Euroraum-Quartalsbericht: Der Wind wird rauher   

erstellt am
26. 03. 08

Brüssel (ec.europa) - Die Wirtschaft hat in zunehmendem Maße mit widrigen äußeren Einflüssen zu kämpfen, doch erweist sich der Euroraum unter anderem aufgrund des kräftigen Wachstums der aufstrebenden Märkte als widerstandsfähig - so das Ergebnis des jüngsten Euroraum-Quartalsberichts. Die neuesten harten und weichen Daten bestätigen die am 21. Februar veröffentlichte Wachstumsprognose. Der Bericht befasst sich ferner mit der Frage, warum in den Industrieländern Wachstum und Inflation in den vergangenen Jahrzehnten vergleichsweise stabil geblieben sind – ein Phänomen, das von Ökonomen als “Great Moderation“ bezeichnet wird. Dem Bericht zufolge haben die Arbeitsmarktreformen den Beschäftigungsstand zwar erhöht, ist der Arbeitsmarkt aber zunehmend zweigeteilt und ruht die Last der Reformen auf Arbeitnehmern ohne reguläres Beschäftigungsverhältnis. Er zeigt ferner, dass die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten unterschiedlich auf den derzeitigen Inflationsdruck reagieren. Im zentralen Teil des Berichts wird argumentiert, Ostasien könne sich an den Erfahrungen Europas mit der Wirtschafts- und Währungsunion orientieren, was nicht nur der eigenen Region, sondern der ganzen Welt zugute käme.

„Der Wirtschaft des Euroraums schlägt wegen der anhaltenden Ungewissheit über die Dauer und letztendlichen Kosten der Finanzmarktturbulenzen, der Abschwächung der US-Wirtschaft und der steigenden Rohstoffpreise nach wie vor ein rauher Wind entgegen. Und die Folgen bekommt der Euroraum trotz seiner soliden wirtschaftlichen Eckdaten allmählich zu spüren,” so Wirtschafts- und Währungskommissar Joaquín Almunia.

Das BIP-Wachstum des Euroraums schwächte sich im Jahresvergleich von 2,6 % im dritten Quartal 2007 auf 2,2 % im vierten Quartal ab. Diese Abschwächung ist zu einem großen Teil auf einen Rückgang des privaten Verbrauchs zurückzuführen, der seinerseits durch steigende Verbraucherpreise bedingt ist. Im Februar stieg die Inflation auf 3,3 % an, während sie im Sommer letzten Jahres noch 1,7 % betragen hatte. Das anhaltend kräftige Investitionswachstum, das durch eine hohe Kapazitätsauslastung und die hohe Rentabilität des nicht-finanziellen Unternehmenssektors getragen wird, gibt allerdings zur Hoffnung Anlass. Nach der Zwischenprognose der Kommission vom Februar 2008 wird sich das Wirtschaftswachstum im Euroraum im Jahr 2008 voraussichtlich auf 1,8 % abschwächen, was durch die seither veröffentlichten harten und weichen Daten bestätigt wird. Die Vertrauensindikatoren im verarbeitenden Gewerbe haben sich in den vergangenen Monaten alles in allem relativ gut gehalten und die jüngste Erhebung der Industrieproduktion fiel besser aus als erwartet.

Auch der jüngste Anstieg des Inflationsgefälles zwischen den Mitgliedstaaten des Euroraums wird in diesem Quartalsbericht analysiert. Demnach haben die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten recht unterschiedlich auf den Anstieg der Energie- und Lebensmittelpreise seit Sommer 2007 reagiert, was u.a. auf die unterschiedliche Gewichtung von Lebensmitteln und Energie im HVPI[1]-Warenkorb, die Intensität des Wettbewerbs auf den Endkundenmärkten und die Position im Konjunkturzyklus zurückzuführen ist. Wie stark die Inflation durch die Aufwertung des Euro gedämpft wurde, hängt auch von den internationalen Handelsmustern, den konjunkturellen Bedingungen und der Intensität des Wettbewerbs auf den inländischen Endkundenmärkten ab.

In dem Bericht wird ebenfalls untersucht, warum die Inflations- und Wachstumsraten der Länder des Euroraums wie die der meisten anderen Industrieländer in den vergangenen zwanzig bis dreißig Jahren vergleichsweise stabil geblieben sind. Diese so genannte „Great Moderation” ist nicht allein Glückssache, weil Schocks relativ gedämpft ausgefallen sind, sondern auch das Ergebnis verbesserter wirtschaftspolitischer Strategien, insbesondere einer besseren Währungspolitik und – wenn auch in geringerem Maße – wirksamerer automatischer finanzpolitischer Stabilisatoren. Wirtschaftspolitische Korrekturen haben diese moderate Entwicklung vor allem in Ländern vorangetrieben, in denen zuvor besonders flagrante politische Fehler begangen wurden.

Auch die jüngsten Arbeitsmarktreformen im Euroraum werden im Quartalsbericht beleuchtet. Diese zielten in erster Linie darauf ab, die Nutzung des Arbeitskräftepotenzials insbesondere bei Gruppen mit geringer Erwerbsquote, wie gering Qualifizierten, Frauen und älteren Arbeitnehmern zu erhöhen. Die Reformen haben sich nachweislich ausgezahlt - sie haben die Beschäftigungsquoten erhöht und den Arbeitsmarkt in die Lage versetzt, wirksamer auf Konjunkturschocks zu reagieren. Um der wachsenden Zweiteilung des Arbeitsmarkts im Euroraum entgegenzuwirken, könnten sich jedoch weitere Reformen als notwendig erweisen, die auf die Ränder des Arbeitsmarkts abzielen, reguläre Beschäftigungsverhältnisse aber aussparen.

Im zentralen Teil des Berichts wird schließlich der Frage nachgegangen, welche Lektionen Asien aus der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion ziehen könnte. Die Finanzkrise Asiens Ende der 1990er Jahre hat die regionale Integration in Ostasien zwar vorangetrieben, doch wurden dabei unterschiedlich große Forschritte erzielt. Während die Handelsintegration rasch zugenommen hat, wurden bei der Zusammenarbeit in Finanz- und Währungsfragen deutlich geringere Fortschritte erzielt. Eine stärkere Zusammenarbeit in Währungs- und Wechselkursfragen wäre nicht nur für die Region von Nutzen, sondern käme auch dem Euroraum und dem globalen Finanzsystem zugute, insbesondere dann, wenn dies zu einem geordneteren Abbau der globalen Ungleichgewichte beitragen könnte.

Auch wenn die europäische Integration in Ostasien nicht Schritt für Schritt reproduziert werden kann, liefert sie doch einige nützliche Anhaltspunkte. Sie legt nahe, dass die Koordinierung von Wechselkursen und Geldpolitik erhebliche strukturelle Veränderungen voraussetzt, so beispielsweise eine größere interregionale Mobilität der Arbeitskräfte und eine größere Diversifizierung von Produktions- und Konsummustern. Währungsintegration erfordert auch ein stärkeres politisches Engagement und eine angemessene Regierungsführung. Was Asien zurzeit fehlt, sind wirksame Aufsichtsmechanismen, die die notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Wechselkurs- und Währungskoordinierung sind.
 
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