Debatte zur Vorbereitung des EU-Frühjahrsgipfels   

erstellt am
18. 03. 08

Das Europäische Parlament hat eine Debatte zum EU-Fühjahrsgipfel geführt
Brüssel (europarl) - Zuvor gaben die slowenische Ratspräsidentschaft und die EU-Kommission Erklärungen ab. Der kommende Gipfel wird sich traditionsgemäß in erster Linie mit wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen beschäftigen.

Zur Eröffnung der Debatte nannte Janez Lenarcic, Staatssekretär für europäische Angelegenheiten, im Namen der slowenischen Ratspräsidentschaft drei Hauptthemen, die die Tagesordnung des kommenden Gipfels dominieren werden: der neue Zyklus der Lissabon-Strategie, die Energie- und Klimapolitik sowie die Stabilität der Finanzmärkte. Weitere Fragen, mit denen sich die Staats- und Regierungschef beim Frühjahrsgipfel beschäftigen werden, seien u.a. das "Dritte Energiepaket", das sich mit der Situation und Funktionsweise des Binnenmarktes für Elektrizität und Erdgas beschäftigt, sowie die Thematik der Staatsfonds.

José Manuel BARROSO, Präsident der Europäischen Kommission, sagte, der wirtschaftliche Erfolg der EU zeige deutlich die Wirksamkeit der Lissabon-Strategie. Er warnte vor den Gefahren des Protektionismus und meinte, der einzige Weg vorwärts für die EU müsse auf einer erneuerten Lissabon-Strategie gründen. Die EU brauche höhere Standards in der Bildung und Berufsbildung, mehr Forschung und Entwicklung und die Vollendung des Binnenmarktes.

SprecherInnen der Fraktionen:

"Dies ist der richtige Zeitpunkt für eine Kurswechsel", sagte Joseph DAUL (EVP-ED, FR). Das Vorantreiben der Lissabon-Strategie in den Bereichen Wachstum und Arbeitsplätze und diese 2008-2010 erfolgreich anzuwenden, sei die beste Strategie, um Herausforderungen wie der Globalisierung, Bevölkerungsüberalterung und dem Klimawandel zu begegnen.

"Europa braucht eine europäische Regelung für kleine Unternehmen ("Small business act")", betonte Daul. Berufsbildung, Bildung und lebenslanges Lernen seien die Schlüssel, um Arbeitnehmer mobiler und flexibler zu machen. Investitionen in Berufsbildung würden auch dazu beitragen, den wirtschaftlichen Druck der Bevölkerungsüberalterung zu mindern.

"Ja, natürlich haben wir Fortschritte erzielt: Die Arbeitslosigkeit sinkt, die Produktivität wächst, aber das Präkariat in Europa wächst auch. Das ist auch eine Realität!", so Martin SCHULZ (SPD). Es entstünden zwar mehr Arbeitsplätze, aber diese Arbeitsplätze seien nicht sicher. Die Lohnzuwächse in Europa hielten nicht Schritt mit den Unternehmensgewinnen. Prozentual hätten die Unternehmen mehr Gewinn als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Lohnzuwächse. "Wenn der wirtschaftliche Fortschritt von sozialer Verantwortung abgekoppelt wird, setzt man den Geist der vergangenen 50 Jahre aufs Spiel", meinte Schulz.

"Wenn Europa überleben will, dann müssen wir jedes Potenzial, nicht nur das unternehmerische Potenzial stärken, sondern vor allen Dingen das Potenzial der jungen Menschen auf diesem Kontinent, die Zugang zu Forschung, Qualifizierung und Ausbildung brauchen", sagte Schulz abschließend.

Der Gipfel finde in einem "Klima irgendwo zwischen Verzweiflung und Hoffnung" statt, sagte Graham WATSON (ALDE/ADLE, UK) und führte als Beispiele hierfür die Themen Türkei, Russland und den Nahen Osten sowie Wachstumsverzögerung und die Bankenkrise.

Es sei unabdingbar, umgehend auf den Klimawandel zu reagieren und sich für Sicherheit und Stabilität einzusetzen, so Watson weiter. Die NATO werde als "Instrument der Energiesicherung" gesehen. "Manche Mitgliedstaaten versuchen bereits, ihren vorgesehen Beitrag zum Klimaschutzplan zu verringern", zeigte Watson auf.

Der Rat müsse für eine deutliche Erhöhung der Mittel für Forschung sorgen und die Transparenz im Bankenbereich verbessern. Schließlich seien "die Märkte unser stärkstes Instrument zur Verbesserung der Lebensbedingungen", sagte Watson.

Brian CROWLEY (UEN, IE) hob die vor uns liegenden Herausforderungen hervor. Unter anderem nannte er die Notwendigkeit von Investitionen in Forschung und Entwicklung sowie die Frage der Standortverlagerungen. "Wir müssen dafür Sorge tragen, dass die Fundamente, die wir heute legen auch in Zukunft so stark sind wie jetzt", meinte Crowley. Abschließend stellte er fest: "Die jungen Menschen sind unser wertvollstes Kapital - ohne angemessene Investitionen in Bildung und Berufsbildung, gehen wir das Risiko ein, sie zu 'verlieren'".

Rebecca HARMS (Grüne) betonte, dass durch die Lissabon-Strategie Europa zwar der große Gewinner der Globalisierung sei, dass diese Gewinne aber sehr ungleich verteilt seien und der Zuwachs an Beschäftigung keineswegs dazu geführt habe dass das Problem der working poor erledigt sei. Sie bezog sich des Weiteren auf eine Entschließung des EP zum Thema sektorelle Mindestlöhne und forderte Rat und Kommission auf, sich mit den Problemen der zunehmenden sozialen Marginalisierung auseinander zu setzen, insbesondere "im Licht der Lissabon-Strategie". Sie finde es "sehr bedauerlich, dass weder der Rat noch die Kommission bisher auf diese Beschlüsse des Europäischen Parlaments eingegangen sind".

"Wir würdigen heute 50 Jahre Europäisches Parlament. Das wäre doch aus meiner Sicht für den bevorstehenden Gipfel die Gelegenheit, dem Parlament nun endlich auch das Initiativrecht in Aussicht zu stellen!", schlug Gabriele ZIMMER (DIE LINKE) vor. Es werde auch weiterhin zu unserer Pflicht gehören, jenen in der Europäischen Union eine Stimme zu geben, die gerne überhört werden, "jenen mehr als 70 Millionen Menschen in der EU, die in Armut leben bzw. gefährdet sind, darunter 19 Millionen Kinder".

In den Schlussfolgerungen des Gipfels sollte sich auch eine "Anmerkung für die Opfer sozialer Ausgrenzung" finden. Der Kampf gegen Armut, soziale Ausgrenzung und wachsende soziale Spaltung werde weiterhin nicht mit der notwendigen Klarheit und Konsequenz thematisiert und unterstützt.

Jens-Peter BONDE (IND/DEM, DK) fragte in seiner Rede wann "wir endlich eine konsolidierte Fassung des Vertrages von Lissabon haben, sodass wir auch dessen Inhalt tatsächlich verstehen können?"

Jana BOBOŠÍKOVÁ (Fraktionslose, CZ) sagte, das Vorhaben der Staats- und Regierungschefs, die CO2-Emissionen um 20% zu senken und gleichzeitig den Anteil erneuerbarer Energien um 20% zu erhöhen, sei reine Utopie, die einen negativen Effekt auf Arbeitsplätze und die Industrie haben könnte.

Weitere deutschsprachige RednerInnen:
Andreas MÖLZER (FPÖ) sagte, wirtschaftspolitische Themen wie die Umsetzung der Lissabon-Strategie oder die Ankurbelung der Wirtschaft angesichts der internationalen Finanzkrise dürften nicht in den Hintergrund treten. Finanzielle Hilfen sollten generell an den Abschluss eines Rückübernahmeabkommens für illegale Flüchtlinge bzw. Maßnahmenpakete zur Verhinderung der illegalen Flucht gekoppelt werden, so Mölzer.

Udo BULLMANN (SPE) betonte, es entstehe ein Kartell der Politikblockade unter dem Motto "nur keine Veränderung". Dies sei jedoch nicht im Interesse der Menschen und der Wirtschaft. Europa falle bezüglich der Forschung und Entwicklung unter das Niveau der USA. Europa werde nicht nur von Japan überholt, sondern auch von China.

"Warum wird das Thema Kohäsionspolitik und die Territoriale Agenda nicht angesprochen?", fragte Gisela KALLENBACH (Grüne). Kohäsionspolitik sei die konkrete Umsetzung des Solidaritätsprinzips und würde uns deshalb wohl länger begleiten und beschäftigen als die Lissabon-Strategie, die hoffentlich 2010 erfolgreich abgeschlossen sein wird.

Werner LANGEN (CDU) unterstrich, die Mitgliedstaaten sollten für das Defizit in der Umsetzung der wirtschaftlichen Leitlinien verantwortlich gemacht werden und nicht die EU-Kommission. Die Armut sei nicht größer geworden. "Europa ist eine Wohlstandsgesellschaft, lediglich die Verteilung der Armut hat sich geändert", so Langen.

Der Frühjahrsgipfel letztes Jahr sei unter der Führung von Frau Merkel sehr erfolgreich verlaufen, so Karl-Heinz FLORENZ (CDU). Jetzt ginge es darum, die Entscheidungen vom 7. März vergangenen Jahres in der Gesetzgebung umzusetzen. Eine Gesetzgebung solle aber nicht bestrafen, sondern Menschen und Firmen dazu motivieren, Innovationen zu betreiben, um am Ende mehr Nachhaltigkeit zu erreichen.

Alexander Graf LAMBSDORFF (FDP) meinte, dass der Entwurf der Schlussfolgerungen des Rates was die Sprache zum Energiebinnenmarkt betrifft, schwach sei. Es gebe keine Einigung im Rat über die Frage Entflechtung. Man solle mit dem Ansatz konsequenter Entflechtung weitermachen - allerdings müsse es "eine für die Verbraucher wirksame Entflechtung sein". Faire Preise und eine sichere Versorgung müssten dabei herauskommen.

Klaus-Heiner LEHNE (CDU) forderte Kommission und Rat auf, darauf zu achten, dass die Lücken im Bereich der Binnenmarktgesetzgebung geschlossen werden. Die Lissabon-Strategie, so wie sie neu aufgelegt worden ist, sei im Prinzip ein Erfolg. Es sei richtig gewesen, eine neue Priorisierung vorzunehmen mit dem Ziel von mehr Wachstum und Beschäftigung, da diese Voraussetzung dafür ist, um eine gute Umwelt- und Sozialpolitik als den zweiten und dritten Pfeiler der Lissabon-Strategie vernünftig weiterverfolgen zu können.

Europa solle eine effiziente Verkehrspolitik in die Leitlinien aufnehmen, meinte Georg JARZEMBOWSKI (CDU). Ohne ein vernünftiges Verkehrsystem könne weder Handel noch Tourismus vorankommen. Vor allem für Wachstum und Beschäftigung sei die Verkehrspolitik ein zentrales Element.

Klimaschutz und die Reduzierung der Energieabhängigkeit müssen Forschung, Innovation, Wachstum und Beschäftigung neue Dynamik verleihen, so Othmar KARAS (ÖVP). Der Euro, die Erweiterung, der Binnenmarkt, die Lissabon-Strategie, der Vertrag von Lissabon mit der Stärkung der sozialen Marktwirtschaft, mit der Verankerung der sozialen Grundrechte seien ein Gesamtpaket, mit dem der Erfolgskurs der EU fortgesetzt werden soll.

Paul RÜBIG (ÖVP), sagte, eine Studie zum Klimawandel zeige, dass der geschätzte Schaden des Klimawandels zwischen einige Hundert Billionen Euro betrage. "Warum nehmen wir davon nicht 1-6 Milliarden Euro um in ein Institut für Innovation und Technologie zu investieren?", meinte Rübig. 
 
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