Marie Curie-Stipendiatin erforscht an der Universität Jena die Wirkung
energiereicher Ionen
Jena (idw) - Ein gelbes Dreieck mit einer schwarzen stilisierten Strahlenquelle warnt: Hier droht
Gefahr für Leib und Leben. Solche Schilder, die beispielsweise an Teilchenbeschleunigern oder Massenspektrometern
zu finden sind, machen auf ionisierende Strahlung aufmerksam. Diese Strahlen besitzen so viel Energie, dass sie
Elektronen aus Atomen "herausschlagen" und so Lebewesen und ihren Biomolekülen irreversibel Schaden
zufügen, in deren Folge beispielsweise Krebs entstehen kann.
Was bei der Interaktion dieser energiereichen Strahlung mit Biomolekülen genau passiert, das wollen Chemiker
der Friedrich- Schiller-Universität Jena nun unter die Lupe nehmen. Dazu haben sie das Forschungsprojekt "ATTONEW"
gestartet, das von der Europäischen Kommission im Rahmen eines Marie Curie-Stipendiums gefördert wird.
"Es stellt sich zunehmend heraus, dass weniger die Strahlung selbst für die Schäden an den Biomolekülen
verantwortlich ist, als vielmehr energiereiche Teilchen, die bei der Passage der Strahlung durch die Biomoleküle
entstehen", erläutert Prof. Dr. Leticia González einen ersten Anhaltspunkt. "Wir wollen deshalb
die Wechselwirkungen dieser Ionen mit den Biomolekülen in Echtzeit beobachten, um diese Prozesse besser zu
verstehen", so die Jenaer Professorin für Physikalische und Theoretische Chemie. "Das Problem dabei
ist, dass diese Vorgänge unheimlich schnell ablaufen."
"Unheimlich schnell" bedeutet in diesem Fall: Es handelt sich um Ereignisse im Atto-Sekunden-Bereich
- dem Trillionsten Teil einer Sekunde. Um solche Vorgänge "beobachten" zu können, braucht man
Laserlicht mit extrem kurzer Wellenlänge, etwa im Bereich der Röntgenstrahlung. "Je kürzer
und energiereicher diese Laserpulse zudem sind, umso kleinere Details lassen sich damit sichtbar machen",
erläutert Dr. Marta Labuda. Die polnische Wissenschaftlerin arbeitet seit kurzem als Marie Curie-Stipendiatin
im Labor von Prof. González. Dank der rasanten Entwicklung im Bereich der Lasertechnik mit neuen leistungsstarken
Freien-Elektronen-Lasern könnten mittlerweile genau solche ultrakurzen Röntgenpulse mit ausreichender
Intensität erzeugt werden, schwärmt die junge Forscherin.
Was passiert, wenn energiereiche Ionen auf Moleküle des menschlichen Erbgutes treffen, das wird Dr. Labuda
in den kommenden zwei Jahren an der Universität Jena erforschen. "Damit betreten wir absolutes Neuland",
so die aus Masuren stammende Forscherin. Allerdings planen Marta Labuda und ihre Jenaer Kollegen vorerst keine
Labor-Experimente: Sämtliche Untersuchungen werden allein im Computer stattfinden. "Die hochkomplexen
Bedingungen, wie sie beispielsweise in einem lebenden Organismus vorliegen, lassen sich im Labor gar nicht nachstellen",
erklärt Dr. Labuda dieses Vorgehen.
Ihre Erkenntnisse, so die Hoffnung der Chemiker, werden jedoch nicht nur wichtige Informationen für die theoretische
und praktische Grundlagenforschung liefern. "Es ergeben sich daraus langfristig auch zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten",
betont Prof. González. Denn energiereiche Ionen verursachen nicht nur Schäden am Erbgut und können
dadurch schwere Krankheiten, wie Krebs, auslösen. "Genau diese Teilchen können auch dazu genutzt
werden, Krebszellen und krankes Gewebe gezielt zu zerstören", so González weiter. Mit ihrem aktuellen
Projekt wollen die Jenaer Forscherinnen nun die theoretischen Grundlagen für solche Therapien legen. |