Universität Wien: Ehrendoktorat für Eric J. Hobsbawm   

erstellt am
08. 04. 08

Wien (universität) - Am 15. April 2008 verleiht Rektor Georg Winckler dem renommierten Sozialhistoriker Eric J. Hobsbawm, das Ehrendoktorat der Universität Wien. Hobsbawm hat mit seinen Werken seit den 1960er Jahren herausragende Orientierungspunkte in der historisch-kulturwissenschaftlichen Forschung geschaffen. Seine Betroffenheit als Zeitzeuge, seine biografische und wissenschaftliche Internationalität sowie seine Fähigkeiten als Forscher und Autor machen ihn zu einer großen Leitfigur der Geschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts.

Hobsbawm - moderner Geschichtsschreiber

Eric Hobsbawm, Historiker und politischer Denker, integriert Wirtschaftsgeschichte, Sozialgeschichte, politische Geschichte und Kulturgeschichte zu komplexen Überblickswerken. Hobsbawm verfügt nicht nur über die Fähigkeit, Einzelstudien in packende Gesamtdarstellungen zusammenzubauen, sondern er schafft es auch unvergleichlich, in seinen "großen Erzählungen" die Faszination zum Forschungsgegenstand Geschichte zu vermitteln.

Vier Publikationen:
Von der Französischen Revolution bis zum Ende des 20. Jahrhunderts
In seiner international bekannten Tetralogie arbeitet Hobsbawm das 19. und 20. Jahrhundert auf. Er erklärt darin das Scheitern des Sozialismus an der bürgerlichen Gesellschaft:

Europäische Revolutionen. 1789-1848 (1962).
Die Blütezeit des Kapitals. Eine Kulturgeschichte der Jahre 1848-1875 (1975).
Das imperiale Zeitalter 1875-1914 (1987).
Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts 1914-1991 (1994).

In "Das Zeitalter der Extreme" bezieht er zu den Ereignissen der jüngeren Geschichte auch persönlich Stellung: Einerseits ging es den Menschen gut wie nie, man denke an die persönliche Freiheit und den weit verbreiteten ökonomischen Wohlstand. Andererseits war es das Jahrhundert, das mit dem Holocaust und dem Gulag-System Stalins eine nie da gewesene Grausamkeit hervorbrachte.

Zeitzeuge des 20. Jahrhunderts
"Eric Hobsbawm ist ein 'Wanderer zwischen den Welten'. Das betrifft nicht nur seine Biographie - geboren 1917 in Alexandria, Schule in Wien und Berlin, Studium in England -, sondern auch sein wissenschaftliches Werk", betont Dieter Stiefel, Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Wien, in seiner Laudatio für den renommierten Sozialwissenschafter. Hobsbawm hat zahlreiche Ereignisse des 20. Jahrhunderts selbst miterlebt: Die Turbulenzen der Zwischenkriegszeit, den Nationalsozialismus, die Entkolonialisierung, den Kalten Krieg und das Experiment des realen Sozialismus bis hin zur Ostöffnung, also der Rückkehr dieser Länder zu westlichen demokratischen Strukturen und zur Marktwirtschaft.

Kurzbiografie

Der Sohn jüdischer Eltern wurde Eric Hobsbawm am 9. Juni 1917 in Alexandria, Ägypten, geboren. Nach dem Tod seiner Eltern Anfang der 1930er Jahre zog er mit seiner Schwester zu seinem Onkel nach Berlin. Dort trat er als Gymnasiast dem Sozialistischen Schülerbund, einer Unterorganisation der KPD, bei. 1933 ging er nach London, von 1936-39 studierte er am King¿s College in Cambridge. Nach seinem Militärdienst in der britischen Armee (1940-46) lehrte Hobsbawm am Birkbeck College der Universität London. Zahlreiche Gastprofessuren führten ihn unter anderem nach Stanford, an das Institute of Technology in Massachusetts und an die Universidad Nacional Autonoma in Mexiko. Seit 1984 hat er die Professur für Politik und Gesellschaft an der New School for Social Research in New York. Hobsbawm ist Mitglied der British Academy und der American Academy of Arts and Sciences und hat zahlreiche Ehrendoktortitel erhalten. Im Jahre 1999 erhielt er den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung, 2000 den Ernst-Bloch-Preis und 2003 den Balzan-Preis. 2008 wurde er Ehrenbürger der Stadt Wien.
 
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