SPÖ-Präsidium beschließt Ämter-Trennung  

erstellt am
16. 06. 08

 Werner Faymann auf Vorschlag Gusenbauers gf. Parteivorsitzender
Doris Bures SPÖ-Bundesgeschäftsführerin – SPÖ mit Verstärkung an der Spitze neu aufgestellt
Wien (sk) - "Wie kann die Sozialdemokratie mehr Kraft in Österreich entfalten?", das sei die Kernfrage gewesen, über die Bundeskanzler Alfred Gusenbauer in den letzten Tagen und Wochen mit vielen Menschen gesprochen habe. In Folge sei er zur Auffassung gelangt, dass es mit Werner Faymann als gf. Bundesvorsitzenden und Doris Bures als Geschäftsführerin eine Verstärkung und Neuaufstellung geben soll, sagte Gusenbauer am 16.06. in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Doris Bures und Werner Faymann im Anschluss an das SPÖ-Parteipräsidium. Ergebnis der Präsidiumssitzung sei auch, dass Gusenbauer Kanzler bleibe und als nächster Spitzenkandidat der SPÖ feststehe.

Die Sozialdemokratie befinde sich in einer "sehr anspruchsvollen Situation", so Gusenbauer. Auf der einen Seite gebe es eine gute und konstruktive Arbeit der Regierung, auf der anderen Seite konnte diese schwer kommuniziert werden.

Gusenbauer sei zum Schluss gekommen, dass er dem Parteipräsidium eine Neuaufstellung vorschlage. Und es habe eine einvernehmliche Meinung darüber gegeben, dass Faymann als gf. Parteivorsitzender im Herbst beim Bundesparteitag kandidierten solle. Gusenbauer verwies etwa auf Franz Vranitzky und Viktor Klima, die ebenfalls in ihrer Amtszeit mit Reibungsverlusten kämpfen mussten, "wenn beides in einer Hand liegt" - Bundskanzler und Parteivorsitzender. Die Ämtertrennung habe etwa in Wien mit Helmut Zilk und Hans Mayr sehr gut funktioniert. "Im Wesentlichen zählt die persönliche Erfahrung und Chemie der Personen", die diese Ämtertrennung tragen. "Ich bin überzeugt: Wir können das", sagte Gusenbauer. Faymann werde "die kommunikative Kraft nach innen und nach außen" verstärken.

Gusenbauer erklärte, er habe die Funktion des Bundesparteivorsitzenden achteinhalb Jahre inne gehabt nachdem er "die Sozialdemokratie in ihrer wahrscheinlich tiefsten Krise übernommen" habe. Es sei gelungen, Erfolge für die SPÖ bei den Landtags- und Gemeinderatswahlen, sowie den letzten Nationalratswahlen zu erringen. Nun sei er zur Auffassung gelangt, dass "eine Neuaufstellung" nötig sei.

Gusenbauer drückte seinen Dank für die Arbeit von Reinhard Winterauer und Josef Kalina aus, und erklärte, dass es auch dort "eine Verstärkung der politischen Arbeit" geben werde. Alleinverantwortliche Bundesgeschäftsführerin werde Doris Bures, da Gusenbauer "die Beste für diese Position" haben will.

Die Nachfolge für Doris Bures im Amt der Frauenministerin werde "in absehbarer Zeit" - in den nächsten Tagen - geklärt werden.

Bures - "deutlich aufzeigen, was die SPÖ erreicht hat"
Die designierte SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures erklärte, man müsse in der Politik die Lebenssituation der Menschen wahrnehmen und darauf eingehen aber auch "noch stärker zeigen, was die Sozialdemokratie in den letzten 15 Monaten erreicht hat". "Und auch formulieren, was wir in Zukunft vor haben." Wesentlich sei es auch, dass "alle an einem Strang ziehen". Bures habe nach dem Präsidium "den Eindruck, dass jetzt die Bereitschaft dazu besteht". Sie werde sich daher "mit großer Freude und Engagement als Bundesgeschäftsführerin um die Sozialdemokratie kümmern".

Zielsetzung und Grundstruktur der Gesundheitsreform nicht verhandelbar
Behandelt wurde im Präsidium auch das Thema Gesundheitsreform. Es gelte, das gute System zu erhalten und "dafür zu sorgen, dass die Menschen auch in Zukunft am medizinischen Fortschritt teilhaben". Im parlamentarischen Prozess bestehe noch die Möglichkeit zu Änderungen. Gusenbauer hielt allerdings fest, dass die Zielsetzung und Grundstruktur der Gesundheitsreform nicht verhandelbar sei.

Faymann: SPÖ muss soziales Profil stärken
Die SPÖ müsse wieder "klar machen, dass sie auf Seiten der Arbeitnehmer steht", dass sie für Sicherheit, gesellschaftliche Gerechtigkeit, für Beschäftigung stehe, betonte der designierte Vorsitzende der SPÖ, Werner Faymann in der Pressekonferenz nach dem SPÖ-Präsidium und dankte für das ihm entgegengebrachte Vertrauen seitens des Parteipräsidiums. "Die SPÖ", so Faymann, "hat sich immer für eine sozial gerechte Gesellschaft eingesetzt." Allerdings sei es in der Opposition leichter gewesen, dies zu verdeutlichen. In der Regierung sei dies schwieriger und es sei eine gewisse Verunsicherung eingetreten. Es sei nun an der Zeit, diese Unsicherheiten zu beseitigen. "Eine Verunsicherung, dass wir auf Seiten der Arbeitnehmer stehen, darf es nicht geben", so der designierte SPÖ-Vorsitzende.

"Wir haben unter Bundeskanzler Alfred Gusenbauer die höchste Beschäftigung erreicht, die es in Österreich je gegeben hat", so Faymann. Der hohe Beschäftigungsstand habe auch ein gutes Budget gebracht, "weil Arbeitslosigkeit teuer ist". Diese Erfolge der Bundesregierung unter Alfred Gusenbauer seien aber nicht bei der Bevölkerung angekommen. Die SPÖ müsse deshalb ihr soziales Profil stärken und Glaubwürdigkeit zurückgewinnen. Es müsse Gewissheit geben, dass die SPÖ für Sicherheit in Österreich eintritt. "Wir haben viel sozialpolitisch durchgesetzt", legte Faymann dar und nannte als Beispiele die Erfolge für kleine Einkommensbezieher, die Bereiche Pensionen, Infrastruktur oder Beschäftigungslage. Es sei nun wichtig, darauf hinzuweisen, welche Leistungen die Regierung erbracht habe.


Man werde, so Faymann, die inhaltliche Position schärfen, es gebe klare unterschiedliche Positionen zwischen ÖVP und SPÖ. Diese müssten aber "ohne tägliche Streitereien", Polemiken und Gehässigkeiten dargestellt werden. Zur Reform des Pensionssystems etwa erklärte Faymann, dass nur eine gesetzliche Reglegung dieses nachhaltig sichern könne, es müsse das Parlament auf Grundlage der Vorschläge des Sozialministers die Entscheidungen treffen. Die SPÖ werde klar machen, warum sich die Menschen keine Pensionsautomatik wünschen. Faymann kündigte auch eine Initiative gegen die Teuerung und das besondere Augenmerk auf die Mittelschicht hinsichtlich der Steuerreform an.

"Mit gegenseitigem Vertrauen, einer guten Abstimmung kann ich versprechen, dass ich alles unternehmen werde, dass wir gemeinsam und damit gestärkt die Sozialdemokratie und die Diskussionen in der Sozialdemokratie mit einem Neubeginn durchstarten", kündigte Werner Faymann an. Dazu brauche die SPÖ auch "eine bessere Kommunikation, mehr miteinander reden, mehr innerparteiliche Diskussion und eine bessere Abstimmung zwischen Gewerkschaft und SPÖ, das Zusammenwirken zwischen Länder und Bund muss enger werden", so der designierte SPÖ-Vorsitzende.

Faymann bleibt Regierungskoordinator, Bundeskanzler Gusenbauer habe ihn gebeten, diese Position beizubehalten. Auf die Frage, wer der SPÖ-Spitzenkandidat bei der nächsten Nationalratswahl sein werde, antwortete Faymann, dass er für Alfred Gusenbauer eintrete. "Es ist eindeutig, Alfred Gusenbauer ist unser nächster Spitzenkandidat." Im Gegensatz zur Diskussion in Deutschland sei bei der SPÖ festgelegt, wer Spitzenkandidat ist, so Faymann.

 

 Molterer: Entscheidung löst das Problem der SPÖ nicht
Die Konsequenzen für die Regierung werde die ÖVP "in den nächsten Tagen" bewerten
Wien (övp-pd) -
Vizekanzler und ÖVP-Chef Wilhelm Molterer zu den Personalrochaden in der SPÖ: "Die SP-Entscheidungen, soweit sie mir bis jetzt bekannt sind, lösen das Problem der SPÖ nicht, wie es Verkehrsminister Werner Faymann in einem Zeitungsinterview geschildert hat (Anm.: dass die den Umstieg von der Opposition in die Regierung nie wirklich geschafft hat). Ich werde zusammen mit meinen Freunden diese Situation neu bewerten und danach zu dieser Bewertung Stellung nehmen."

"Prolongierung der SPÖ-Krise"
Auch ÖVP-Generalsekretär Hannes Missethon sieht in den Entscheidungen des SPÖ-Präsidiums eine "Prolongierung der SPÖ-Krise". Damit sei "ein weiterer Mitspieler am Feld", für die Koordination sei "eine weitere Telefonnummer" nötig, sie Situation sei damit "noch unklarer" geworden, erklärte Missethon. Die ÖVP müsse nun die Situation in der Regierung "neu bewerten". Die Frage, ob dies möglicherweise auch Neuwahlen bedeuten könnte, ließ der ÖVP-Generalsekretär offen.

Die Konsequenzen für die Regierung werde die ÖVP "in den nächsten Tagen" bewerten, wenn der "Gesamtumfang der Entscheidung" der SPÖ bekannt sei, sagte Missethon. Diese Neubewertung schließe die Frage der inhaltlichen und der personellen Positionierung der SPÖ ein. Auf die Frage, ob damit auch Neuwahlen eine Möglichkeit wären, meinte Missethon nur, die ÖVP werde sich ein Urteil bilden, wenn die gesamte Tragweite der SPÖ-Entscheidungen bekannt sei. Man solle jetzt nicht spekulieren oder Vorurteile bilden.

"Sehr überrascht" zeigte sich der ÖVP-Generalsekretär jedenfalls darüber, dass die SPÖ in ihrem Präsidium offensichtlich nicht ihre strukturelle Krise, sondern nur Personelles diskutiert habe. Das ist aus der Sicht Missethons "zu wenig". Die SPÖ habe ein Problem mit unterschiedlichen Zielsetzungen zwischen Bund und Ländern. Das sei offenbar nicht angesprochen worden.

Grillitsch: "Zeichen großer Ratlosigkeit"
Der Präsident des ÖVP-Bauernbundes, Fritz Grillitsch, hält die Einführung einer Doppelspitze bei der SPÖ für "ein Zeichen großer Ratlosigkeit. Bisher haben alle SPÖ-Spitzenleute eine Funktionstrennung Kanzler - Parteichef strikt abgelehnt." Von der Ablöse Josef Kalinas als Parteigeschäftsführers erhofft sich Grillitsch "einen besseren Stil als bisher. Kalina, der immer wieder gerne unpassende Vergleiche mit NS-Zeit und Ständestaat aufs Tapet brachte, hat viel böses Blut zwischen den Koalitionsparteien gemacht. Offenbar hat die SPÖ auch erkannt, dass es keinen Sinn hat, immer wieder Politik gegen die Bauern und den ländlichen Raum zu machen, wie Kalina es versucht hat", meinte Grillitsch.

 

 Sburny: Anfang vom Ende von Gusenbauers Kanzlerschaft
Schwere Desavouierung Gusenbauers - Dauerkrise in SPÖ und Regierung
Wien (grüne) - "Keine Erneuerung an der SPÖ-Spitze, sondern mehr Alt-Establishment, mehr Abgehobenheit", sieht die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Michaela Sburny im Wechsel von Werner Faymann. "Gusenbauer bekommt mit seinem Aufpasser Faymann den Wunschkandidaten der ÖVP. Denn für ein schärferes Profil der SPÖ ist Faymann nicht bekannt, im Gegenteil, als Regierungskoordinator hat er sich noch weiter über den Tisch ziehen lassen als Gusenbauer selbst." Sburny erinnerte daran, dass während der schlimmsten Auseinandersetzung in der Regierung rund um die Bespitzelung der SPÖ durch das Innenministerium, Faymann in einem gemeinsamen Appell mit Josef Pröll seine eigenen Parteikollegen untergraben hatte. Gusenbauer selbst sei mit dem Verlust der SP-Führung nun schwer desavouiert und angeschlagen: "Dies ist der Anfang vom Ende von Gusenbauers Kanzlerschaft. Die Krise in der SPÖ ist mit der neuen Doppelführung zu einer Dauerkrise der SPÖ und der Regierung insgesamt erklärt worden."

 

 Strache: SPÖ installiert nächsten Apparatschik
Tiefe Demütigung für Gusenbauer – Prolongierung des Leidens, aber keine Lösung – SPÖ in tiefer Personal- und Sinnkrise
Wien (fpd) - Eine Prolongierung des Leidens, aber keine Lösung sieht FPÖ- Bundesparteiobmann HC Strache in der Bestellung von Infrastrukturminister Faymann zum geschäftsführenden SPÖ-Chef, die eine tiefe Demütigung Gusenbauers darstelle. Zudem stelle sich die Frage, wie weit Faymann dann noch seinen Verpflichtungen in einem der größten und wichtigsten Ressorts der Republik nachkommen werde.

Wie nicht anders zu erwarten, sei die Entscheidung des SPÖ-Präsidiums "weder Fisch noch Fleisch", kommentierte Strache. Anstatt endlich neue Wege zu beschreiten installiere man den nächsten Apparatschik. Faymann stehe ebenso wie Gusenbauer für Abgehobenheit und Bürgerferne, Basisarbeit sei ihm völlig fremd. Schon in seiner Zeit als Wiener Stadtrat habe er die SPÖ-Mitglieder und -Wähler hauptsächlich vergrault.

Mit Faymann mache die SPÖ einen weiteren großen Schritt auf ihrem rasanten Weg nach unten, führte Strache weiter aus. Diese Partei habe die Zeichen der Zeit gründlich übersehen. Die Krise der SPÖ sei ja nicht nur eine Personalkrise, sondern auch eine Sinnkrise. Allein mit dem Austauschen von Gesichtern sei es nicht getan. Denn am asozialen Kurs der SPÖ werde sich dadurch nichts ändern. Der kalte Technokrat Faymann sei auch kein Signal an die Arbeitnehmer. Das vorläufige Bauernopfer in diesem tristen Spiel heiße Kalina, von Winterauer habe man ohnehin nie etwas gehört. Dass Doris Bures Bundesgeschäftsführerin werde, könne man nur mehr als das I-Tüpfelchen auf der ganzen SPÖ-Groteske betrachten.

Insgesamt zeige diese ganze Entwicklung, wie notwendig die FPÖ als soziale Heimatpartei für Österreich sei, meinte Strache. Mit Faymann werde der soziale Winter in dieser Republik noch frostiger. Die FPÖ sei das einzige Gegenwicht und kümmere sich um die Interessen und Sorgen der österreichischen Bevölkerung.

 

 Grosz: Gusenbauer nur mehr Kanzler auf Abruf
Sozialdemokratie hat sich für Hinrichtung auf Raten entschieden
Wien (bzö) - "Die verzweifelte Entscheidung der SPÖ, Kanzler Gusenbauer ein Beiwagerl namens Faymann beizustellen zeigt, dass sich die Sozialdemokratie für eine scheibchenweise Hinrichtung ihres Parteichefs entschieden hat. Damit hat unser Land einen Marionettenkanzler mit Ablaufdatum der zwar nicht in der Lage war die eigene Partei zu führen aber offensichtlich die nächsten Monate noch das Land führen soll. Das unerträgliche Affentheater der SPÖ wird also weitergehen und der Zerfallsprozess wird sich weiter fortsetzen da die SPÖ nicht imstande ist zu einer Politik des aufrechten Gangs gegenüber den Wählern zurückzukehren", so BZÖ-Generalsekretär Gerald Grosz in einer Reaktion auf die Bestellung von SP-Infrastrukturminister Faymann zum geschäftsführenden Bundesvorsitzenden der SPÖ.
 
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