Schwierige Rahmenbedingungen für das österreichische Finanzsystem   

erstellt am
20. 06. 08

Wien (oenb) - „Das österreichische Finanzsystem hat sich angesichts der anhaltenden Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten bewährt und als krisenfest erwiesen“, stellte Direktor Christl anlässlich der Präsentation der 15. Ausgabe des Finanzmarktstabilitätsberichts der OeNB fest. „Obwohl die österreichischen Banken von den internationalen Finanzmarktturbulenzen nicht gänzlich verschont wurden, haben sie ihre Ertragskraft weiter verbessert. Auch ihre Ausstattung mit Eigenmitteln ist weiterhin als solide zu bezeichnen. Die finanzielle Situation der Unter-nehmen und Haushalte ist weiterhin gut, auch wenn sich die Finanzierungsbedingungen etwas verschärft haben und bei Aktienveranlagungen Bewertungsverluste zu registrieren waren.“

Verschärfte Finanzierungsbedingungen fürUnternehmen und Haushalte
Die österreichische Wirtschaft präsentierte sich im ersten Quartal 2008 nach wie vor in einer relativ guten Verfassung, die Perspektiven haben sich allerdings infolge der internationalen Finanzmarktturbulenzen und der Rohstoffpreishausse etwas eingetrübt. Durch das anhaltende Gewinnwachstum verbesserte sich das Innenfinanzierungspotenzial der Unternehmen im Jahr 2007 weiter.Wie Direktor Christl hervorhob, „machten sich in der Unternehmensfinanzierung die Anspannungen auf den Finanzmärkten vor allem bei der Kapitalaufbringung über den Aktienmarkt bemerkbar, während sich in der Entwicklung der Bankkredite bis zuletzt keine Abschwächung erkennen ließ.“ Allerdings war in den letzten Quartalen eine stärkere Differenzierung der Kreditvergabe nach Risikogesichtspunkten zu registrieren.

Überdies führten die Finanzmarktturbulenzen zu höheren Finanzierungskosten für die Unter-nehmen und privaten Haushalte – sowohl für die Aufnahme von Fremdkapital als auch von Eigenkapital. Angesichts des hohen Anteils variabel verzinster Kredite übertrugen sich die gestiegenen Zinsen rasch in eine höhere Kostenbelastung der Unternehmen und Haushalte.

Die Kreditaufnahme der Haushalte schwächte sich im Verlauf des abgelaufenen Jahres ab. Gleichzeitig verringerte sich der Fremdwährungsanteil an den Krediten um 3 Prozentpunkte auf 28%. Dennoch weist die Finanzierungsseite des Haushaltssektors nach wie vor beträchtliche Wechselkursrisiken auf. Darüber hinaus hatten die Haushalte im zweiten Halbjahr 2007 bei der Veranlagung in Aktien und Investmentfonds erhebliche Bewertungsverluste hinzunehmen, die auch die Performance von aktienbasierten Vorsorgeinstrumenten und Tilgungsträgern von Fremdwährungskrediten beeinträchtigten. Allerdings weisen jene Haushalte, die in Kapitalmarktpapiere veranlagen, überdurchschnittlich hohe Einkommen und Vermögen und damit überwiegend eine hohe Risikotragfähigkeit auf.

Österreichs Banken von Finanzmarktturbulenzen nur indirekt betroffen
„Die österreichischen Banken sind von den Finanzmarktturbulenzen direkt in vergleichsweise geringem Ausmaß betroffen. Der Abwertungsbedarf bei strukturierten Kreditprodukten ist im internationalen Vergleich verhältnismäßig gering und beschränkt sich auf rund 1,1 Mrd. EUR für alle österreichische Banken im Jahr 2007, sowie 550 bis 750 Mio EUR im 1. Quartal 2008.“, führte Direktor Christl weiter aus. Die geringe Betroffenheit war nicht zuletzt auf ihrestarke Orientierungauf Zentral-, Ost und Südosteuropa zurückzuführen. Den indirekten Einflüssen der Turbulenzen konnten sich die Banken allerdings nicht entziehen: Refinanzierungen auf dem Interbankenmarkt gestalteten sich auch für österreichische Banken schwieriger, außerdem bescherten ihnen Wertschwankungen auf den Kapitalmärkten Einbußen im Handelsgeschäft.

Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen zeigte der Bankensektor im Jahr 2007 eine günstige Entwicklung. Einen wesentlichen Beitrag dazu leistete wieder das anhaltend dynamische Engagement der österreichischen Banken in Zentral-, Ost- und Südosteuropa. Im Jahr 2007 stammten bereits 25,7% der Gesamtbilanzsumme und 42,6% des konsolidierten Gewinns vor Steuern aller österreichischen Banken aus diesem Geschäftsfeld.

Aber nicht nur im internationalen Geschäft, auch im Inland konnten die Banken ihre Erträge steigern. Getragen vom Provisions- sowie vom Beteiligungsgeschäft stieg das Betriebsergebnis im Jahr 2007 um 14,5%, die (unkonsolidierte) Aufwand-Ertrag-Relation verbesserte sich von 65% auf 62%.

Insgesamt weisen die österreichischen Kreditinstitute weiterhin eine gute Risikotragfähigkeit auf. Darauf deutet nicht nur die stabile Eigenmittelausstattung hin, auch Stress Tests zeigen die gute Schockresistenz des österreichischen Bankensektors. Dies bestätigte auch der IWF im Rahmen eines Updates der FSAP-Länderprüfung (Financial Sector Assessment Program).

Als mögliche Risikofaktoren für die zukünftige Stabilitätsentwicklung nannte Direktor Christl die anhaltenden Verwerfungen an den Finanzmärkten, mögliche Auswirkungen des internationalen Konjunkturabschwungs auf Unternehmensergebnisse, die Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen für die realwirtschaftlichen Sektoren durch die gestiegenen Zinsen sowie eine nach wie vor hohe Exponierung der privaten Haushalte gegenüber Wechselkurs- und Aktienkursrisiken. In Bezug auf die Banken verwies er auf die trotz einer gewissen Beruhigung seit März 2008 weiterhin angespannte Situation am Interbankenmarkt sowie die anhaltend hohe Volatilität auf den internationalen Finanzmärkten, die sowohl das Handels- als auch das Provisionsgeschäft der Banken weiter beeinträchtigen könnten.

Der halbjährlich erscheinende Finanzmarktstabilitätsbericht der OeNB enthält regelmäßige Analysen finanzmarktstabilitätsrelevanter Entwicklungen in Österreich und im internationalen Umfeld. Daneben werden im Rahmen von Schwerpunktartikeln auch gesonderte Themen behandelt, die im Zusammenhang mit der Stabilität der Finanzmärkte stehen. In der aktuellen Ausgabe sind dies ein Stress-Test für das österreichische Finanzsystem, die Relevanz der Netzwerktopologie für die Stabilität von Zahlungssystemen, die Berechnung des Portfoliorisikos im Rahmen der Eigenkapitalvorschriften sowie Auswirkungen der aktuellen Turbulenzen auf den internationalen Finanzmärkten auf die Finanzmärkte in Zentral-, Ost- und Südosteuropa.
 
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