Ein Thronstreit mit Auswirkungen auf ganz Europa   

erstellt am
26. 05. 08

Persönlichkeit, Thronstreit, Ermordung: Tagung zu Philipp von Schwaben am Institut für Mittelalterforschung der ÖAW vom 29. bis 30. Mai 2008
Wien (öaw) - Am 21. Juni 1208 wurde der römisch-deutsche König Philipp von Schwaben ermordet. Das Motiv ist bis heute unklar. Doch setzte der Mord einen Schlusspunkt unter einen zehn Jahre dauernden Thronstreit, der sich auf ganz Europa ausgewirkt hatte. Die neuesten Forschungsergebnisse zur Regierungszeit des Herrschers sind Thema einer Tagung am Institut für Mittelalterforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) vom 29. bis 30. Mai 2008.

Tagung "Philipp von Schwaben (1198-1208)"
Im 18 Vorträgen beleuchten und diskutieren österreichische, deutsche und tschechische Historikerinnen und Historiker die Persönlichkeit des Herrschers, sein persönliches Umfeld, sein Bild in zeitgenössischen Quellen, die politischen Verflechtungen und Intrigen rund um den deutschen Thronstreit sowie die neuesten Forschungsergebnisse zur Ermordung.

Zu den Vortragenden zählt der renommierte Wiener Historiker Peter Csendes, der die neuesten biografischen Erkenntnisse zu Philipp von Schwaben vorstellt. Bernd Schütte von der Friedrich-Schiller-Universität Jena präsentiert eine umfangreiche Studie zum Hof des Königs. Bernd Ulrich Hucker, Hochschule Vechta, analysiert Verbündete und Widersacher.

Den Eröffnungsvortrag hält Rudolf Schieffer, Präsident der Monumenta Germaniae Historica, München. Die 1819 gegründeten Monumenta Germaniae Historica (MGH) sind das im deutschsprachigen Raum führende Unternehmen, das sich der Herausgabe der Quellen zur Geschichte des deutschen Mittelalters widmet. Die Wiener Diplomata-Abteilung der MGH (eine Zusammenarbeit zwischen der MGH, dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung und der ÖAW) bereitet derzeit die Edition der Urkunden Philipps von Schwaben vor.


Hintergrund: der deutsche Thronstreit
Ursprünglich für die geistliche Laufbahn bestimmt, hatte Philipp von Schwaben sich nur nach anfänglichem Zögern nach dem unerwarteten Tod seines älteren Bruders, Kaiser Heinrichs VI., 1198 von einem Großteil der deutschen Fürsten zum König wählen lassen. Ein kleinerer Teil der deutschen Fürsten, der mächtige Papst Innocenz III. und nicht zuletzt der finanzkräftige englische König unterstützten den Welfen Otto von Poitou, der als Otto IV. zum Gegenkönig Philipps erhoben wurde.

Der erst mit der Ermordung Philipps endende, zehn Jahre dauernde "deutsche Thronstreit" brachte durch häufig wechselnde Parteiungen große politische Unsicherheit und heftige militärische Auseinandersetzungen mit sich. Durch die politischen Bündnisse Ottos mit dem englischen, Philipps mit dem französischen König und die offene Stellungnahme des Papstes erlangte die Auseinandersetzung zwischen Staufern und Welfen eine gesamteuropäische Dimension.

Erst als sich Ende 1204 das Blatt langsam zugunsten Philipps zu wenden begann und sich sogar die Anerkennung durch den Papst und die Kaiserkrönung in Rom abzuzeichnen begann, schien Philipp sich endgültig gegen Otto durchsetzen zu können. Der Königsmord von 1208 sollte schließlich den Kampf doch noch zugunsten Ottos IV. entscheiden, dessen Regierung jedoch ein welfisches Intermezzo in der staufischen Ära blieb, da Friedrich II. 1212 die Königswürde in Deutschland, 1220 schließlich die Kaiserwürde erlangte.

"Die realpolitischen Erwägungen, die im deutschen Thronstreit eine Rolle spielten, erinnern sehr stark an heutige außenpolitische Entscheidungen, die ja auch meist von ganz handfesten politischen und wirtschaftlichen Interessen bestimmt sind", erklärt Andrea Rzihacek vom Institut für Mittelalterforschung der ÖAW und Organisato rin der Tagung. "Sowohl die loyalen Gefolgsleute der beiden Herrscher Philipp von Schwaben und Otto IV. als auch die 'Wendehälse' erhofften sich von ihrer Parteinahme ganz konkrete Vorteile bei der Verfolgung ihrer politischen Ziele."

Die Tagung "Philipp von Schwaben (1198-1208)" wird vom Institut für Mittelalterforschung der ÖAW in Kooperation mit dem Institut für Österreichische Geschichtsforschung veranstaltet. Eine Publikation mit den Beiträgen der Referent(inn)en ist für 2009 geplant.
 
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