Tirol hat gewählt   

erstellt am
09. 06. 08

Wien (öj) - Am gestrigen Sonntag, dem 8. Juni, waren Tirolerinnen und Tiroler zur Landtagswahl aufgerufen. Durch das Antreten des langjährigen ÖVP-Funktionärs und AK-Chefs Fritz Dinkhauser mit einer eigenen Liste sahen bereits im Vorfeld viele Meinungsumfragen recht dramatische Verluste auf die Tiroler ÖVP und die SPÖ zukommen. Zwar sind diese für die ÖVP unter LH Herwig van Staa nicht ganz so heftig ausgefallen, wie prognostiziert, dennoch verliert sie die absolute Mehrheit, muß mit -9,45 % die größten Stimmenverluste seit Jahrzehnten hinnehmen und steht nun bei einem Stimmanteil von 40,45 % (2003: 49,90%).

Für die SPÖ unter LH-Stv. Hannes Gschwendtner kommt es noch schlimmer: ein Minus von 10,30% wirft sie auf einen Stimmanteil von 15,64% (2003: 25,94%) zurück.

Auch die Grünen bleiben nicht verschont, verlieren 5,05% und stehen nun bei 10,40% der Stimmen (2003: 15,45%).

Die FPÖ legt als einzige der „alten“ Parteien zu und erreicht mit +4,67% der Stimmen nun 12,66% (2003: 7,99%).

Die KPÖ erreicht 1,18% (2003: 0,70%) und wird von den erstmals in Tirol angetreten „Christen“ mit 1,38% Stimmanteil „überholt“.

Der Gewinner dieses Wahlganges ist eindeutig das „Bürgerforum Tirol" von Fritz Dinkhauser, das beim ersten Antreten gleich 18,30% der Stimmen auf sich vereinen konnte. 52% der Dinkhauser-WählerInnen haben 2003 nicht gewählt, 16% haben SPÖ gewählt, je 14% Grüne und 13% die ÖVP. Die restlichen 6% kommen von der FPÖ.

Aus der vorliegenden Konstellation in Verbindung mit vor dem Wahltag gemachten Aussagen der Spitzenkandidaten zu möglichen Koalitionsvarianten sieht es - derzeit - nach einer Weiterführung der bisherigen Koalition zwischen ÖVP und SPÖ aus, denn Dinkhauser hatte eine Zusammenarbeit mit van Staa ebenso ausgeschlossen, wie die Grünen mit der FPÖ. Rechnerisch wäre eine Regierung unter der Führung von Dinkhauser aber nur unter Beteiligung von FPÖ und den Grünen möglich, außer, es gäbe einen Führungswechsel in der ÖVP und Dinkhauser könnte mit einem „neuen Gesicht“ zusammenarbeiten. Ein Rückzug von LH van Staa (als eventuelle Nachfolger werden Landesrätin Elisabeth Zanon oder der amtierende Innenminister und gebürtige Tiroler Günter Platter genannt) wird nun vor allem von den anderen Parteien gefordert, van Staa selbst sieht jedoch keinen Grund dafür. Er werde, so erklärte er, die Regierungsverhandlungen aufnehmen, Parteifreundin Zanon hätte ihm lediglich angeboten, die Funktion zu übernehmen, würde er sich eines Tages aus der Politik zurückziehen wollen.

Erste Stimmen aus der Bundespolitik

Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer versteht, wenn Hannes Gschwentner enttäuscht sei, das seien alle in der SPÖ. Gschwentner habe eine sehr sozial-engagierte Politik gemacht. Leider seien die positiven Initiativen von Auseinandersetzungen in Tirol zwischen Herwig van Staa und Fritz Dinkhauser überlagert worden. Und es habe auch personalpolitische Diskussionen auf bundespolitischer Ebene gegeben. Auch das habe mit Sicherheit nicht genützt. Die SPÖ werde sich umgehend mit dem Ergebnis auseinandersetzen.
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina sprach von einem sehr schmerzhaften Ergebnis für die SPÖ und einer historischen Niederlage für die ÖVP. Die Ursachen für das für beide Regierungsparteien schmerzhafte Ergebnis sieht Kalina erstens im Antreten der sehr tirolerischen Protestpartei Dinkhausers und zweitens im bundespolitischen Gegenwind, der ÖVP und SPÖ medial entgegengeblasen habe.

ÖVP-Bundesparteiobmann Vizekanzler Wilhelm Molterer bezeichnet das Ergebnis der Tiroler Volkspartei bei den Tiroler Landtagswahlen als "respektables Ergebnis. Die Tiroler Volkspartei habe hart gekämpft und die Wähler in Tirol mobilisieren können. Das Antreten von AK-Präsident Dinkhauser mit einer eigenen Liste habe die Tiroler verunsichert und die ÖVP belastet. Trotz der Abspaltung Dinkhausers habe die ÖVP ihren Führungsanspruch in Tirol erfolgreich verteidigen können.
ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon erklärte, die ÖVP verteidige den Führungsanspruch in Tirol, van Staa und sein Team hätten hart gekämpft und dafür gesorgt, dass Tirol weiterhin einen starken Landeshauptmann haben werde. Die Menschen in Tirol hätten der ÖVP den Regierungsauftrag erteilt. Als eine klare Absage an ein rot-grünes Experiment bezeichnet Missethon das Abschneiden von SPÖ und Grünen.

Enttäuscht über den Ausgang der Wahl ist auch die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Michaela Sburny. Gegenüber der APA sagte sie, man werde zwar erst sehen, wie hoch der Verlust tatsächlich sei, sobald alles ausgezählt wäre, sie sprach aber bereits von einem "veritablen Verlust" für ihre Partei. Als Ursache machte sie die Zuspitzung auf das "Match zwischen van Staa und Dinkhauser" aus, welches sehr bestimmend gewesen sei. Dieses Match habe auch verhindert, dass inhaltliche Fragen zum Thema werden konnten, so Sburny. Dies tue den Grünen immer weh, weil sie immer auf Inhalte setzen würden, und das sei nicht gelungen. Ob sich das erklärte Ziel von Tirols Grünen-Chef Georg Willi nach einer Regierungsbeteiligung dennoch ausgehe, wollte Sburny noch nicht beurteilen, da sie das Endergebnis noch nicht kenne.

FPÖ- Bundesparteiobmann HC Strache äußerte Begeisterung über das "blaue Wunder von Tirol". Die FPÖ habe ein hervorragendes Ergebnis erzielt, vor allem, wenn man bedenke, dass man praktisch bei Null begonnen habe. Die Freiheitlichen hätten über keine Landtagsmandate mehr verfügt und seien de facto von Null Prozent aus gestartet. Deshalb sei die geleistete Aufbauarbeit umso beachtlicher. Mit Gerald Hauser habe man über einen hervorragenden Spitzenkandidaten verfügt, der die freiheitlichen Inhalte glaubwürdig an die Menschen bringen konnte. Wie richtig diese Inhalte seien, zeige sich beispielsweise am Wahlergebnis in der Minarett-Gemeinde Telfs, wo die FPÖ mit 22,6 Prozent zweitstärkste Kraft geworden sei. Und Hauser selbst habe in seiner eigenen Gemeinde 43,77 Prozent erreicht.

BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz stellte fest, die Tirolerinnen und Tiroler hätten der unsozialen abgehobenen Politik von SPÖ und ÖVP den Todesstoß an der Wahlurne versetzt. SPÖ-Chef Gusenbauer und ÖVP-Chef Molterer könnten angesichts des desaströsen Wahlergebnisses schon jetzt ihre Regierungs-VIP-Karten für EURO zurückgeben und von allen Funktionen abdanken. Gusenbauer und Molterer hätten mit falschen Versprechungen, immer neuen Belastungen und dem ständigen Regierungschaos die Österreicher so auf die Palme gebracht, dass SPÖ und ÖVP jetzt vom Wähler - verdient - vom hohen Ross herunter geholt worden seien. Österreich brauche einen Politikwechsel und SPÖ und ÖVP neue Köpfe an der Spitze. Die Uhr für die "Große Loser-Koalition" sei mit dem heutigem Tag abgelaufen.

Tiroler Wahl verändert Bundesrat
Die Tiroler Landtagswahlen vom Sonntag bringen auch im Bundesrat Veränderungen: Die Liste Dinkhauser wird – gemäß dem vorläufigen Endergebnis – ein Mitglied in die Länderkammer des Parlaments entsenden, die Grünen verlieren ihren Tiroler Sitz im Bundesrat und sind nunmehr mit drei MandatarInnen im Bundesrat vertreten. Tirol entsendet insgesamt fünf Bundesräte in die Länderkammer. Davon kommen 3 von der ÖVP (wie bisher), einer von der SPÖ (wie bisher) und einer von der Liste Fritz (Fritz Dinkhauser). Die Auszählung der Briefwahl- bzw. der Wahlkartenstimmen findet am 16.06. statt; das endgültige Endergebnis wird für 17.06. erwartet.



Siehe: http://www.oe-journal.at/Aktuelles/!2008/0608/W1/10906Ptirol.htm
 
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