ÖAMTC-Tunneltest: 2008 schlechtestes Ergebnis sei fünf Jahren   

erstellt am
23. 04. 08

Nur einer der getesteten österreichischen Tunnel schafft beim EuroTAP eine Top-Platzierung
Wien (öamtc) - Seit zehn Jahren testet der ÖAMTC im Auftrag von EuroTAP (European Tunnel Assessment Programme) Tunnel in Europa auf ihre Sicherheit. Im Zuge des EuroTAP 2008 wurden ein Jahr lang 31 Tunnel in elf Ländern Europas geprüft, darunter vier Tunnel in Österreich sowie der Karawanken Tunnel zwischen Österreich und Slowenien. Fazit: "Die Ergebnisse sind leider wenig erfreulich für das Tunnelland Österreich", sagt Willy Matzke, Tunnelexperte des ÖAMTC. Einzig der Lärmschutztunnel bei Trebesing auf der Kärntner Tauern Autobahn (A10) konnte von vier getesteten österreichischen Tunneln die 100 Prozent-Marke überschreiten und in Punkto Sicherheit die Prüfer vollends überzeugen. Im europäischen Vergleich liegt er damit allerdings nur an sechster Stelle. "Österreichs Tunnel haben auch im internationalen Vergleich jedenfalls schon bessere Ergebnisse als heuer abgeliefert", so der ÖAMTC-Experte. Erst im Jänner 2008 wurde der Ottsdorf-Tunnel auf der Pyhrn Autobahn (A9) als bester Tunnel Europas ausgezeichnet, das allerdings für einen langfristigen Test mit Start im Jahr 2005.

Heuriger Sieger wurde der Pont Pla in Andorra la Vella (Andorra), ein Tunnel ohne Lkw-Verkehr. Ausschlaggebend für die Spitzenplätze ist - abseits der baulichen Gegebenheiten - welche Gefährdungspotenziale ein Tunnel in sich birgt, beispielsweise Kriterien wie Transitverkehr, Lkw-Dichte, Verkehrsüberwachung, bisherige Unfälle etc.

Ergebnisse in Österreich - einröhrige Autobahntunnel bleiben Gefahrenquelle

In Österreich getestet wurden der Trebesing Tunnel und der Wolfsbergtunnel auf der Kärntner Tauernautobahn (A10), der Kalcherkogeltunnel der Süd Autobahn (A2) im Packabschnitt, der gemeinsame Grenztunnel der Karawanken Autobahn (A11) zwischen Kärnten und Slowenien sowie der Arlbergtunnel der Arlberg Schnellstraße (S16).

Der Trebesing Tunnel erfüllt in baulicher Hinsicht alle Forderungen des ÖAMTC an neu gebaute Tunnel und zeichnet sich besonders durch die durchgehenden Pannenstreifen und seitlichen Zugänge für Rettungskräfte aus. Beide Tunnelröhren sind alle 145 Meter (statt der vorgeschriebenen 500 Meter) miteinander verbunden und bieten so optimale Fluchtwege. Punkteabzug gab es jedoch für die Stromversorgung, die nur über ein Netz gewährleistet wird. "Fällt dieses Netz aus, gibt es nur für gewisse Zeit eine Notfunktion über Akkus. Diese Lösung ist nicht zeitgemäß und zieht weitere Problemstellungen nach sich", so der ÖAMTC-Experte. So müsste bei Stromausfall der Verkehr angehalten oder auf Nebenstraßen abgeleitet werden. Erschwerend kommt hinzu, dass der Lkw-Anteil mit 22 Prozent auf diesem Streckenabschnitt besonders hoch ist, die alte Bundesstraße im Liesertal jedoch für Lkw-Züge völlig ungeeignet ist. Deshalb gibt es keine Top-Platzierung. Punkten konnte der Tunnel aber mit einem eigenen Hubschrauber-Landeplatz beim Tunneleingang, der den Tunnel trotz Punkteabzügen zu einem der sichersten in Europa macht. Hubi-Landungen wären auf der A10 wegen der zusätzlichen Lärmschutzwände am Mittelstreifen höchst gefährlich bis zu unmöglich.

Der Kalcherkogeltunnel liefert ein zufriedenstellendes Ergebnis ab und weist die gleichen hohen Sicherheitsstandards wie alle Tunnel auf der A2 auf. Er verfügt aber - wie praktisch alle älteren Tunnel in Österreich - über keinen durchgehenden Pannenstreifen.

Der Wolfsbergtunnel bei Spittal schneidet gerade noch ausreichend ab. Der totale Neuausbau ist seitens der Asfinag sofort nach dem heurigen Sommerreiseverkehr bereits fix geplant. "Derzeit rinnt noch das Wasser die Wände herunter. Im Winter liegen Säcke mit Salz bereit, um Vereisungen zu verhindern", schildert Matzke die momentane Situation.

Ebenso sanierungsbedürftig ist der Grenztunnel der Karawanken Autobahn (A11) zwischen Kärnten und Slowenien. Hier wurden die eventuellen Lüftungsmängel in Brandfällen bereits behoben. ÖAMTC-Experte Matzke: "Der Tunnel kann in seiner jetzigen Bauweise aber nie als voll sicher gelten, denn einröhrige Tunnel ohne Fluchtstollen sind tickende Zeitbomben."

Der 13 Kilometer lange Arlbergtunnel ist der längste einröhrige Tunnel Österreichs. Er verfügt über ein System von mehreren verbundenen Rettungsstollen zwischen dem Straßen- und dem Bahntunnel. Schlecht auf die Tunnel-Bewertung wirkte sich aus, dass der maximale Weg zu so einem Fluchtstollen derzeit 1,5 km beträgt, vorgeschrieben sind aber maximal 500 Meter. Von den Rettungsstollen gelangt man in einen riesigen Dom, wo hunderte Personen bis zu ihrer Evakuierung Platz finden, also alle Passagiere eines Reisezuges. Von dort wiederum wird im Ernstfall die Evakuierung organisiert. "Die Rettungsstollen tragen wesentlich zum Sicherheitsgefühl der Tunnelfahrer bei. Es ist ein lebensrettender Unterschied, ob man 13 Kilometer ins Freie laufen muss oder 1,5 Kilometer in eine Halle, aus der man geborgen wird. 500 Meter sind allerdings gefordert", sagt der ÖAMTC-Experte. Sein Resümee: "Es ist noch ein langer Weg bis zur totalen Tunnelsicherheit in Österreich."

Forderungen des ÖAMTC für hochbelastete Tunnel

Daher fordert der ÖAMTC für alle zukünftigen Tunnel im hochbelasteten Autobahnnetz: Zwei Röhren ohne Gegenverkehr, durchgehende Pannenstreifen, Portale ohne Anprallmöglichkeit, Fluchtwege ins Freie oder zumindest durchgehende Flucht- und Rettungsstollen.

Österreich ist das einzige Land Europas, das so viele einröhrige Autobahntunnel in Verwendung hat. Wenn es nach der EU-Verkehrskommission geht allerdings nur noch bis zum Jahr 2019. Denn bis dahin wurde eine Frist zur Erweiterung aller Tunnel auf zwei Röhren laut Tunnelrichtlinie eingeräumt. Dem ÖAMTC wurde im EuroTAP die Kontrolle für die Einhaltung der Tunnelrichtlinie übertragen. Diese Richtlinie wurde mit dem Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie in einem Tunnelsicherheitsgesetz national umgesetzt.

Alle Ergebnisse zum ÖAMTC-Tunneltest 2008 sind unter http://www.oeamtc.at/tunneltest abrufbar.
 
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