Jüdisches Museum präsentiert Ausstellung im Jubiläumsjahr   

erstellt am
18. 03. 08

"Leben! Juden in Wien nach 1945" - eine Fotoausstellung inszeniert von Ruth Beckermann
Wien (rk) - "Unser Haus feiert heuer sein 15-jähriges Bestandsjubiläum, und diese Ausstellung greift eines der wichtigsten Themen unserer Arbeit auf - die Auseinandersetzung mit dem jüdischen Leben in Wien nach 1945, sagte Direktor Karl Albrecht-Weinberger in seinem Statement bei der Medienpräsentation der Ausstellung "Leben! Juden in Wien nach 1945". Unter dem Titel "Leben! Juden in Wien nach 1945" zeigt das Jüdische Museum Wien von 19. März bis 22. Juni 2008 mehr als 3500 Fotografien von Margit Dobronyi, die Ruth Beckermann ausgewählt und als Ausstellungsinstallation inszeniert hat. Basis für die Ausstellung ist das mehr als 150.000 Fotos umfassende Archiv der heute 95- jährigen Fotografin Margit Dobronyi, das 2004 vom Jüdischen Museum Wien angekauft wurde. 3500 Fotos bilden eine Installation, welche durch Filmausschnitte animiert und durch Video-Erzählungen verdichtet wird. "Es lassen sich viele Ausstellungen mit Margit Dobronyis Fotos gestalten. Man könnte es nach Familien ordnen, nach Schauplätzen, nach Anlässen, man kann es als Beitrag zu einer Kulturgeschichte der Mode und der Interieurs sehen. Ich entschied mich dafür, die Fotos allein nach dem subjektiven Kriterium auszuwählen, ob etwas von einem Foto auf mich überspringt und mein Herz zum Klopfen bringt", so Ruth Beckermann zu ihrem Zugang zum Projekt.

15 Jahre Jüdisches Museum - ein erfolgreiches Unternehmen der Wien Holding
Wien Holding-Direktor Peter Hanke ließ es sich nicht nehmen zur Präsentation der ersten Ausstellung des Jüdischen Museums in der 15. Ausstellungssaison im Palais Eskeles zu kommen. "Das Jüdische Museum Wien nimmt eine Sonderstellung unter den Kulturbetrieben der Wien Holding ein. Wien ist sich der historischen Verantwortung bewusst, die durch die Gräuel des NS- Regimes der jüdischen Bevölkerung dieser Stadt angetan wurden. Das Museum kann nur ein Beitrag dazu sein, dass derartige Verbrechen durch Bewusstseinsbildung nicht wieder passieren. Mehr als 130 Ausstellungen hier im Palais Eskeles und mehr als ein Dutzend im Museum auf dem Judenplatz zeigen alle wesentlichen Aspekte jüdischer Geschichte und Kultur in dieser Stadt auf. Was aber besonders wichtig dabei ist, ist die hohe Akzeptanz und internationale Reputation des Hauses: Mehr als 1,2 Millionen Menschen besuchten das Haus in den letzten 15 Jahren bei Ausstellungen und Veranstaltungen, mittlerweile fast 30.000 Schülerinnen und Schüler absolvieren jedes Jahr Besuchsprogramme und Führungen, die übrigens kostenlos bereitgestellt werden. Und die Wien Holding als Eigentümer steht zu diesen Leistungen und auch zur Finanzierung" so Wien Holding-Direktor Hanke im Mediengespräch.

Das Dobronyi-Archiv im Jüdischen Museum
Margit Dobronyi kam 1913 in Budapest zur Welt. 1956 floh sie wie viele ihrer Landsleute mit ihrer Familie von Ungarn nach Wien. Aus dem folgenden Jahr stammen die ersten Fotografien, auf denen sie Hochzeiten, Bar Mizwas und andere Feste festhielt. Auf den Bildern sieht man Menschen, von denen die meisten ebenso wie sie nach 1945 aus Osteuropa in diese "Stadt ohne Juden" geflohen waren und sich hier eine neue Existenz aufgebaut hatten. Von den mehr als 180.000 Wiener Juden, die vor 1938 in dieser Stadt lebten, waren 1945 etwa 2.000 übrig geblieben. Niemand erwartete, dass sich hier wieder eine jüdische Gemeinde entfalten könnte. Doch ausgerechnet Wien entwickelte sich in der Zeit des Kalten Kriegs und Wiederaufbaus zu einer kleinen, aber lebendigen Drehscheibe jüdischen Lebens in Europa. Zuerst kamen die Überlebenden aus den DP-Camps, dann die Flüchtlinge aus den kommunistischen Nachbarstaaten. Viele zogen weiter nach Israel oder in die USA, aber einige schoben die Abreise immer wieder auf, gründeten Familien und Firmen und belebten die klein gewordene Gemeinde neu und ganz anders.

Margit Dobronyi war bei den meisten Festen der jüdischen Gesellschaft anwesend. Bei Bar Mizwas, Bällen, Hochzeiten und offiziellen Veranstaltungen erschien die kleine Frau mit dem großen Blitzlicht und fotografierte, ob sie nun einen Auftrag hatte oder nicht: fröhliche Menschen, ausgelassene Feste, bunte Farben, modernes Leben in einer grauen Stadt. Die Bilder erzählen von dem Bedürfnis, das versäumte Leben nachzuholen; von dem Willen, trotz allem zu singen und zu tanzen. Fünfzig Jahre später sind sie kulturgeschichtliche Dokumente der zaghaften Etablierung einer jüdischen Gemeinde und des wirtschaftlichen Aufstiegs einer erfolgreichen Migrantengruppe, die ab den 80er Jahren von einer neuen Immigration aus Georgien und dem Kaukasus verstärkt wird. Die Frau mit der Kamera wurde Zeugin, wie in den folgenden vierzig Jahren ein buntes jüdisches Leben im kleinem Maßstab mit großer Energie wieder in Wien auflebte.

Eine Ausstellung als Werkstattbericht
"Leben! Juden in Wien nach 1945" vereint tausende Bilder, die - meist in Farbe - fröhliche Menschen zeigen und von einer überschwänglichen Lebendigkeit einer neuen jüdischen Gemeinde im Nachkriegswien. Sie reflektieren aber auch das Lebensgefühl in der Wiener jüdischen Gemeinde der 1960er, 1970er und 1980er Jahre. Die von Ruth Beckermann gemeinsam mit Sergio Ramirez gestaltete Installation ist eine "work in progress", denn die wissenschaftliche Aufarbeitung und Dokumentation im Jüdischen Museum geht weiter. Die Filmemacherin Beckermann wuchs inmitten der Gemeinde und natürlich ebenfalls unter dem wachsamen Kameraauge der Margit Dobronyi auf. Beckermann entwarf das Konzept der Ausstellung, wählte die Fotos aus und dokumentierte sie mit ihrem Team (Milli Segal, Yvonne Feiger, Daphna Frucht, Stefan Lerch), wobei sie auf die Vorarbeiten von Pnina Schreiber, die das Dobronyi-Archiv im Jüdischen Museum leitet, aufbauen konnte. Im Museum selbst wird das Projekt von Hauskurator und Archivleiter Werner Hanak-Lettner kuratorisch betreut.

Informationen: http://www.jmw.at/
 
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