Modernstes DNA Sequenziergerät von Roche an österreichischer Universität   

erstellt am
17. 04. 08

Medizinische Universität Graz übernimmt Vorreiterrolle im Bereich der genomweiten DNASequenzierung
Graz (universität) - Die Schlagzeilen "Das menschliche Genom entschlüsselt" sind vielen noch in guter Erinnerung. Die Rede war damals vom HUGO "Human Genome Organization"- Projekt. Es dauerte rund zehn Jahre und beschäftigte zahlreiche Labors und Arbeitsgruppen in vielen Ländern, um die Reihenfolge der ca. drei Milliarden Basenpaare des menschlichen Genoms zu bestimmen.

Die neueste Generation an Ultrahochdurchsatz DNA Sequenziergeräten ermöglicht dieselben Analysen innerhalb weniger Wochen mit nur einem einzigen System. In Zahlen ausgedrückt bedeutet das, dass bis zu einer halben Milliarde DNA-Bausteine, das entspricht rund einem Sechstel des gesamten menschlichen Genoms, innerhalb von 24 Stunden bestimmt werden können. Das Genom eines Bakteriums ist im Vergleich zum menschlichen Genom rund tausendfach kleiner. Es genügt somit eine einzige Analyse, um ein bakterielles Genom mehrfach zu analysieren.

"Mit diesem Gerät setzt die Medizinische Universität Graz einen weiteren Schritt in Richtung Hochtechnologie-Forschung. Das immer weitere Vordringen in die molekulare Dimension bietet bislang ungekannte Einblicke in die Komplexität biologischer Systeme. Dies bedeutet eine ungeheure Herausforderung für unsere Forscherinnen und Forscher, die mit Kreativität und Kompetenz relevante Fragen stellen und richtige Interpretationen finden. Sie arbeiten damit auf höchsten internationalem Niveau. Wir sind stolz, solche Wissenschafterinnen und Wissenschafter an unserer Universität zu haben", betont Univ.-Prof. Dr. Josef Smolle, Rektor der Med Uni Graz.

Neue Technologie bietet breites Anwendungsspektrum und beschleunigt Erforschung von neuen Behandlungen, Therapien und Präventionsmaßnahmen

Die Möglichkeiten und Anwendungsbereiche, die sich durch diese Technologie sowohl für die Grundlagen- als auch für die angewandte biomedizinische Forschung eröffnen, sind enorm. "Es liegt nahe, dass ein derart leistungsfähiges System schnell ein breites Spektrum von Einsatzbereichen findet. So werden derzeit Resequenzierungen von Mensch und diversen Species (z. B. Mikroorganismen) durchgeführt." erklärt Dr. Marcus Dröge, Marketing Direktor Genome Sequencer FLX von Roche Diagnostics in Penzberg.

Krankheitserregende Keime können mit nahe verwandten, nicht pathogenen Keimen auf DNA Sequenzebene verglichen werden, was eine rasche Identifikation der auslösenden Faktoren ermöglicht. Das Erkennen dieser Unterschiede ist die Grundvoraussetzung für die Entwicklung therapeutischer Gegenmaßnahmen. In der Humanmedizin wird durch die Erkennung kleinster individueller Unterschiede auf DNA Sequenzebene eine frühzeitige Optimierung von Präventionsmaßnahmen und auch Behandlungstherapien bei verschiedensten Erkrankungen möglich. Viele weitere Anwendungsgebiete wie die De novo Sequenzierungen von Neandertaler und Mammut bringen Licht in die näheren Verwandtschaftsverhältnisse, also zu Mensch bzw. Elefant. Die Amplikonsequenzierung dient zum Auffinden von sogenannten SNPs ("single nucleotide polymorphisms"), also zur Mutationsanalyse, und mittels "ultra deep sequencing" können sogar zirkulierende Tumorzellen aufgespürt werden.

"Die Medizinische Universität Graz hat sich als erste österreichische Universität für den Einstieg in die Ultrahochdurchsatz DNA Sequenzier Technologie entschieden. Die Durchführung der Analysen erfolgt am Zentrum für Medizinische Grundlagenforschung in einer spezialisierten zentralen Einheit, einer sogenannten Core Facility, die sich in den vergangenen Jahren als Provider für Hochdurchsatz Analysen und Technologien auf dem Gebiet der Molekularbiologie etabliert hat", erzählt der Leiter des Zentrums für Medizinische Forschung, Prof. Andreas Tiran stolz.

"Durch den Ankauf eines Genome Sequencer FLX Systems der Firma Roche wird den Arbeitsgruppen an der Medizinischen Universität Graz der direkte Zugang zu einer der wichtigsten Entwicklungen im Bereich der Molekularbiologie, der Ultrahochdurchsatz Sequenzier Analytik, ermöglicht", erklärt Dr. Christian Gülly, Leiter der Core Facility Molekularbiologie.

Erstes Sequenzierprojekt: Charakterisierung der protektiven Darmflora
Das erste an der Medizinischen Universität Graz durchgeführte genomweite Sequenzierprojekt wird von den beiden Wissenschaftern Prof. Christoph Högenauer von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und vom Pathologen Dr. Gregor Gorkiewicz geleitet. Dabei handelt es sich um die Erforschung einer schweren, entzündlichen Darmerkrankung.

"Nach neuesten Schätzungen werden kollektiv gesehen bis zu 40.000 verschiedene Bakterienarten in der humanen Darmflora gefunden. Jeder einzelne Mensch trägt vermutlich bis zu 500 verschiedene Bakterienarten im Darm", erklärt Univ.-Prof. Dr. Christoph Högenauer. Diese Vielfalt ist wichtig für die Erhaltung der menschlichen Gesundheit und Störungen dieser führen zur Entwicklung von verschiedensten Darmerkrankungen. Darunter zu finden sind bspw. Antibiotika-assoziierte Darmentzündungen, der Morbus Crohn oder die Colitis ulcerosa. Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen (aus Mikrobiomstudien) sind aber auch Stoffwechselstörungen wie die Fettleibigkeit maßgeblich von der Zusammensetzung der mikrobiellen Darmflora beeinflusst. Das Ziel der laufenden Untersuchungen ist, den schützenden Aufbau der Darmflora zu charakterisieren. Dies soll anhand des Krankheitsbilds der Clostridium difficile Infektion, die durch eine Störung der normalen Darmflora ausgelöst wird, erforscht werden. Diese Infektion betrifft vor allem PatientInnen, die mit einem Antibiotikum behandelt werden und führt zu einer schweren Entzündung des Dickdarms mit Auftreten von starken Durchfällen. "Diese Erkrankung ist durch steigende Infektionszahlen und eine hohe Sterblichkeit vor allem bei SpitalspatientInnen ein zunehmendes Problem. Wir erwarten uns durch diese Erkenntnisse neue Perspektiven für die Entwicklung therapeutischer Ansätze mittels individuell optimierbarer und vor allem biologisch wirksamer probiotischer Therapien. Derartige "naturnahe" Therapiemöglichkeiten stellen eine wünschenswerte Behandlungsform mit weit aus besserer Verträglichkeit für die PatientInnen dar", detailliert Univ.-Prof. Dr. med. Christoph Högenauer.

Dr. med. Gregor Gorkiewicz fügt hinzu: "Die menschliche Darmflora besteht aus 10 bis 100 Billionen (1013 - 1014) Mikroorganismen. Die Charakterisierung eines Großteils dieser Bakterienarten war bislang mit konventionellen Methoden nicht möglich. Wesentliche Limitationen sind einerseits die Organismenvielfalt per se und die Sensitivität der Mehrheit dieser Mikroorganismen gegenüber herkömmlichen Nachweisverfahren (kulturelle Anzüchtung) andererseits. Durch die Kombination molekularer Nachweismethoden wie der Polymerase Kettenreaktion (PCR) mit der neuesten Generation von Hochdurchsatz-Sequenzierverfahren kann nun erstmals ein exaktes Abbild dieser Mikroflora erstellt und deren Veränderung bei Erkrankungen und während des Krankheitsverlaufes analysiert werden. Dabei wird die DNA Sequenz genau definierter Abschnitte des bakteriellen Genoms bestimmt. Aus der exakten Abfolge der einzelnen DNA Bausteine und der Häufigkeit des Auftretens dieser spezifischen Sequenzen, kann die Artenvielfalt der Mikroorganismen und deren Verteilung genau bestimmt werden."

"Das mit modernster Infrastruktur ausgerüstete Zentrum für medizinische Forschung in Graz etabliert sich zunehmend zu einem anerkannten Forschungszentrum in Österreich. Wir freuen uns, dass unsere Technologie für die Unterstützung der innovativen Forschungsprojekte an der Medizinischen Universität Graz ausgewählt wurde", sagt Dr. Andrijka Kashan, Geschäftsführerin von Roche Diagnostics Österreich.

ZMF -Modernste Forschungsinfrastruktur im Zentrum für Medizinische Forschung "Das ZMF bietet den ForscherInnen der Med Uni Graz modernste Forschungsinfrastruktur durch das vielfältige Serviceangebot in den unterschiedlichsten Core Facilities sowie durch die technische Ausstattung State-of-the-Art . Mit dieser Einrichtung stehen unseren Forschungsteams Geräte, Technik und Methoden auf internationalem Level zur Verfügung", erklärt Univ.-Prof. Dr. Hellmut Samonigg. Das ZMF kann bereits in der kurzen 4-jährigen Geschichte eine Erfolgsbilanz aufweisen: So ist etwa das Fördervolumen der Med Uni Graz in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen. Das ZMF in Zahlen: rund 4.100m² modernste Forschungsinfrastruktur, Know-how von 35 SpezialistInnen, 5 Core Facilities, eine bestausgestattete Bibliothek mit einem technisch hochwertigen Lernzentrum für unsere Studierenden und MitarbeiterInnen.

http://www.meduni-graz.at
 
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