Forderungen der FPÖ betreffend den Gebrauch der deutschen Sprache bei Demonstrationen.

Abgeordneter Mag. STEINHAUSER (G) betonte, Vermummung sei nicht die Vorstufe der Eskalation, vielmehr habe die Praxis in Deutschland gezeigt, dass erst die Durchsetzung des Vermummungsverbots zur Eskalation führe. Vermummung diene oft zum Schutz linker Demonstranten vor Ausforschung und Gewalttätigkeiten durch Rechtsradikale, erklärte er.

Abgeordneter Mag. HAUSER (F) erinnerte an eine Demonstration vom 1. Mai, bei der Sympathisanten von SPÖ und Grünen durch Innsbruck zogen und "Tod und Hass der FPÖ" skandierten. Empört zeigte sich Hauser, dass eine Anzeige der FPÖ gegen die Organisatoren von der Staatsanwaltschaft zurückgelegt wurde und Justizministerin in einer Anfragebeantwortung von einer politischen Veranstaltung mit politischen Äußerungen sprach.

Abgeordneter SCHEIBNER (B) signalisierte Gesprächsbereitschaft und hielt die Intentionen des Antrags grundsätzlich für positiv, wobei er betonte, das Versammlungsrecht dürfe nicht durch Gewalttätige missbraucht werden.

Abgeordneter NEUBAUER (F) warf den Grünen vor, sich als Anwälte der Anarcho-Szene aufzuspielen.

Der Antrag wurde dem Innenausschuss zugewiesen.


Grüne: Druck auf Abtreibungswillige unter Strafe stellen
Abgeordnete Mag. WEINZINGER (G) forderte Maßnahmen gegen radikale Abtreibungsgegner vor Abtreibungskliniken. Ihren Intentionen nach sollte die Ausübung eines unangemessenen Drucks auf Frauen, die in der gesetzlichen Frist abtreiben wollen, unter Strafe gestellt werden.

Abgeordnete Mag. STADLBAUER (S) äußerte große Sympathie für den Antrag, meinte aber, eine Verankerung im Sicherheitspolizeigesetz wäre der praktikablere Weg.

Abgeordneter Mag. DONNERBAUER (V) wandte sich gegen die Überschreitung der Meinungsfreiheit und des Demonstrationsrechts in diesem sensiblen Bereich, hielt es aber für "vollkommen überzogen", hier mit der Keule des Strafrechts vorzugehen. Kein Verständnis hatte er für das Verhalten der Grünen. Vermummung bei Demonstrationen oder die Blockade von Bauarbeiten durch Demonstranten sei für die Grünen Ausdruck der Meinungsfreiheit. Wenn Menschen aber zum Schutz des ungeborenen Lebens aktiv werden und ihre Meinung aussprechen, dann sollen sie nach dem Willen der Grünen sechs Monate eingesperrt werden. Diese Einstellung sei inakzeptabel, meinte er.

DI KLEMENT (F) sah den entscheidenden Punkt in der Behauptung, es werde unangemessener moralischer Druck auf Frauen ausgeübt. Tatsächlich verlangten die Grünen eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, dem könnten die Freiheitlichen nicht zustimmen. Denn es sei keineswegs falsch, auf die Probleme der Abtreibung hinzuweisen, sagte Klement und hielt dem von den Grünen geforderten Grundrecht auf Abtreibung das Recht auf Leben entgegen, das für ihn früher beginne als drei oder vier Monate nach der Zeugung. "Machen wir uns Gedanken darüber, wie man Leben erhält und rettet, nicht darüber, wie man es zerstören kann", schloss Klement.

Mag. DARMANN (B) schloss sich der Einschätzung des Abgeordneten Donnerbauer an und wandte sich gegen den Vorschlag, Menschen mit einer bis zu 6-monatigen Strafe zu bedrohen, wenn sie auf Menschen "beharrlich moralischen und psychischen Druck ausüben". Eines solchen zusätzlichen Paragraphen im Strafgesetzbuch bedürfe es nicht, weil das Delikt der Nötigung bereits strafrechtlich verfolgt werde.

Präsidentin Dr. GLAWISCHNIG-PIESCZEK wies den Antrag dem Justizausschuss zu.
 
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