10 Jahre Euro  

erstellt am
28. 04. 08

"Stabilitätsorientierte Politik – Erfolgsfaktor für Wirtschafts- und Währungsunion"
Nationalbank-Gouverneur Dr. Liebscher zieht positive Bilanz
Wien (oenb) - Die Schaffung der WWU war und ist die richtige Antwort Europas auf die Herausforderungen der Globalisierung und die Teilnahme Österreichs von Beginn an war der einzig logische Schritt, stellte der Gouverneur der Oesterreichischen Nationalbank und Mitglied des EZB-Rates, Dr. Klaus Liebscher, bei der Eröffnung der Volkswirtschaftlichen Tagung der OeNB am 28.04. fest. Ein auch währungspolitisch geeintes Europa stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und trägt dazu bei, dass wir in der globalen Arbeitsteilung des 21. Jahrhunderts erfolgreich bestehen. „Aber der Erfolg wird sich auch weiterhin nicht automatisch einstellen“, setzte Gouverneur Liebscher fort. Er setzt voraus, dass die gemeinsame Geldpolitik wie im EU-Vertrag festgeschrieben, eine stabilitätsorientierte ist. „Dauerhafte Geldwertstabilität ist der Humus, der den Boden für erfolgreiches Wirtschaften aufbereitet“, so der Gouverneur.


„Wir sind mit dieser stabilitätsorientierten Politik in den vergangenen 10 Jahren sehr gut gefahren“, hielt der Gouverneur fest. Die Inflationsrate lag in diesem Zeitraum im Euroraum durchschnittlich knapp über 2 % und in Österreich knapp unter 2 %. Ein großer Erfolg, wenn man berücksichtigt, dass die letzten Jahre durch wiederholte externe, aber zuletzt auch durch teils ‚hausgemachte’ Preisschocks gekennzeichnet waren.

Die stark gestiegenen Rohstoff- und Nahrungsmittelpreise, wie auch Anhebungen der administrierten Preise und indirekten Steuern durch die öffentliche Hand und die damit verbundene Gefahr für Zweitrundeneffekte erfordern besondere Aufmerksamkeit und vorausschauendes Handeln des EZB-Rates, so der Gouverneur. Nur so kann dauerhaftes, inflationsfreies Wachstum mit seinen positiven Auswirkungen auf Investitionen und Beschäftigung gesichert werden. Die einheitliche Geldpolitik des Eurogebietes darf im Interesse der Glaubwürdigkeit und Stabilisierung der Inflationserwartungen weder kurzfristige Konjunktur- oder beschäftigungspolitische Ziele, noch einzelne Länder- oder Brancheninteressen verfolgen.

Nicht minder wichtig für die Funktionsfähigkeit der Währungsunion ist ein stringentes und klares fiskalisches Regelwerk, wie auch eine dynamische Strukturpolitik. Die Anstrengungen zur Budgetkonsolidierung wie auch die teils sehr ambitionierten Strukturreformen haben in den letzten Jahren die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Länder des Euroraums bzw. der EU stimuliert, Beschäftigung und Wachstum geschaffen sowie resistenter gegen externe Schocks gemacht.

Das reale Wirtschaftswachstum im Euroraum betrug seit Beginn der Währungsunion 2,2% p.a. Die Zahl der Beschäftigten wuchs seit 1999 um rund 18 Mio, die Arbeitslosenquote verringerte sich von 10 % (1998) auf zuletzt 7,1 %. Dies ist der niedrigste Stand seit mehr als 25 Jahren. Der Budgetsaldo ging von seinem Höchststand von -3,1 % im Jahr 2003 auf -0,6 % des BIP 2007 zurück.

Gouverneur Liebscher stellte fest, dass die seit 1999 bestehende Mitgliedschaft Österreichs in der Währungsunion auch in unserem Land beträchtliche Wohlstandsgewinne generiert hat. Bei Wettbewerbsfähigkeit und Standortqualität nimmt Österreich eine Spitzenposition ein. Das Wirtschaftswachstum ist robust und war in den letzten Jahren durch einen stabilen Wachstumsvorsprung von rund ½ Prozentpunkt gegenüber dem Durchschnitt des Euroraums gekennzeichnet. Die Arbeitslosenquote ist international gesehen sehr niedrig, die Beschäftigung wuchs dynamisch.

Die hohe Preisstabilität in Österreich, die dadurch hervorragende preisliche Wettbewerbsfähigkeit und die wirtschaftliche Integration haben auch zur herausragenden außenwirtschaftlichen Performance Österreichs beigetragen, so der Gouverneur. Die Leistungsbilanz wies in den letzten Jahren ein steigendes Aktivum von über 3 % des BIP im Jahr 2007 auf. Die Direktinvestitionen Österreichs im Ausland haben sich von 8 % (1998) auf rund 32 % des BIP (2007) vervierfacht.

Die Erweiterung der WWU bezeichnete der Gouverneur als eine der zentralen künftigen Herausforderungen. Waren es beim Start 1999 elf Mitgliedstaaten die den Euro einführten, folgten 2001 Griechenland, 2007 Slowenien und am 1.1.2008 Malta und Zypern. Das Eurosystem ist auch weiterhin offen für neue Beitritte zur Währungsunion, hielt Dr. Liebscher fest. „Die Anwendung der Konvergenzkriterien für die neuen EU-Mitgliedstaaten darf jedoch keineswegs schwächer, aber auch nicht schärfer als für die bestehenden Euro-Teilnehmerstaaten erfolgen“, stellte der Gouverneur klar.

Abschließend zitierte Gouverneur Liebscher den berühmten österreichischen Ökonom Joseph Schumpeter, der einst zu dem Urteil kam: „Der Zustand des Geldwesens eines Volkes ist ein Symptom aller seiner Zustände“. So gesehen, meinte der Gouverneur, ist das erfolgreiche Projekt der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion viel mehr als nur ein wirtschaftliches Projekt – es ist auch ein gesellschafts- und sicherheitspolitisches Projekt mit dem Ziel der Friedenserhaltung und Wohlstandsvermehrung in Europa!

 

Der Euro in der erweiterten Union aus Österreichischer Sicht
Rede von Bundeskanzler Gusenbauer anlässlich der Eröffnung der Volkswirtschaftlichen-Tagung der Österreichischen Nationalbank

Sehr geehrter Herr Gouverneur!
Meine Damen und Herren!

Ich freue mich sehr, heute hier zum Thema „Der Euro in der erweiterten EU“ sprechen zu können. Vieles ist gelungen, der Euro funktioniert und hat sich international großartig behauptet. Er ist eine – auch von vormaligen Kritikern - weltweit anerkannte Erfolgsgeschichte, auch dank der hervorragenden Arbeit der Notenbanken und der Europäischen Zentralbank, die im Juni ihr zehnjähriges Bestehen feiert.

Doch vieles hat sich in diesen zehn Jahren auch verändert, und dass es keine Währungsunion aus einem Guss gibt, sondern dass sie, um erfolgreich zu sein, Zeit braucht, ist für niemanden von Ihnen etwas Neues.

Wesentlich für die europäische Erfolgsgeschichte ist nicht nur die Vertiefung der Europäischen Union, sondern auch deren Erweiterung. Der 1. Mai 2004 war ein historisches Datum, an dem die Teilung Europas beendet wurde. Die Vereinigung unseres Kontinents machte eines klar: Stabilität, Wachstum und Wohlstand können langfristig nur garantiert werden, wenn Solidarität und nicht Abgrenzung in den Vordergrund gerückt werden.

Und es ist mir auch wichtig hier festzuhalten, dass der Euroraum keine geschlossene Gesellschaft ist und sich auch nicht den Anschein geben darf, ein exklusiver Klub zu sein. Denn von Anfang an war es erklärtes Ziel der Gemeinschaft, dass letzten Endes alle Mitgliedsländer den Euro einführen sollen. Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die WWU unter Ausgangsbedingungen entworfen wurde, die den Herausforderungen der 90-er Jahre des vorigen Jahrhunderts entsprachen: relativ hohe Budgetdefizite und Staatsverschuldung sowie Inflationsraten, die über dem heutigen Preisstabilitätsziel liegen. Die Kriterien für den Eintritt in die Eurozone spiegeln diese Herausforderungen wider und sie wurden – mangels anderer historischer und ökonomischer Erfahrungen – für die Industrieländer Westeuropas konzipiert.

Diese Situation hat sich jedoch geändert. Die Länder, die nun vor einem Beitritt zur WWU stehen, sind dynamische, rasch aufholende Volkswirtschaften und unterscheiden sich damit vom Kern der Gründungsmitglieder der Eurozone. Ausgehend von niedrigeren Niveaus der Wirtschaftsleistung sind sie durch höhere Wachstumsraten gekennzeichnet, welche vor allem auf ein hohes Produktivitätswachstum und eine robuste Binnennachfrage zurückzuführen sind. Nur drei Staaten ist es daher bisher gelungen, die Eintrittkriterien zu erfüllen: Slowenien, Malta und Zypern.

Unser Nachbar, die Slowakei, hat sich zum Ziel gesetzt, mit 1. Jänner 2009 den Euro einzuführen. Die makroökonomischen Indikatoren zeigen, dass die Slowakei auf einem guten Weg ist. Die abschließende Bewertung der slowakischen wirtschaftlichen Konvergenz obliegt der Europäischen Kommission – auch der EZB. Ich bin zuversichtlich, dass der Europäische Rat im Juni die Aufnahme der Slowakei in den Euroraum beschließen wird.

Sehr geehrte Damen und Herren,
Ich möchte nun ein paar Überlegungen zur Stärkung der Union und der Währungsunion im Besonderen darlegen; die Themen, die ich ansprechen werde, sind:

1) Soziale Dimension der Union;
2) Wirtschaftspolitische Koordinierung;
3) Wechselkurspolitik;
4) Internationale Finanzarchitektur und die Rolle, die die Eurogruppe dabei spielen könnte; und abschließend ein paar Überlegungen zur
5) Finanztransaktionssteuer, deren Einführung ein besonderes Anliegen der österreichischen Bundesregierung ist.

1. Zunächst zur Sozialen Dimension der Union

In der EU, insbesondere im Euroraum, wird gerne der Mangel an Strukturreformen kritisiert. Tatsache ist aber, dass hier beachtliche Fortschritte erzielt wurden: Die Steuer- und Sozialleistungssysteme wurden und werden reformiert, um stärkere Anreize zum Verbleib im beziehungsweise zum Eintritt in den Arbeitsmarkt zu schaffen. Lohnflexibilität wird erhöht und die so genannten „verkrusteten Strukturen“ werden am Arbeitsmarkt aufgebrochen. Die Postulate der modernen Arbeitswelt heißen Flexibilisierung und Deregulierung.

Die mit den Reformen verbundenen sozialen Kosten für betroffene Bevölkerungsgruppen bleiben allerdings in der Lissabon Strategie zu wenig sichtbar. Wir diskutieren heute bereits über eine Post-Lissabon Strategie und ich bin davon überzeugt, dass wir dabei das Europäische Sozialmodell und die soziale Dimension der Integration nicht als 5. Rad abhandeln sollten, sondern als Reformstrategie, die eine laufende Absenkung der Lohnquoten nicht als unabänderliches Beiwerk der Globalisierung sieht, sondern Rahmenbedingungen setzt, die einzuhalten sind: etwa Mindestlöhne, soziale Mindeststandards oder die Einschränkung eines exzessiven Steuerwettbewerbs.

2. Zur Wirtschaftspolitischen Koordinierung
Die Koordinierung der Wirtschaftspolitik hat in den letzten Jahren doch erhebliche Fortschritte gemacht – gestärkt durch die Eurogruppe, den Makroökonomischen Dialog und den reformierten Stabilitäts- und Wachstumspakt. Was Letzteres betrifft, so haben wir die viel kritisierte Inkonsistenz dieses Pakts mit der Lissabonner Strategie zum Teil beseitigen können. Ich bin aber davon überzeugt, dass wir noch mehr brauchen.

Es schwächt die Glaubwürdigkeit der Union, dass wir in der Wirtschaftspolitik einerseits über ein für die Menschen undurchsichtiges Netz an Koordinationsverfahren – mit dutzenden Arbeitsgruppen, Gremien und Foren zu den verschiedensten Detailbereichen – verfügen und gleichzeitig keinerlei politischen Willen zeigen, unsere Instrumente der makroökonomischen Koordinierung effektiver zu gestalten.

Wie würden wir handeln, wenn die Gefahr im Raum steht, dass die Arbeitslosigkeit im Zuge eines konjunkturellen Einbruchs wieder steigt? – auf erforderliche Strukturanpassungen, Lohnmäßigungen, automatische Stabilisatoren und die Lissabon Strategie im Allgemeinen verweisen? Können wir so etwas mit ruhigem Gewissen verantworten?

Ich denke, wenn der globale Konjunkturmotor – diese Rolle wurde in den letzten Jahren wesentlich von den USA eingenommen – ins Stocken gerät, so liegt es an den übrigen Ländern, im Rahmen einer koordinierten Reaktion die Weltkonjunktur zu stimulieren. Ansonsten wird der Ausgleich der Leistungsbilanzen durch einen globalen Konjunktureinbruch erzwungen, der die Importausgaben der Defizitländer ebenso vermindert wie die Exporteinnahmen der Überschussländer. Die Konsequenz wäre eine Destabilisierung der Weltwirtschaft.

Im Rahmen eines Ausblicks auf die nächsten zehn Jahre kann ich nicht umhin, hier ein Umdenken einzufordern. Der Euroraum muss in Zukunft in der Lage sein, auf Krisen wirksamer zu reagieren. Dabei wird es sicherlich notwendig sein, überkommene Dogmen im Interesse eines nachhaltigen Wachstums und dauerhaft hoher Beschäftigung über Bord zu werfen.

3. Zur Wechselkurspolitik
Ein weitere Herausforderung, der wir uns stellen müssen, ist der aktuelle Euro-Wechselkurs. Zuletzt ging die Euroaufwertung mit einer dynamischen Weltnachfrage einher, diese kühlt sich nun ab – der Euro wertet weiter auf. Das trifft die Wirtschaft am kritischen Punkt. Bereits im März haben die europäischen Staats- und Regierungschefs im Rahmen des Frühjahrsgipfels ihre Besorgnis über zu hohe Wechselkursbewegungen zum Ausdruck gebracht und deutlich festgestellt, dass übermäßige Volatilität und ungeordnete Wechselkursschwankungen für das Wirtschaftswachstum nicht wünschenswert sind.

Daher kann ich mich nur der Aussage des Präsidenten der Eurogruppe, Ministerpräsident Jean-Claude Juncker anschließen, dass es nicht nur die Aufgabe der Zentralbank sei, die Wechselkurse zu beobachten. Ich glaube, wir brauchen letztendlich eine multilaterale Wechselkurspolitik, die unkontrollierten Wechselkursschwankungen entgegenwirkt.

4 Internationale Finanzarchitektur und die Rolle, die die Eurogruppe dabei spielen könnte

Mit der Einführung des Euro vor zehn Jahren war auch die Erwartung verbunden, eine aktivere Rolle in internationalen wirtschafts- und währungspolitischen Angelegenheiten zu spielen sowie in Zukunft international mit einer Stimme zu sprechen.

Gerade im Vorfeld der IWF - Frühjahrstagung ist eine langjährige österreichische Forderung wieder zur Sprache gekommen: die Forderung nach einer gemeinsamen Außenvertretung, einem Sitz der Eurogruppe in internationalen Finanzinstitutionen, im Besonderen im IWF. Eine verbesserte Außenvertretung der Eurogruppe würde dem Euroraum jenes wirtschaftspolitische Gewicht geben, das ihr aufgrund ihrer wirtschaftlichen Größe zusteht.

Auch die Finanzmarktturbulenzen haben den Stellenwert der Eurogruppe in der internationalen Finanzwelt auf bezeichnende Weise veranschaulicht. Obwohl der Euroraum von der Finanzkrise betroffen ist, brachte die Eurogruppe nicht die notwendige Geschlossenheit auf, gemeinsame Interessen zu formulieren und durchzusetzen. Das schwächt das Außenbild des Euro als internationale Großwährung, hinter der die Wirtschaftskraft von mittlerweile 15 Ländern steht.

Meine Damen und Herren!
Es gibt nun Gewissheit darüber, dass sich die USA in einer Rezession befindet, ausgelöst durch eine Finanzkrise, die doch die tiefgreifendste seit Jahrzehnten, zu sein scheint. Auch der Euroraum wird – mit der üblichen Zeitverzögerung – davon betroffen sein.

Als Weltwährung müssen wir Interesse daran haben, dass wir Verbindlichkeit in die bestehenden, überwiegend freiwilligen globalen Mechanismen bringen. Bei den derzeit diskutierten Reformvorschlägen zur Finanzmarktregulierung dominieren wieder Selbstregulierung, Marktdisziplin sowie das Vertrauen in von den Finanzmarktakteuren selbst definierten Prinzipien. Diese Maßnahmen sind wichtig, aber sie reichen nicht aus.

Ich möchte daher folgende These in den Raum stellen: Wir brauchen eine wesentlich stärkere internationale Finanzarchitektur. Über kurz oder lang müssen wir dem globalen Finanzsystem eine mit rechtlich verbindlichen Möglichkeiten versehene Weltfinanzorganisation gegenüberstellen. Es ist nicht notwendig, hier eine neue Institution zu schaffen. Es wäre möglich, die Bretton Woods Institutionen mit dem Setzen von Regulierungsstandards und der Koordinierung der globalen Aufsicht zu betrauen. Der Internationale Währungsfonds verfügt bereits jetzt über wesentliche Kompetenzen in diesem Bereich.

Von der Konzeption her wäre eine Weltfinanzorganisation vergleichbar mit der 1995 gegründeten Welthandelsorganisation WTO, der Nachfolgeorganisation des GATT, deren Mitgliedländer völkerrechtlich verbindlichen Regeln für den Handel unterliegen. Die Weltfinanzorganisation soll und kann nicht die Aufsicht durch bestehende Institutionen ersetzen, ihre Aufgabe bestünde vielmehr darin, internationale Standards für die Finanzmarktregulierung und –aufsicht zu formulieren und deren Durchsetzung zu überwachen. Sie sollte auch damit betraut werden, Bedingungen für eine höhere Transparenz, zum Beispiel durch die Einrichtung eines internationalen Kreditregisters zu schaffen sowie bessere Frühwarnsysteme und Krisenmanangement-Instrumente zu entwickeln.

Letztlich geht es auch darum, in Zukunft zu unterbinden, dass die Staaten im Wettlauf um Finanzvermögen gezwungen sind, die Regulierung der Finanzmärkte auf Kosten der Allgemeinheit und der Steuerzahler sukzessive zu lockern oder erst gar nicht zu regulieren, wie das zum Beispiel bei Hedge Fonds der Fall ist. Die regulatorische Arbitrage, die wir in den letzten Jahren und Jahrzehnten vor allem bei der Regulierung außerhalb des Bankensektors beobachtet haben, ist ja auch ein Teil des heutigen Problems. Allein aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit müssen alle Teile des Finanzmarktes durch angemessene Regulierung erfasst werden. Nur Banken zu regulieren, während das Kreditrisiko bei unregulierten Hedge Fonds landet oder von unregulierten Ratingagenturen bewertet wird, ist fahrlässig. Spätestens in diesen Tagen ist es bittere Gewissheit, dass ein liberalisierter Kapitalverkehr und ein globales Finanzsystem erst dann ihren vollen Nutzen entfalten können, wenn in allen Ländern sanktionierbare regulatorische Mindeststandards gelten.

5. Abschließend zur Finanztransaktionssteuer

Die österreichische Bundesregierung spricht sich in ihrer Stellungnahme an die Europäische Kommission zur Review des EU Haushalts ab 2014 für eine Finanztransaktionssteuer aus. Bereits mit einer minimalen Transaktionssteuer, zum Beispiel von 0,01 Prozent, kann man ein beachtliches Steueraufkommen erzielen, ohne die Allokationseffizienz der Finanzmärkte zu beeinträchtigen. Wer in der Wirtschaft sein Geld verdient, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ebenso wie Unternehmerinnen und Unternehmer tut sich schwer, die steuerliche Sonderstellung des schnellen Geldes zu verstehen.
Die steuerliche Behandlung der Finanztransaktionen – keine Umsatzsteuer, nationale Transaktionssteuern oder Gebühren wurden in der EU zurückgefahren - muss neu überdacht werden. Die Bevorzugung des schnellen Geldes zulasten des in der Realwirtschaft erarbeiteten Einkommens ist auch unfair, wenn einerseits in guten Zeiten mit Fundamentaldaten nicht mehr zu erklärende Wertsteigerungen auf den Finanzmärkten erzielt werden, und anderseits in schlechten Zeiten eine Sozialisierung von Verlusten stattfindet, sei es durch die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, oder in Form von Wachstums- und Beschäftigungsverlusten in der Realwirtschaft.

Meine Damen und Herren!
Ich habe die Gelegenheit hier genutzt, meine Überlegungen zu einer langfristig erfolgreichen Wirtschafts- und Währungsunion darzulegen. Zu deren Umsetzung ist sicher eine neue Orientierung auf europäischer aber auch auf nationaler Ebene notwendig. Doch sagte nicht schon Aldous Huxley: „Tatsachen schafft man nicht dadurch aus der Welt, dass man sie ignoriert.“? Und Tatsache ist, dass von uns Politikern mehr denn je sowohl mutige Visionen als auch konkrete Konzepte gefordert sind, die die Menschen ansprechen. Ebenso sind klare Bekenntnisse zum europäischen Miteinander gefordert. Denn wie kann man von den Bürgerinnen und Bürgern der Union erwarten, von einem politischen Projekt begeistert zu sein, wenn den Regierenden selbst die Euphorie fehlt. Jedes Jubiläum bleibt bedeutungslos, wenn keiner die Gründe kennt oder versteht, die man feiert. Deshalb ist ein neues Selbstbewusstsein erforderlich. Ein neues Selbstbewusstsein heißt, Schritte zu setzen, die unser Europa stärken und spürbarer machen.

Ich möchte daher mit einer Ausführung von Navid Kermani schließen, der zu Europas Realisten Folgendes angemerkt hat: „Den Gegensatz zwischen den Schwärmern, welche die Universalität der europäischen Idee beschwören, und den Pragmatikern, welche national Partikularinteressen über allgemeine Werte stellen, hat es gegeben, seit Europa in seiner heutigen Verfasstheit zum ersten Mal angedacht worden ist. Und das Erstaunliche ist: Recht behalten haben nicht die Pragmatiker, sondern die Schwärmer.“

 

Molterer: "Euro ist Erfolgsgeschichte für EU und Österreich"
"Keine falschen Schlüsse aus aktueller Inflationsentwicklung ziehen - Bekenntnis zur EZB und ihrer Unabhängigkeit notwendig"
Wien (bmf) - Vizekanzler Finanzminister Wilhelm Molterer betonte bei der Volkswirtschaftlichen Tagung anlässlich des zehnjährigen Jubiläums der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion die Bedeutung der Euro-Einführung. "Der Euro ist eine Erfolgsgeschichte für die EU und für Österreich. Die Wirtschafts- und Währungsunion hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die EU jetzt als Stabilitätsanker in der Welt gilt. Das zeigen gerade die jüngsten Entwicklungen auf den globalen Finanz- und Kapitalmärkten", so der Vizekanzler.

Damit sei die Einführung einer gemeinsamen Währung nicht nur ein wichtiger wirtschaftspolitischer Schritt gewesen sondern auch eine politische Entscheidung. "Die Euro-Einführung war einer der historisch weitreichendsten Schritte, die die EU je gemacht hat. Er stärkt die globale Rolle der EU und ist ein entscheidender Beitrag zur Integration der EU", sagte Molterer, der auch den Beitrag des Euro zur Realisierung des europäischen Binnenmarktes betonte.

"Der Euro hat klare Vorteile für die Bürgerinnen und Bürger und macht die Vorteile der EU deutlich. Der Euro hat auch eine wichtige Rolle für eine stabilitätsorientierte Währungspolitik. Dafür unbedingt notwendig ist eine starke und unabhängige EZB", so der Vizekanzler. "Wir brauchen außerdem neue Erweiterungssignale für die Europgruppe. Dabei ist es notwendig, dass wir auch weiter die Konvergenzkriterien streng anwenden", sagte Molterer.

Vizekanzler Molterer ging in seiner Rede auch auf die aktuelle Inflationsentwicklung ein. Daraus müsse man die richtigen Schlüsse ziehen - und das Problem an der Wurzel anpacken. Dafür gebe es mehrere Ansatzpunkte. "Wir brauchen ein klares Bekenntnis zur EZB und ihrer Unabhängigkeit. Alle politischen Verantwortungsträger müssen das unterstützen, wenn wir einen stabilitätsorientierten Kurs verfolgen wollen. Das ist gerade in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheiten notwendig. Österreich muss auch weiterhin für eine Öffnung der Märkte eintreten - das hat unseren Wirtschafts- und Arbeitsstandort in den letzten Jahren stark gemacht. Dazu zählt auch ein erfolgreicher Abschluss der WTO-Verhandlungen, der für Europa eine weitere Dynamisierung bringen würde", betonte der Vizekanzler.

In der aktuellen Wirtschaftslage seien auch verstärkte Deregulierungs-Schritte und stärkerer Wettbewerb notwendig. "Wir dürfen es nicht zulassen, dass es in Europa eine Rückkehr in alten Protektionismus gibt. Wir brauchen auch eine verantwortungsvolle Tarifpolitik, um unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit erhalten und ausbauen zu können", sagte Molterer, der auch die Notwendigkeit von Haushaltsdisziplin hervorhob. "Das gilt gleich für alle Gebietskörperschaften. Nur so können wir die Senkung der Steuern- und Abgabenquote fortsetzen und den Faktor Arbeit nachhaltig entlasten", so der Vizekanzler.

Abschließend betonte Molterer die Notwendigkeit der Stärkung der Innovationskraft als " Lebenselexier einer Gesellschaft und einer Volkswirtschaft" und ging auf die aktuelle Lage auf den Finanzmärkten ein. "Die derzeitigen Entwicklungen zeigen, dass globale Märkte globale Regeln brauchen. Wir müssen eine richtige Balance zwischen Reglementierung und martktwirtschaftlicher Orientierung finden. Jetzt gilt es zu diskutieren, wie wir die globalen Finanz- und Kaptilalmärkte stärken können - gerade in ihrer Bedeutung als Säulen eines wirtschaftspolitischen Kurs, der Wachstum und Vollbeschäftigung verfolgt", schloss Molterer.
 
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