Neue Einblicke in das Netzwerk der Zelle   

erstellt am
30. 05. 08

Basel (idw) - Moderne Analysemethoden erlauben einen noch nie da gewesenen Einblick in das noch wenig erforschte genetische Netzwerk einer Zelle. Wissenschaftler am Biozentrum der Universität Basel haben ein bisher unbekanntes Element identifiziert, das den Austausch von so genannten Signalproteinen regelt. Die Ergebnisse der Studie wurden in der Fachzeitschrift "Cell" veröffentlicht.

Zellen reagieren auf äussere Reize, indem sie Signale mittels Rezeptoren in ihr Inneres weiterleiten. Dies erlaubt der Zelle, angemessen auf Änderung in ihrer Umgebung zu reagieren. Oft sind bei solchen Signalübertragungen zwei Proteinkomponenten beteiligt. Diese so genannten Zweikomponentensysteme trifft man vor allem bei Bakterien, eukaryotischen Einzellern und Pflanzen an. Dort kontrollieren sie zahlreiche zelluläre Funktionen wie Zelldifferenzierung, Antwort auf Stress oder Virulenz.

Bis vor kurzem nahm man an, dass Zweikomponentensysteme sehr einfach aufgebaut sind und Information linear und nur in einer Richtung weitergeben. Die erste Komponente bildet dabei eine Kinase, die als Sensor fungiert, die zweite ein Responseregulator, der die weiteren Prozesse steuert. Die Sensorkinase reagiert auf einen äusseren Reiz, indem sie eine Phosphatgruppe auf einen bestimmten Bereich des Responseregulators, die so genannte Receiver-Domäne, überträgt. Der Responseregulator verändert daraufhin mithilfe einer zweiten, so genannten Output-Domäne, das zelluläre Programm.

Neuere Analysen von Genmustern haben ergeben, dass jede Zelle eine Vielzahl von Zweikomponentensystemen besitzt, die es ihr erlauben, auf Umweltreize zu reagieren. Zudem machten die Wissenschaftler eine zunächst verwirrende Beobachtung: Fast jeder fünfte der Responseregulatoren besteht lediglich aus einer Receiver-Domäne, während der Output-Bereich fehlt, jener Teil also, welcher der Zelle eine Reaktion entlockt. Eine Studie des Forscherteams um Prof. Urs Jenal vom Biozentrum der Universität Basel schlägt nun vor, dass diese Proteine eine Schlüsselrolle in der Signalverarbeitung der Zelle spielen, indem sie einzelne Regelkreise des regulatorischen Netzwerkes modulieren und diese miteinander verknüpfen.


Experimente an Wasserbakterium
Die Experimente, die zu diesem Befund führten, wurden mit dem einzelligen Wasserbakterium Caulobacter crescentus durchgeführt. Im Gegensatz zu den meisten anderen Bakterien teilt sich Caulobacter asymmetrisch und generiert bei jeder Zellteilung zwei Tochterzellen mit unterschiedlichem Entwicklungsprogramm. Eines der Hauptinteressen der Gruppe um Urs Jenal ist es, zu verstehen, wie Caulobacter-Zellen ihre Identität schnell und effizient verändern und so zwischen zwei Zuständen oszillieren können.

Als eines der Schlüsselproteine im Entwicklungszyklus von Caulobacter konnte die Gruppe einen Responseregulator definieren, der nur aus einer Receiver-Domäne besteht. Studien zur molekularen Funktion dieses Proteins ergaben einen erstaunlichen Befund. Während das Protein, genau wie herkömmliche Responseregulatoren auch, von Kinasen aktiviert wird, wirkt es zusätzlich auf diese zurück. Dadurch bilden sich Rückkoppelungsschleifen, die für die Etablierung der Entwicklungsprogramme von Caulobacter sorgen.

Diese Resultate belegen, dass Information in diesen Regelkreisen in beide Richtungen fliessen kann. Somit können Signale effizient verstärkt und regulatorische Komponenten über lange Distanzen miteinander verknüpft werden. Aufgrund dieser Resultate postulieren Jenal und seine Gruppe, dass diese Proteine als eigentliche Knotenpunkte der regulatorischen Schaltkreise lebender Zellen wirken.

Die Entdeckung dieses neuartigen regulatorischen Elementes gibt Einblick in die Komplexität und Flexibilität zellulärer Netzwerke. Es ist das erklärte Ziel der Systembiologie, komplexe regulatorische und metabolische Interaktionen der Zelle quantitativ zu beschreiben, indem die exakte Verdrahtung der einzelnen Komponenten aufgezeigt wird. Die systematische Analyse dieser Netzwerke wird es möglich machen, zelluläres Verhalten zu berechnen und so, gemäss dem Ansatz der synthetischen Biologie, einfache lebende Systeme zu konstruieren, die spezifischen Anforderungen gerecht werden.
 
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